Impulsivität und sich nicht unter Kontrolle haben

Hallo zusammen,

Ich bin neu hier, vorallem weil ich Hilfe und Rat suche. Vllt bin ich ja richtig?

Unser Sohn ist 7 Jahre alt und in der ersten Klasse. Er wurde vor einem Jahr hochbegabt getestet (das zeichnete sich schon lange vorher ab), gleichzeitig ist er in ein kleines ADHS-Spektrum gruppiert worden.
Er ist ein unfassbar toller Kerl. Schlau, witzig, hilfsbereit, absolut gerecht, beschützend und lieb! Gleichzeit hat er eine sehr impulsive Seite, die ihn oft in problematische Situationen bringt.
Er hatte eine absolut besch***ene KitaZeit, weil die Erzieherinnen nicht mit ihm umgehen konnten und wir auch noch nucht wussten was los war. Die ersten Wochen in der Schule waren der Horror, weil er (zeigte sich im Nachhinein) von allem drumherum völlig überfordert war. Alles war zu viel, gleichzeitig zu langweilig. Er verletzte andere Kinder, bockte herum, schrie, verrückte die Möbel…
Ab Herbst erfolgte die Diagnostik und uns wurde gesagt, dass Hochbegabung und ADHS (wenn auch gering?) ein absolutes Chaos im Kopf veranstalten. Er nimmt seitdem Medikinet retard und es läuft seit der ersten Gabe absolut super in der Schule. Er geht so gerne hin. Dass er alles viel zu gut kann und eigentlich in eine etwas höhere Klasse gehört, stört ihn nicht, weil er gerne der Beste ist und zeigen möchte, was er kann. Gleichzeitig hilft er auch gerne anderen, die noch Hilfe benötigen.
Nachmittags geht es ihm eigentlich gut, Treffen mit Freunden klappen idR ohne Probleme, allerdings hat er bei seinen Hobbies (Handball und Karate) zunehmend Probleme mit seiner Impulsivität. Oder auch auf großen und lauten Spielplätzen o.ä., da kneift oder haut er mal andere Kinder, weil sie „nerven“ oder was gemacht haben, was er doof findet.

Man merkt deutlich, dass er sich gerne in sein Zimmer zurück zieht und einfach lange für sich Hörbücher hört. Gleichzeitig ist er aber auch total sportlich und ist gerne draußen.

Er hatte zu KitaZeiten mal Ergo bekommen, brachte aber nichts und er wirkte irgendwie fehlt am Platz.
Seine Frustrationsgrenze ist (wohl durch die Medikation) so viel besser geworden! Das war lange sein schlimmstes Problem, zusammen mit der Impulsivität. Er ist total perfektionistisch jnd schämt sich schlimm, wenn ihm mal was nicht sofort oder gut gelingt.

Ich zweifle oft an der Medikamentengabe, obwohl ich ja sehe, dass es ihm in der Schule sehr hilft! Ich hasse mich dafür, aber ich frage mich, wer davon mein Kind ist? Das, das unter Medikinet super „funktioniert“ (sry für das Wort) oder das, das andere verletzt und wütend ist? Ich kann ihm doch nicht für jeden Nachmittag, an dem es eine Situation geben kööönnte noch mehr Medikinet geben?
Ich bin überfordert und traurig und enttäuscht und hasse mich selbst dafür. Er ist so ein toller Kerl, aber diese Implsivität macht so viel kaputt. Für ihn und für uns.

Danke für euer Ohr <3

LG

Puh, welch Glück das die Medikation direkt so gut funktioniert.

Hochbegabung und ADHS hat man rund um die Uhr.
Du unterstützt deinen Sohn morgens mit Medikinet in der Schule und in seiner Freizeit soll er es so hinbekommen?

Testet doch mal wie es mit einer kontinuierlichen Tagesabdeckung funktioniert.

Vor allem ist es gar nicht so einfach wenn die Wirkung nachlässt (Rebound) den Wechsel hinzubekommen. Grade da kann es schnell mal impulsiv werden.

Ich könnte gar nicht nur morgens Medikinet damit ich für die Arbeit funktioniere klarkommen. Ich benötige gar 3x am Tag, damit mir auch der Abend gelingt .

Aber es ist natürlich für mich nachvollziehbar das man sich wegen der Medikation Sorgen macht und es abwägen möchte .

Es gibt auch noch andere Medikamente als Medikinet , die noch etwas länger wirken . Dann müsste er vielleicht auch nur eine Tablette nehmen und hätte länger was davon.

Wie sieht das denn euer Sohn ?

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Die Medikamente können keinen anderen Menschen hervorholen , sie legen nur frei was vorhanden ist .
Die ganzen impulsive Sachen kommen von zu viel des Guten im Kopf .

Überleg mal wo dir deine Impulsivität oder mangelnde Steuerung im Weg steht oder du den inneren Schweinhund nicht überwinden kannst . Trotzdem bist du ja an sich der gleiche Mensch .

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Willkommen hier im Forum :slight_smile: Ich bin selbst noch neu hier, bekomme (noch) keine Medizin, aber habe nächste Woche einen Termin in der Diagnostik. Daher bitte nichts von mir als Empfehlung auffassen, denn mit ADHS-Medikamenten habe ich bisher null eigene Erfahrung und nur ein wenig hier darüber gelesen. Was ich aber gerne schreiben möchte, aus Sicht einer nun 35-Jährigen, die nicht das Glück hatte, so früh wie dein Sohn die nötige Unterstützung zu bekommen:

Du beantwortest dir die Frage weiter oben selbst, nämlich:

ADHS hat man nicht „ein bisschen“ oder „leicht“. Jeder Mensch kennt alle oder viele Dinge, die bei ADHSlern auftreten, auch von sich selbst - eben nur mit dem Unterschied, dass sie bei neurotypischen Menschen nicht ständig und nicht unbedingt in gleicher Intensität vorhanden sind.
ADHS zu haben bedeutet aber auch nicht, dass alle ADHSler die gleichen Symptome haben. Beispiel: Mein Bruder (diagnostiziert) war im Gegensatz zu mir in der Kindheit recht unauffällig. Was du über deinen Sohn schreibst, passt aber sehr zu dem, wie ich als Kind und Teenager war (und ich bin eine Frau, also das Geschlecht hat da gar nichts zu bedeuten).
Dein Sohn hat ADHS, was (unter anderem) bedeutet, dass er im Gegensatz zu neurotypischen Menschen keine Reizfilter hat. Und wenn das Nervensystem infolgedessen permanent komplett überlastet mit all den Reizen aus der Umgebung und on top noch mit all den Gedanken im Kopf ist, reagieren manche ADHSler darauf mit Impulsivität, die sich teils auch in solcher Wut zeigen kann. Ich habe das selbst jetzt als Erwachsene noch manchmal, weil ich meine Emotionen nicht immer reguliert bekomme, nur dass ich nicht mehr auf Klassenkameraden/Kollegen losgehe oder auf der Arbeit Stühle durch die Gegend werfe, sondern eben zu Hause Gegenstände durch die Gegend werfe usw., was für meinen Partner oder andere Menschen, die das selten mal erleben, definitiv alles andere als schön ist, und für mich auch sehr schlimm, weil ich direkt danach voller Scham bin.

Ich habe keine Kinder und werde auch nie eigene Kinder haben, aber ich kann schon irgendwo verstehen, dass solche Gedanken und Zweifel aufkommen, wenn man nicht selbst ADHS hat und das nicht selbst alles so durchlebt, gleichzeitig aber auch das Beste für sein Kind möchte. Was ich dir gerne sagen möchte, damit du nicht enttäuscht und traurig wegen der Diagnose bist: ADHS kann auch eine Superpower sein - bitte denk nicht, dass es nur negative Seiten hat oder eine Art Persönlichkeitsstörung ist, denn das ist es nicht. Ich habe zB dank dem ADHS-Hyperfokus eine Sprache, die als recht schwierig gilt, in Rekordzeit fließend gelernt, und es gibt viele weitere positive Beispiele.

Bezüglich der Medikamente würde ich das unterstreichen, was Nelumba_Nucifera geschrieben hat: Teste es mal (auch wenn es mit dem Arzt so abgesprochen ist) mit einer kontinuierlichen Tagesabdeckung, denn ADHS führt nicht nur in der Schule zu Einschränkungen, sondern eben auch die restliche Zeit. Ich verstehe ebenfalls, dass du ihm nur so viel wie absolut nötig geben möchtest, aber der Rebound kann recht hart sein, habe ich mal gelesen, und wie gesagt, ADHS hört ja nicht nach dem Unterricht auf und beeinflusst oftmals auch alle anderen Bereiche. Ich habe zB bis heute große Probleme, nicht nur auf Arbeit, sondern auch im sozialen Bereich und in der Freizeit. Und wie Nelumba in ihrem anderen Beitrag hier schreibt, machen die Medis keinen anderen Menschen aus deinem Sohn, sondern legen frei, wer er tatsächlich ist. :slight_smile:

Und da ich wie gesagt die ersten 35 Lebensjahre unbehandelt verbracht habe, kann ich dir sagen, dass ich es ganz toll finde, dass ihr ihn habt checken lassen und er nun diese Hilfe bekommt. Ich wünschte, die Hinweise von den Erzieherinnen in der KiTa damals wären von meinen Eltern ernst genommen worden. Aber auch wenn ich meine Familie teils in den Wahnsinn getrieben habe, hat sich irgendwie keiner was dabei gedacht, abgesehen von „Das legt sich schon mit dem Alter“. Und ja, es hat sich mit dem Alter „gelegt“, sodass ich nach außen manchmal sehr funktional wirke, aber ich habe eben auch gelernt, vieles zu unterdrücken und zu verstecken (Masking), was dazu führt, dass ich regelmäßig total erschöpft bin, was vermutlich vor vielen Jahren dann zur Fehldiagnose Depressionen inkl. verschiedener starker Medikamente geführt hat usw., die jedoch nicht geholfen haben. Und wie gesagt, Emotionen kann ich bis heute nicht zuverlässig regulieren. Hinzu kommt eine extreme Unsicherheit/Angst (da ist zu klären, ob es Rejection Sensitivity oder eine Angststörung/Sozialphobie ist), und ich habe enorme exekutive Probleme, will heißen, dass ich mit Hygiene nicht immer zuverlässig hinterherkomme und alleine keine Ordnung in meinem Haushalt halten geschweige denn regelmäßig essen kann. Ich habe Abi, bin definitiv nicht auf den Kopf gefallen, aber habe dennoch von vier angefangenen Studiengängen keinen beendet und auch bis heute keine abgeschlossene Berufsausbildung. So muss es definitiv nicht bei jedem laufen, denn ADHS kann sich unterschiedlich äußern, es gibt „schlimmere“ Lebensläufe als meinen und auch weitaus unauffälligere - dennoch steckt Leid dahinter. Und was ich dir ans Herz legen möchte: Erspare es deinem Sohn, herauszufinden, wie es wohl bei ihm so ohne Medizin laufen wird bei all den bevorstehenden Herausforderungen (besonders in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenenalter), und sei dankbar, dass das Medikament so gut anschlägt. :folded_hands: :smiling_face_with_tear:

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