Hallo ihr Lieben,
ich bin neu im Forum, deswegen stelle ich mich an dieser Stelle ganz kurz vor. Ich bin 25, männlich und Student. Meine Kindheit und Jugend verliefen sehr problematisch und waren von starken Anpassungsproblemen in der Schule und Zuhause geprägt. Meine mittlere und letztlich auch die Fachhochschulreife konnte ich nur über Umwege erreichen.
Im Erwachsenenalter wurde dann das erste Mal der Verdacht auf ADHS von meiner Mutter geäußert und auch ich selbst konnte mich gut mit den Symptomen identifizieren. Allerdings war ich nicht wirklich bereit, mich auf Unterstützung einzulassen und verdrängte meine Probleme weiterhin. Nach erneutem Scheitern im Studium war ich schließlich an dem Punkt, mir endlich extern Hilfe zu suchen.
Dieser Scheidepunkt liegt inzwischen über ein Jahr zurück und nach langer Wartezeit zur Diagnostik habe ich seit letzter Woche offiziell ADHS. Allerdings fühle ich mich aktuell etwas verlorener als zuvor und weiß nicht so ganz mit der Diagnose umzugehen. Diese bestand aus einem Anamnesegespräch, mehreren darauffolgenden Testverfahren mit Fragebögen und Aufmerksamkeitstests und der anschließenden Befundbesprechung.
Eigentlich war es mein Plan, nach der Diagnose etwas in Richtung Verhaltenstherapie in Anspruch zu nehmen. Ich habe mich über die Behandlung im Voraus zwar nicht großartig informiert, wollte das Ganze nach Möglichkeiten aber erst mal ohne Medikamente angehen. Laut meiner Psychiaterin gibt es für die Wirksamkeit von Therapie bei ADHS aber keinerlei Evidenz. Stattdessen hat sie mir Medikinet verschrieben und das soll all meine alltagseinschränkenden Symptome behandeln.
Irgendwie fühle ich mich damit aber ein bisschen alleine gelassen, denn neben dem Besprechen der Befunde, einer kurzen neurobiologischen Erklärung von ADHS und der Medikamentierung wurde kaum etwas besprochen. Und ich habe Angst, dass sich meine Probleme damit nicht lösen, da sie deutlich diffuser sind als reine Ablenkbarkeit beim Arbeiten / Lernen.
Ich schaffe es einfach nicht, eine Struktur in mein Leben zu bringen und schiebe alles auf bis zum Supergau. Zum Beginn von meinem Studium konnte ich noch einige Modulleistungen erfüllen, da es mich zu Beginn so gepackt hatte. Aber schon hier habe ich für die Klausuren nur unvollständig und unter Druck wenige Tage vor Prüfungstermin gelernt. Glücklicherweise besteht mein Studium auch aus vielen Seminar- und Praxisanteilen, die ich durch regelmäßige Termine leichter erfüllen konnte. Mit jedem Semster wurde es dann etwas weniger Leistung, zeitweise durch eine schwierige Trennung gar keine Leistung. Für das jetzt bald endende Semester habe ich es dann sogar verschlafen, mich im Oktober 2022 rechtzeitig für meine Module anzumelden und somit kann / konnte ich dieses Wintersemester an gar keinen Studieninhalten teilnehmen.
Maßnahmen, um mein Leben endlich zu regeln (wie bspw. Tagespläne oder „es einfach angehen“ halte ich maximal einige Tage durch, bevor ich wieder in der Prokrastionation versinke. Bis jetzt wurden meine Misserfolge durch Corona überschattet, da man bei den Prüfungen nicht zwingend antreten musste und selbst rückwirkend einen Rücktritt einfordern konnte. Nur deswegen wurde ich aktuell noch nicht exmatrikuliert und nur deswegen kann ich mich noch mit BAföG finanzieren, um überhaupt meine Miete zu bezahlen. Aber die Wahrheit ist leider, dass ich aktuell einfach nichts mache und es nicht schaffe, meine ganzen aufgestauten Aufgaben sowohl für Uni als auch für andere Lebensbereiche anzugehen.
Diese Unwirksamkeit habe ich immer verdrängt, da ich im Zweifelsfall ja dann doch für eine Klausur lernen und etwas „leisten“ konnte. Ich habe mich immer als grenzenlos faul wahrgenommen und aus Scham das Ganze auch noch vor meiner Familie, Partnerin und Freunden runtergespielt oder verdeckt. Ähnlich lief es schon in der Schule, meine Fachhochschulreife konnte ich nur bestehen, weil meine sehr guten Leistungen zu Anfang den Komplettausfall im späteren Verlauf abgepuffert haben und ich für die Abschlussprüfungen nochmal eine Woche „auf Pump“ lernte. Erst durch die Diagnostik und auch nochmal das Betrachten meiner Vergangenheit bin ich mir jetzt aller Probleme und Misserfolge in ihrem Ausmaß bewusst.
Jetzt nehme ich seit 3 Tagen wie verschrieben Medikinet und weiß nicht ganz, was ich tun kann und wo ich beginnen soll. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich schon irgendetwas bemerkt habe (waren die ersten zwei Tage aber auch nur 2 x 5 und heute 2 x 10 mg und ich war übers Wochenende bei der Familie meiner Partnerin). Muss ich einfach nur länger warten, bis ich bei der vollen Dosierung angekommen bin und dann wird aus mir wieder (oder erstmals) ein funktionaler Mensch?
Ich bin noch für einen zweiten Diagnostiktermin im Mai bei einer ADHS-Spezialambulanz angemeldet. Den habe ich vor meinem jetzt erfolgten Diagnostik-Termin vereinbart und die Wartezeit ist / war länger. Glaubt ihr, dass ich diesen Termin mit meiner jetzt erhaltenen Diagnose und Medikation noch in Anspruch nehmen darf, um mich nochmal etwas besser über Behandlungsmöglichkeiten und generell ADHS zu informieren und so vielleicht auch irgendwas in Richtung Therapie zu erwirken?