Kann Ritalin nach einer Therapie "zu viel" werden?

Hallo zusammen,

ich bin neu hier in dem Forum, da ich mit einer Frage „überfragt“ bin und ich gerne andere Meinungen dazu hätte.

Folgendes: Ich bin 26 Jahre alt und nehme jetzt seit knapp einem Jahr Ritalin. Anfangs war es ein echter Gamechanger. Dinge erschienen auf einmal naheliegend, die mir sonst nie leicht fielen. Ordnung halten, Struktur in den Alltag und ins Leben/Planung bringen, Dinge nicht ewig aufschieben, Gesprächen folgen können etc. Es war nicht perfekt, aber ich war alltagsfähig. Damit konnte ich umgehen bzw. damit „ließ sich arbeiten“.

Nun habe ich ein halbes Jahr vollstationäre Therapie hinter mir. Mir geht es das erste Mal im Leben richtig gut, ohne dass äußere Faktoren eine Rolle spielen. Sonst ging es mir auch immer mal wieder kurzzeitig gut, aber dann eher weil neuer Job, neue tolle Leute um einen rum, neuer Mann etc. Aktuell ist es eher andersrum: Von den äußeren Faktoren ist nicht wirklich groß was da, was mir eine so große Freude beschert, aber ich kann diese Freude irgendwie aus mir selbst ziehen. Diesmal fühlt sich meine Stimmungslage einfach „stabiler/langfristiger“ an.

Vor 4, 5 Wochen habe ich gemerkt, dass mich auf einmal wieder Ängste plagen. Ich bekam immer mal wieder Panikattacken(hatte ich früher schon, aber nach einer Traumatherapie nur noch 2 Mal vorgekommen), immer häufiger kam ich in Angstspiralen rein, ich wurde irgendwie immer ernster und „straighter“. Situationen bewertete ich automatisch als negativ/bedrohlich. Kleinigkeiten brachten mich lange auf die Palme. Ich wollte in schlechten Momenten nicht reden, war in meinem Film. Gespräche wollte ich kurz halten. Aufmunterungsversuche oder Ideen, die Situation zu klären fand ich störend. Ich kapitulierte/resignierte direkt, wenn was nicht so lief, wie ich wollte.

Dann kam von anderen Leuten, denen ich das berichtet hatte der Impuls, ob es nicht vielleicht am Ritalin liegen könnte. Ich dachte zuerst, dass das Quatsch ist. Dann habe ich mit meiner Psychiaterin gesprochen und sie meinte, bei Ängsten kann das Ritalin diese schon verstärken. Ich könnte es ja mal auslassen und schauen was passiert.

Und siehe da:
Ja, ich war mal auf 180, aber das kühlte schnell ab. Ja, ich wollte auch mal nicht reden, aber nach 1 Stunde habe ich doch das Gespräch gesucht. Über Aufmunterungsversuche habe ich mich gefreut. Meine „Albernheit“ hat mich oft aus unangenehmen Situationen gerettet bzw. dadurch konnte ich für mich einer negativen oder neutralen Situation doch was positives abgewinnen. Ich finde eine Lösung für ein Problem, auch wenn es nicht Schema F ist und habe auch Lust diese auszuprobieren. Meine Neugier und meine Abenteuerlust sind zu groß, um Dinge direkt hinzuschmeißen. Situationen die ich mit Ritalin definitiv negativ bewertet hätte (wie z.b. Dunkle Straße, Auto hält neben mir, 2 Männer schauen mich an) bewerte ich neutral bzw. in dem Fall musste ich selber zu mir lachen, weil ich es albern fande, wie sie auf einmal ihre Musik hochdrehen um Aufmerksamkeit zu bekommen, diese haben auch gelacht und die Situation war gut. Ein Freund meinte auch zu mir, er empfindet mich ohne viel zugänglicher. Meine Laune ist einfach eine ganz andere. Ich leg nicht alles auf die Goldwaage und kann über dumme Kommentare z.b. eher hinwegsehen.

Dann habe ich es für 2 Tage wieder genommen, um zu gucken, ob es nicht einfach „Zufall“ oder andere Tagesform etc. war. Und tatsächlich war alles wieder so, wie die letzten Wochen mit Ritalin. Ich habe es nach den 2 Tagen sein lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viel mit dem Ritalin zusammenhängt.

Nun meine Frage: Kann es sein, dass durch die Therapie das Ritalin einfach zu viel ist? Dass ich davor bei einer -50 von „Struktur“ im Kopf war, durch das Ritalin bei einer -20, durch die Therapie ich jetzt aber ohne Ritalin bei einer -20 bin und das Ritalin mich jetzt auf eine +10 bringt und ich es deswegen als so „unpassend“ zu meiner Persönlichkeit erlebe? Jetzt mal plakativ ausgedrückt.

Ist viel Text geworden…Vielleicht liest sich ja jemand aber doch alles durch und kann dazu was sagen :slight_smile:

Pb das wirklich an der Therapie liegt, weiß ich nicht, aber vielleicht solltest du ADHS eher als eine dynamischere Erkrankung sehen, die nicht stark immer gleich ausgeprägt ist, sie hat Phasen in denen sie stärker und Phasen in denen sie schwächer nach vorne treten kann.

Du hast eher in der Therapie deine Gefühlslage stabilisiert und verbessert und das wirkt sich auf die AdhS aus. Ich hatte Phasen in denen ich „normal war“ und welche in denen ich nie verstand warum ich so viele auf und abs, Zweifel und schwarze Täler hatte… Es kann aber sein, daß du Ruhe und Kontakt zu dir gefunden hast, was du vorher nicht in dieser Form hattest und weil du für dich erst mal Stress, Überforderung, Zweifel etc. abbauen/ runterfahen konntest ist es sehr plausibel das sich damit auch die ADHS derzeit mehr in den Hintergrund (besser geworden) getreten ist, aber auch Ereignisse so triggern können, das es dann auch unerwartet schlechter oder viel schlechter wird z.B. wenn du plötzlich in so selbstüberfordernde Situationen kommst, daß du wieder ständig an deine Grenzen kommst und dadurch ausbrennst → Richtung Burnout quasi gehst. Stimulanzien helfen aner, daß man nicht mehr so überfordert ist und kann sie ja auch passend dosieren bzw. einsetzen wie man sie braucht

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Hast du es schon mit Runterdosieren versucht?

Ja, das mit dem mal besser, mal schlechter sehe ich schon auch so. Mich wundert es nur so massiv, dass das Ritalin zurzeit genau das Gegenteil tut, was es sonst getan hat und wie unterschiedlich ich es erlebe. Und dann kam für mich die Frage eben auf, ob es sein kann, dass es jetzt eben anders „wirkt“. Weil ich kann es mir nicht erklären, warum es mir aktuell mit Ritalin so schlecht und ohne so gut geht.

Tatsächlich nicht. Meine Psychiaterin meinte aber, wir reden in 2 Wochen beim nächsten Termin mal drüber und schauen nach Alternativen.

Es strht doch auch in der Packungsbeilage das immer wieder kontrolliert werden soll ob es noch nötig ist

Wir haben noch 3 Möglichkeiten

  1. kommst du im Alltag gut klar? oder hast du eher gerade mit deiner Dosis Ritalin ein Problem?

  2. Hast du mal versucht eine höhere oder niedrigere Dosis Ritalin zu nehmen? Hat das irgendwas verändert? Wenn ja nimmst du die falsche Dosis und müsstest ggf. noch einmal auf Dosisfindung gehen

  3. kommst du nur ohne Ritalin besser klar als mit? Kommst du aber sonst im Alltag trotzdem nicht gut zurecht?
    Wäre ein Wirkstoffwechsel Sinnvoll

Bei mir hatte Corona einiges Ende Oktober verändert. Ritalin war 1 Jahr gar nicht so schlecht, doch es gab schon so einige Probleme und mit Long Covid hat mit Ritalin nix mehr gepasst und die Psychiaterin wollte davon Mitte Dezember nichts wissen, als alke Klausuren Anfang Februar schief liefen, hab ich sie festgenagelt, denn ich bin an der Uni noch nie durch eine Klausur gefallen und dann gleich 5 auf einmal sogar die leichtesten.

Also mußte sie reagieren und ich bin auf Lisdexamfetamin gewechselt

Aber das mußt du für dich rausfinden und entscheiden. War Ritalin überhaupt so toll? Oder hast du einiges an Nebenwirkungen auch akzeptiert, weil sie gering waren und erst in dem Jahr sich steigerten / ausprägten?

Hi,

Psychotheraoie ist ja nicht wirkungslos bei ADHS. Sie wirkt nicht bei allen, und im Schnitt eher schwach, aber bei manchen kann sie auch voll reinhauen.
Glückwunsch, wenn das bei dir so ist - super !!!
Und wenn das so wäre, könnte die frühere MPH-Dosis jetzt zu viel sein.

Ich würde mal mit ganz kleinen Dosen wieder einsteigen.
Und wie immer: Koffein komplett und konsequent weg lassen.

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