Keine Diagnose wegen Testpsychologie - zweite Meinung?

Hallo zusammen,

Ich bin niedergeschlagen und frustriert und könnte euren guten Rat gebrauchen.

Ich hatte heute meinen Abschlusstermin in der Uniklinik zur Diagnostik. Ergebnis: Anhaltspunkte für ADHS, aber weil ich im testpsychologischen Bereich (Computer) zu gut abgeschnitten habe, könne/dürfe man die Diagnose nicht stellen.

Die Selbstbeurteilungsverfahren (CAARS-Test) sind überwiegend auffällig, der DSM-IV auch. Nur der Bereich der Hyperaktivität ist jeweils unauffällig.

Die Aufmerksamkeitstests am PC fielen mir überwiegend leicht. Die Sprachtests auch. Für kurze Zeit und mit extrinsischer Motivation habe ich auch kein Problem, mich zu konzentrieren. Ich habe ja auch irgendwie die Prüfungen in Abitur und Studium geschafft und kann mich konzentrieren, wenn es drauf ankommt. Aber ich kann es nicht steuern. Sobald mich etwas langweilt, drifte ich ab. Wenn mich etwas interessiert oder die Deadline naht, kommt meist der Hyperfokus.

Das habe ich der Psychiaterin in der Klinik auch so erklärt. Mein Leidensdruck im Alltag ist groß. Ich bin Mitte 30, Arbeite in einem hochqualifizierten und verantwortungsvollen Job und habe langsam keine Ressourcen mehr übrig, irgendwie zu „funktionieren“. Ich vergesse permanent Dinge, bin leicht ablenkbar, springe von Aufgabe zu Aufgabe, mache nichts fertig, schiebe Dinge bis ultimo auf und erledige sie nur unter absolutem Zeitdruck. Dazu kommen noch viele weitere kleinere Symptome, die ich in den letzten Monaten als ADHS-typisch einsortiert habe…

Die Psychiaterin meinte darauf, dass sie mir meine Symptome glaube und die Auffälligkeiten in der Fremd- und Selbstbeobachtung auch sehe. Aber sie dürfe ohne Auffälligkeiten in der Testpsychologie keine Diagnose stellen. Voraussichtlich ab nächstem Jahr werde die ICD11 angewandt, die sei nicht mehr ganz so streng bzw. würde ADHS als Spektrum sehen, darunter könne man bei mir ggf. Eine Diagnose stellen. Sie empfahl mir, eine/n niedergelassene/n Psychiater/in aufzusuchen und mich dort noch einmal testen zu lassen, ggf. nur auf Grundlage der Fragebögen und mit Gesprächen, ohne Testpsychologie. Jetzt frage ich mich, wie viel Sinn das macht.

Ich hatte so viel Hoffnung in den heutigen Termin gesteckt und mich seit Wochen an den Gedanken geklammert, dass ab heute alles besser wird (Medikamente, Psychotherapie) - und jetzt reißt es mir den Boden unter den Füßen weg.

Einen neuen Anlauf zu machen würde sich irgendwie anfühlen, als würde ich mir eine Diagnose erschleichen, die mir nicht zusteht. Aber ich komme im Alltag immer weniger zurecht und brauche dringend Hilfe.

Hat hier jemand schon mal eine Zweitmeinung nach „zu guter“ Testpsychologie eingeholt? Diagnostizieren niedergelassene Psychiater/innen überhaupt oder kann ich mir den Weg sparen?

Vielleicht hat ja noch jemand einen Tip für Diagnostik im PlZ-Bereich 4**** oder 5****, ich wäre auch bereit, weiter zu fahren.

Sorry für den wirren Text, ich bin nach dem heutigen Tag reichlich durch.

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Huhu und Willkommen bei uns :adxs_wink:

Eine Zweitmeinung darfst du dir grundsätzlich einholen.

Oben über die Suche (Lupe) mal „Zweitmeinung“ eingeben. Da wirst du etliche Themen dazu finden.
Bist jedenfalls nicht alleine damit und manch andere haben auch eventuell zwei Anläufe gebraucht.

Es gibt zwar Leitlinien, aber dennoch liest man hier unterschiedlichste Berichte bzgl. des Ablaufs einer Diagnostik.

Kannst ja mal hier wegen des testpsychologischen Teils lesen. Der sollte nicht ausschlaggebend sein, sondern nur zusätzlich helfen.

https://www.adhs.info/fuer-erwachsene/diagnostik-erwachsenenalter/

Die Leitlinien gibts hier zum Download:
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/028-045

Übrigens, meine Tests am Computer waren alle durchschnittlich. Trotzdem überwogen die anderen Bereiche, die zur Diagnostik gehören.

Abgesehen davon wurde ich bei diesen Tests beobachtet. Das floss alles mit ein. Trotzdem durchschnittlich und kein Auschlusskriterium.

Es wird im Befund in einem Zusatz erwähnt, dass ich meine subjektiven Aufmerksamkeitsdefizite (zumindest kurzzeitig) gut kompensieren kann.

Und genau so ist es auch. ADHS bedeutet schließlich auch nicht, dass man sich überhaupt nicht konzentrieren kann und den ganzen Tag verpeilt ist.

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Dann hat sie dich doch ernst genommen und das Dilemma erkannt und hat nun aufgrund der Testung keine Chance es anders zu drehen . Vor allem hat sie dir ja die Empfehlung zu einer zweiten Diagnostik ohne Testung gegeben. Das hätte sie doch gesagt um dir die Diagnose noch ermöglichen , von der sie vermutlich auch überzeugt ist.

Grade Menschen mit ADHS können bei Computertestung auch mal im Zockermodus landen. Sonst könnten AdHSler ja nicht stundenlang konzentriert zocken.:sweat_smile:

Ich habe keine Konzentrationsteste machen müssen und habe trotzdem die Diagnose. Wobei damals meine Konzentrationsprobleme auch offensichtlich waren.

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Hab ich schon wiederholt gehört von ADHSlern, denen wegen der sehr guten Ergebnisse am PC die Diagnose verweigert wird.:+1:

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Hallo @Mibu,

fühl dich gedrückt!

Ist bei dir am Computer auch der Test zur Langzeitaufmerksamkeit gemacht worden? Ich habe bei den kürzeren Tests auch überall mindestens im unteren Normbereich gelegen - aber der Langzeittest hat mein ADHS dann zutage gefördert.

Ansonsten liest man hier immer wieder von Psychiatern, die bei einem vorliegenden ADHS-Verdacht eine diagnostische Abkürzung nehmen und testweise ein Medikament verschreiben. Wirkt es beruhigend, kann von einer ADHS ausgegangen werden. Vielleicht hat ja jemand aus dem von dir angefragten PLZ-Bereich einen Tipp in der Richtung… Du wirst ja sicher auch den Diagnostikbericht bekommen, in dem sich dann hoffentlich die Einschätzung der Ärztin wiederfindet. Das wäre eine gute Grundlage.

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Habe ich auch gehört, und noch öfter leider (hier im Forum) gelesen. Den Leitlinien entspricht das allerdings nicht.

Wohl eher den internen Leitlinien der genannten Uniklinik, wo von oben vorgegeben wird, nicht zu viele positive Diagnosen zu haben.

Man kann ADHS nicht „testen“, weder positiv noch negativ. Man kann die Auswirkungen im Alltag erfragen, darauf kommt es an. Die oder der Betroffene möchte ja auch Hilfe für den Alltag und nicht für eine Testsituation. Derlei Tests täuschen eine Objektivität vor, die es nicht gibt.

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Tja, du hast doch ein gutes Einkommen. Einfach private Diagnostik, vorher ein bischen besser, wie ADHS mein ganzes Leben seit meiner Kindheit zerstört hat, üben, Beispiele siehe Forum " Wie fühlt sich… an", und dann wird das schon. Und der Zugang zu den BTM offen.

Viel Glück.

Mich verwirrt grade deine Aussage. Klingt ein wenig so wie eine „Anleitung“ wie man mal eben so an eine Diagnose kommt um sich BTM zu „erschleichen“.

Ich glaube nicht das bei @Mibu der Weg notwendig wäre, denn der Psychiaterin waren ja jetzt nur die Hände gebunden und deswegen hat sie ja den Hinweis zur Zweitdiagnostik gegeben in der ja ohne was zu „verschlimmbessern“ eine offizielle ehrliche Diagnose möglich wäre.

Es kann auch nach hinten losgehen wenn ein Arzt es spürt , dass man etwas „verschlimmbessert“ und dann ist ganz vorbei. Und Nicht jeder kann damit im Nachhinein mit leben wenn das Gefühl besteht sich die Diagnostik erschlichen zu haben.
Ich bin in einer Begutachtung sogar schon mal gezielt getestet worden ob ich versuche an der Wahrheit zu drehen.

Wir müssen hier im Forum immer darauf achten wie wir uns ausdrücken um „Mainstreamgedanken“ nicht zu füttern, und das kann mit so einer Wortwahl passieren auch wenn es vielleicht nicht so gemeint war.

Liebe Jesse67,

könntest du Ironie etwas besser als solche kennzeichnen?

Wo wir leider wieder beim alten Thema wären, „dass nicht sein kann, was nicht sein darf“ :unamused:

Durch sowas werden Ergebnisse eher verfälscht und „offizielle“ Zahlen / Statistiken geschönt, um ja nicht die Tatsachen abzubilden.

Auch bekannt als:
"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast :+1: "

Sry für den kleinen Frust über die allgemeine Situation am morgen ( @Falschparker weißt ja hoffentlich dass das nicht gegen dich gerichtet ist).
Bin noch nicht so ganz… :wink:

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Das ist keine Abkürzung (also in Echt ist es Keine :sweat_smile:)
Die positive Reaktion auf Stimulanzien, kann aber ein zusätzlicher Indikatior für eine vorhandene ADHS sein. Keine oder schlechte Reaktion, kann aber wiederum kein Indikator dafür sein, dass keine ADHS vorliegt.

Ja leider liest man das immer wieder. Selbst bei manch vermeintlich spezialisierten Kliniken.

Oder auch die tollen Aufmerksamkeitstests einmal mit und später ohne Medikinet. Warum das Quatsch ist, spare ich mir hier.

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Meine Neurologin meinte nach einem routinemäßigen Aufmerksamkeitstest zu mir, dass der ja echt gut ausgefallen sei.

Hab ihr dann verraten warum :innocent:
(Bin nicht wegen meines ADHS bei ihr, die Diagnose ist ihr jedoch bekannt.)

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Hey @Mibu
erstmal :heart:- lich willkommen hier im Forum und danke, dass du deine Geschichte so offen teilst.

Es tut mir sehr leid zu hören, dass du so niedergeschlagen bist – das Ganze ist belastend, das kann ich gut verstehen. Lass dich erstmal lieb und aufmunternd umarmen :people_hugging:

Ich möchte dir sagen, dass es völlig legitim ist, eine zweite Meinung einzuholen, gerade wenn du das Gefühl hast, dass die Diagnostik nicht alle Symptome valide erfasst hat.

Viele von uns hier kennen solche Hürden bei der Diagnostik von ADHS – vor allem, wenn man in Testsituationen ‚zu gut‘ abschneidet, da der Hyperfokus zugeschlagen hat.

Die Idee, einen niedergelassenen Psychiater oder Therapeut aufzusuchen, finde ich sinnvoll, besonders wenn es dort weniger Fokus auf standardisierte Tests gibt und mehr auf das, was du im Alltag erlebst. Vielleicht hilft es dir, dass du mit dem neuen Arzt gezielt über deinen Leidensdruck sprichst und schilderst, wie sehr das deinen Alltag und deine Lebensqualität beeinträchtigt. Auch Fremdberichte von Familie oder Kollegen könnten hierbei wichtige Hinweise liefern. Schreib das alles zudem detailliert auf und bringe deine Notizen mit.

Du bist nicht allein mit diesen Schwierigkeiten, und es ist absolut kein ‚Erschleichen‘, wenn du eine weitere Meinung einholst, um endlich die Unterstützung zu bekommen, die du brauchst.

Kopf hoch und viel Kraft für die nächsten Schritte… Du packst das!

Liebe Grüße von Lea :sparkles:

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Diese Aufmerksamkeitstest sind nicht wirklich aussagekräftig. Findet man den Test „interessant“, werden die Ergebnisse gut ausfallen. So auch meinem Neffen geschehen und deswegen hat er die Diagnose nicht bekommen.

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Oh man, es tut mir total leid was dir passiert ist. Aber bitte lass dich davon nicht entmutigen. Es ist wirklich ein Misstand, dass selbst in solchen spezialisierten Einrichtungen teils so wenig Wissen vorhanden ist. Leistungstest sind nicht das Zünglein an der Waage für eine Diagnose. Das steht auch überhaupt nicht so im ICD 10, sondern da sind nur die Symptome beschrieben und vorgegeben, was an Leidensdruck vorhanden sein muss und was man ausschließen muss für eine Diagnose (grob gesagt).

Also bitte bitte lass dich nicht entmutigen. Hier im Forum gibt es viele Ressourcen, such dir jemanden mit ADHS-Expertise und mach nochmal eine Diagnostik. Wenn man sich hier die Berichte von Menschen durchließt hat man das Gefühl, das leider sehr vielen genau das Gleiche passiert wie dir und das ist echt unverantwortlich. Ich wünsche dir ganz viel Kraft auf deinem weiteren Weg. Du hast das Recht auf eine anständige Diagnose, die sich nach wissenschaftlichen und WHO-Standards richtet. Liebe Grüße