Lesen bei AD(H)S

achso: Und ja, die erwarten sich, er nimmt eine Tablette und auf einmal bekommt er alles mit, was sie sagen. Schlägt nie mehr eine falsche Seite auf, driftet nie mehr ab, kommt nie mehr in einen Overload, dass er sich ewig auf die Toilette zurückzieht. Die genauen Zeiten wie lange er da sitzt, werden mir dann mitgeteilt - statt dass ihm wie ausgemacht, rechtzeitig Pausen ermöglicht werden :enraged_face:

War bei mir ganz genauso. Der richtige Leseschub kam sogar noch ein bisschen später, dann aber richtig. In der Mittelstufe war ich dann plötzlich Chef in Rechtschreibung und Ausdruck, ein riesiger Unterschied zu meinem Grundschulniveau.

Meine Oma aus den USA hatte mir dann auch die Harry-Potter-Bücher in Braille geschickt, das hatte mich damals gefordert. Dafür hatte ich sogar die englische Blindenkurzschrift vorzeitig gelernt, nur um die Bücher lesen zu können. Musste später leider trotzdem im Unterricht mit dabei sein, obwohl ich die Kurzschrift schon konnte. Doofe Lehrer …

Es wird ja viel über Förderschulen geschimpft, aber ich muss sagen, dass zumindest meine Grundschule mir sehr gut getan hatte. Es war kein Unterricht auf Eliteniveau, weil man auf die Schwächeren Rücksicht nehmen musste, aber es wurde viel Freiraum für Spiel und Entfaltung gelassen.

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Vielleicht hilft es ihr ein paar Links zu bekommen?

Beim ADHS-Eltern-Coaching hat man uns gesagt, wir sollen bei Lehrergesprächen betonen, dass die Fachleute gesagt haben, dass das Kind dies und das und jenes nicht kann und Hilfe benötigt, ruhig übertreiben! Damit es nicht die für Erziehung unfähige überbehütende Mutti ist, die meint, dass das Kind Extrawürste braucht sondern das Kind das tatsächlich braucht.

Desweiteren soll man beschreiben, was das Kind hindert blockiert, hilft, indem man die Lehrer nicht belehrt sondern das so dreht, dass die Lehrerin ja sicher weiß, dass das mit ADHS einhergeht und bei xy deutlich ausgeprägt ist…so irgendwie.

Ich habe auch Erfolg damit, zu beschreiben, wie verzweifelt meine Kinder Zuhause überreagieren, weil sie wieder was nicht komnten, nicht gut genug waren, geärgert wurden und die nach außen sichtbare in den Wahnsinn treibende Bockigkeit nur Verzweiflungsfassade ist und dass Schule bei meinem Großen seit über 6 Jahren ihm vermittelt, dass er es egal wie er sich anstrengt, nicht kann und dass das was mit ihm gemacht hat, was sich nicht durch mal ein nettes Wort drehen lässt.

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Danke an alle, die mir bisher schon geantwortet und geholfen haben. :slightly_smiling_face:

Ein kleines erfreuliches Update:
In der Schule geht es aktuell viel besser. Klassenwiederholung dürfte vom Tisch sein. Im Lesen gibt es Fortschritte, auch wenn mein Sohn noch nicht dort ist, wo er sein sollte. Aber da müssen wir eben dran bleiben.

Insgesamt ist es entspannter. Darüber bin ich sehr froh, da für mich die Situation echt sehr belastend war… Vor allem ist mein Sohn gefühlt jetzt wirklich in der „Schule angekommen“. Er versteht sich mit den Kindern, erzählt mir auch mal etwas von Klassenkameraden.

Leicht ist es manchmal noch immer nicht, aber ich hoffe, dass wir den Tiefpunkt hinter uns haben.

Aktuell bekommt er morgend 10mg Medikinet retardiert. Das wirkt aus Sicht der Schule echt gut und auch wir haben ein besseres Gefühl. Beim unretardiert hat er ziemliche Stimmungschwankungen.

Einige zusätzliche Hilfen laufen jetzt außerdem auch an. Ich bin gespannt, wie das dann noch läuft.

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Nochmal ein Update.

Inzwischen liest mein Sohn echt flüssiger. Sinnerfassend hatte er ohnehin nie viel Probleme. Aber jetzt liest er auch recht gut laut vor. Ich habe in den Sommerferien geschaut, dass er immer wieder etwas liest. Nicht ganz so viel, wie ich mir gewünscht hätte, aber es war wohl genug. Auf einmal war der Moment da, wo er echt viel besser gelesen hat. Anfangs der Ferien wurde mir teils anders, weil er echt schlecht las… aber gut, manchmal erfolgt ja angeblich ein Rückschritt und dann kommt der Durchbruch. Das wirkte hier auch fast so.

Jetzt mal schauen, was das Schuljahr bringt. Bis jetzt geht es noch ganz gut. Er hat schon einige Fortschritte gemacht.

Was ich jetzt gemerkt habe, ich muss ihn auch alleine lernen lassen. Er will ohnehin gern autonom sein und das kann er da auch - naja, mit bisschen Lerntipps, Anleitung und Kontrolle :smiling_face_with_sunglasses:

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Hey, musste gerade schmunzeln das hätte eins zu eins ich sein können… d und b verwechselt bis ich ne Brille bekommen habe😅 langsam Gelesen habe ich bis zu 6 Klasse und vermeiden bis heute vor anderen Lesen zu müssen… eine LRS wurde bei mir auch vermutet… Ebenfals sollte ich eine Klasse wiederholen! Wehr dich da unbedingt gegen, das wird es nur schlimmer machen.

Da bei mir nun ADHS im Raum steht würde ich da den Fokus auch bei dir empfehlen.

P.S. mir hat es geholfen mich einfach lesen zu lassen wann und wie ich wollte… irgend wann war es puff besser, ich hatte Angst was falsch zu lesen vieleicht hilft euch der Tip ja :pink_heart:

Wir hatten die letzten Tage wieder mal ein Gespräch in der Schule.

Das Kind hatte bisher lauter 1 auf Tests und Überprüfungen. Nur bei Diktaten und generell in Deutsch Probleme mit Rechtschreibfehlern - was ja bei einer LRS kein so großes Wunder ist. Nachschreiben aus dem Unterricht mussten wir dieses Jahr fast noch nichts und auch die Hausaufgaben gehen relativ gut.

Jetzt kam schon wieder, dass das Kind “unter seinem Potential” bleibt. Weil angeblich ist es das schlaueste Kind überhaupt (ähm, ja…) und hat dennoch so eine schlechte Mitarbeit… äh, ja das ist typisch bei ADHS so weit ich weiß. :zany_face:

Das Thema hatten wir letztes Jahr ja auch schon. Die ganzen Tests sind ja nicht wichtig und dass das Kind den Stoff kann. Weil wichtig ist die Mitarbeit! :unamused_face: Was hilft mir da ein “Nachteilsausgleich”, wenn ich mir den in die Haare schmieren kann und weiterhin dauernd in die Schule muss wegen solcher “Probleme”. Und ja, ich sehe das Problem selber ehrlich gesagt langsam einfach nicht mehr. Ich sehe nur, dass mein Kind sich super entwickelt hat und echt anstrengt!

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Interessant!
Ich bin jetzt 32 und habe hier mein damaliges ich total wiedererkennen können. Ich bin bis heute ein ziemlich schlechter Leser und Vorleser und hatte gedacht, dass das schon einigermaßen häufig wäre bei AD(H)S, wobei ich keine Hyperaktivität habe und ausschließlich mit dem Aufmerksamkeitsdefizit zu kämpfen hab.
Es ist lange her aber ich würde vermuten, dass Lesen und Schreiben mich damals einfach nicht interessiert hat und ich natürlich auch nicht ahnen konnte, dass ich erst den Skill lernen muss um zu erfahren, dass sich dahinter dann so tolle Dinge wie Der Herr der Ringe, 20000 Meilen unter dem Meer usw. verbergen.

Schreibtechnisch waren meine größten Gegner (Schreibschrift: (3 und E) (S und ?) und die Klassiker (d und b) und (q und p). Ich erinnere mich noch wie frustrierend es war und wie lange in meine Gymnasialzeit hinein ich bei S und ? immernoch überlegen musste wierum jetzt welches ist.

Ich bin allerdings auch Linkshänder und habe damals beim Schreiben lernen einfach alles gespiegelt gemacht wie meine Lehrerin, d.h. ich habe mit Links spiegelverkehrt ganze Sätze geschrieben bis mich jemand drauf aufmerksam gemacht hat.

Groß- und Kleinschreibung fand ich im Deutschen auch immer sehr schwierig und gehe heute noch nach dem Schreiben über jeden Text drüber und tausche die ganzen falschen klein- durch Großbuchstaben aus.

Was Lesen angeht habe ich es glaube ich einfach schnell in meinem Kopf als etwas was mich nicht so interessiert und in dem ich nicht gut bin abgestempelt und mich ab dem Zeitpunkt mehr und mehr distanziert. “Bitte lies das mal vor” oder “ihr habt jetzt 5 Minuten um den Text zu lesen” finde ich heute noch ganz schlimm. Wenn sowas passiert denkt mein Kopf nur
“bloß nicht über das nächste Wort stolpern… wie machen andere das bloß… sind sie mit den Augen schon weiter und das was sie laut sagen liegt im Text weiter zurück… ohh Gott da kommt ein komplizierter Fachbegriff, dass seh ich doch schon, ich fahr direkt auf ihn zu und werde voll mit ihm kollidieren!” bzw.
”hmm, wie viel Zeit ist wohl schon Vergangen von den 5 Minuten… wo im Text sind die anderen wohl gerade… ich hoffe ich schaff es noch bis zum Ende dieses Absatzes… hmm wenn ich danach irgendwas hierzu gefragt werden bin ich komplett blank”
Dabei bleibt dann wenn ich Glück habe mal grad so die Überschrift in meinem Kopf hängen.

Das Gefühl einer weiteren Sache, die ich nicht so gut kann wie die anderen Schüler hat sich zu einer sehr hohen Barriere entwickelt als ich klein war, und im Gymnasium konnte ich dann irgendwie gut genug lesen um durchzukommen (war auch medikamentiert).

Richtig viel zu lesen angefangen habe ich tatsächlich erst nach dem Studium, vor allem geschichtliche und Fantasy Romane. Ich hab zu dem Zeitpunkt einfach gemerkt was für ein enorm störendes Defizit das ist. Selbst im Hyperfokus steht es einem total im weg und man ist lamgsam. Ich habe dann irgendwann als ich ca 25 war ein Buch über Speedreading (Texterfassung, Überfliegen usw.) gekauft weil aus meiner Perspektive diese Fähigkeiten sich einfach anfühlen wie reine Zauberei :see_no_evil_monkey:. Das Buch war sehr gut geschrieben, der Autor wusste wohl dass unter seiner Leserschaft auch sehr schlechte Leser sein werden und ich fand das Thema sehr spannend, wenn auch ich mich sehr weit weg davon sehe. Ich habe viele Übungen aus dem Buch getestet und so ein bisschen haben die auch gefruchtet. Dann habe ich mein Smartphone (das für mich ein massiver Zeitfresser ist) durch ein E-Reader-Smartphone ausgetauscht und lese jetzt seit 3 Jahren recht viel, wenn auch immer noch nicht übermäßig gut. Vorlesen geht auch ein bisschen besser und ich würde sagen es ist inzwischen ein Buch mit 6 statt 7 Siegeln für mich. Das zu lernen im Erwachsenenalter nachzuholen ist eine anstrengende Aufgabe und ich glaube nicht das man in dem Alter noch so einfach eine schnelle Textbilderfassung entwickeln kann, aber man tut was man kann, oder?:melting_face:

Ich vermute, dass viele Menschen mit ADHS im Lesen einen Rückzugsort finden können wodurch sie die Reizüberflutung dämpfen können, diese Funktion hat für mich das Musik machen eingenommen. Der reine Prozess des Lesen Lernens war von Desinteresse und schnell auch von negativen Erfahrungen besetzt… ich bin echt verblüfft, dass das hier wohl ziemlich die Ausnahme ist. Bei den Kommentaren die ich hier so gelesen habe waren eigentlich nur “Leseratten” dabei, die in der Grundschule vielleicht ein bisschen spät im Lesen waren. Falls ich irgendwas nicht gesehen habe tuts mir das Leid, aber aus obigen Gründen habe ich den Thread nur zu meinen Möglichkeiten gründlich gelesen :see_no_evil_monkey:.

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Ich behaupte mal, dass für die meisten/viele Kinder lesen lernen gar nicht so einfach ist. Es ist auch wirklich viel Übrungssache. Und man muss auch lesen an sich, laut vorlesen und sinnerfassend lesen z.B. aus meiner Sicht getrennt betrachten.

Ergo lesen lernen ist für viele Kinder nun mal anstrengend. Für manche noch ein bisschen mehr. Und dann muss man da halt auch ziemlich dahinter sein.

Über den Sommer hat’s bei meinem Kind klick gemackt. Ich weiß noch, dass ich anfangs des Sommers schon einigermaßen besorgt war, weil das Kind wirklich schlecht gelesen hat. Dann auf einmal las es viel besser.

Momentan muss es ein Buch für die Schule lesen und das geht echt gut. Ich glaube soooo ganz ungern liest mein Kind gar nicht. Ich vermute sogar, wenn es richtig gut mal lesen kann, dass es sogar gern lesen wird. Oder zumindest hoffe ich das :upside_down_face:

Ich selber lese auch wieder mehr. Ich bin eher erstaunt, wie wenig andere in meinem Umfeld lesen. Dabei ist das wirklich eine sinnvolle Art der “Realitätsflucht”. Besser als in diverse Kisten starren. :wink:

Übrigens, als ich angefangen habe meinen Kindern vorzulesen, habe ich auch erst trainieren müssen gut vorzulesen. Vorlesen ist schon auch echt nochmal was anderes.

Ich unterscheide auch zwischen Schnelllesen und Genusslesen. Wenn ich ein Buch nicht mag, mache ich ersteres. :smiling_face_with_sunglasses: Und ja, querlesen gibt’s auch noch. Aber das mache ich eher nur für fachliche Themen.