Libido/Sexualitaet und ADHS

Hi,

kurz ein paar Fakten zu mir, bevor wir weitermachen:
Ich bin 39, männlich, diagnostiziert mit ADHS-I und Hochbegabung, eventuell auch etwas SCT.

Meine Blutwerte sind top (normales großes Blutbild). Sport mache ich 1–2-mal die Woche im Gym oder gehe HIIT-Laufen. Meine Ernährung ist ziemlich optimal, zusätzlich supplementiere ich die üblichen Defizitkomponenten wie Omega-3 und Vitamin D. Experimentiere auch mit Taurin, Kreatin, GlyNAC …

Typischer ADHS-Alltag – irgendwie immer gestresst und, wie sollte es anders sein, viel zu viel Kaffee.

Nun zum eigentlichen Problem: Sexualität war für mich immer schon ein schwieriges Thema. Da ich eher introvertiert bin und durch ADHS und frühere Depressionen mein Selbstbewusstsein beeinträchtigt war, fehlte mir oft das Vertrauen für One-Night-Stands oder das Ausleben meines eigentlich eher experimentellen Naturells. Gelegentlich ergab sich zwar etwas, aber es war nie einfach für mich. In Langzeitbeziehungen kam dann oft das Problem der vorzeitigen Ejakulation oder, bedingt durch die Medikation, das Ausbleiben des Orgasmus hinzu. Auch Langeweile spielte eine Rolle – typisch ADHS. Erektionsprobleme hatte ich selten, das scheint eher eine klassische ADHS-Thematik zu sein, weniger abhängig von Medikamenten.

Seit meinem 16. Lebensjahr habe ich über Monate oder Jahre hinweg folgende Kombinationen eingenommen:

Edronax + MPH (unretardiert)
Atomoxetin (abgesetzt wegen Anstieg der Leberenzyme)
Sertralin 75 mg + 18 mg Concerta (teilweise auch 27 mg)
Escitalopram 20 mg ohne Stimulanz

Aktuell: Escitalopram 10 mg + 30–40 mg MPH Adult über den Tag verteilt

Da ich nach Jahren der Therapie und einem aktiven Alltag ein halbwegs stabiles Selbstbewusstsein aufgebaut habe, versuche ich endlich, mein Sexualleben so auszuleben, wie ich es mir als junger Erwachsener gewünscht hätte. Ich möchte viel ausprobieren und alleine dass ich es tue bringt mir viel Lebensfreude – soweit, so gut.

Wenn es dann mit einer Frau losgeht, ist anfangs eine (fast vollständige) Erektion vorhanden, die jedoch fast sofort abbricht, sobald es zur Sache geht. Seit ein paar Monaten habe ich einiges ausprobiert: Escitalopram ausschleichen und nur MPH nehmen, Escitalopram ohne MPH bzw. nur am Vortag oder maximal morgens. Auch L-Citrullin (bzw. Arginin für eine bessere NO-Bildung), Tadalafil (Cialis) in kleinen und größeren Mengen – all das mit und ohne geringe Mengen Alkohol (max. 1–2 Bier oder Äquivalent – Shot/Wein). Mit der ersten Partnerin funktionierte die Erektion, und sie hielt auch recht lange, aber ich hatte Schwierigkeiten zum Orgasmus zu kommen. Seither wird es zunehmend schwieriger.

Meine Vermutung: MPH steigert anfangs die Lust, gibt mir jedoch einen Tunnelblick beim Sex. SSRI haben bekanntermaßen eine dämpfende Wirkung, und manchmal ist das hilfreich, um nicht sofort zu kommen.

Ich bin genervter denn je durch mein ADHS. Ohne Medikamente komme ich zu schnell oder bin abgelenkt; mit Medikamenten komme ich kaum noch zum Orgasmus. Neuerdings habe ich beim Oralsex das Gefühl, ich würde Matheaufgaben durchrechnen – entschuldigt die grafische Darstellung; rhetorisches Stilmittel.

Aktuell lasse ich meinen Testosteronstatus beim Urologen überprüfen.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen?

Ich habe mich auch mal über Elvanse informiert, da es scheinbar das Mittel der ersten Wahl für Erwachsene mit ADHS-I ist und wohl auch bei ADHS + Hochbegabung ein besseres Wirksamkeitsprofil zeigt. Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es in Deutschland zugelassen ist. MPH hilft mir zwar gegen Reizüberflutung, aber wenn ich mich für eine Aufgabe nicht interessiere, bringt es kaum etwas. Manchmal schweife ich sogar so konzentriert ab, dass ich vergesse, was ich eigentlich tun wollte (so wie jetzt gerade). Ich habe allerdings gelesen, dass Libidoprobleme bei Elvanse häufiger vorkommen als bei MPH; trotzdem vermute ich, dass meine Erektionsprobleme eher vom Escitalopram und/oder von einer gewissen „Angst“ im Moment des Aktes herrühren.

Es nervt – alles wird überanalysiert und durch das eigene Hirn „zerschossen“. Kein Leben im Moment möglich.

Grüße

Hallo @SensationSeeker

nur weil du das Escotalopram ausgeschlichen hast heißt nicht, das diese Wirkung weg ist bzw. der Rest wieder da ist.
Ich kann mich an Psychopharmaka erinnern, wo ich über 2 Jahre weder Bedarf auf Erotik oder Sexualität hatte und auch als das aufkam war es mehr ein Stottern und Holpern wie Diesel im Benzinverbrenner. Daran bin ich wahnsinnig geworden und fast innerlich daran kaput gegangen.

Vielleicht wirst du da auch durch eine längere Durststrecke müssen und meist ist es der eigene Kopf und nicht der des Gegenübers, der Druck ausübt oder ungeduldig ist. Ich erinnere mich an manche Situationen in denen ich mich gestresst hatte und für mein Gegenüber ok war.
Damit wird es meist dann auch nicht besser, denn der Kopf blockiert dann ja noch mehr

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Hi Sensationsseeker,
ich habe mich nur eingeloggt, damit bei dir nicht der Eindruck entsteht, du würdest nicht ernstgenommen und nur Perslnen wie Guthaben777 würden sich melden.

Als erstes, ich bin weiblich. Aber ich habe mich letztes Jahr bei meiner Psychiaterin für einen ehemaligen Mitpatienten (Depressionen, Tagesklinik) erkundigt. Der Rat war, erstens beim Urologen abklären, ob nicht was physisches vorliegt. Falls nicht, zu einem seriösen !!! Sexualtherapeuthen gehen. Das seriös habe ich markiert, da sich sehr viele „Scharlatane“ in diesem Bereich herumtreiben.

Am besten deinen Arzt oder Osychiater fragen. Die kennen die Leute vor Ort oder haben wie meine Psychiaterin bereits mal mit einem zusammengearbeitet.

Und nein, dein Problem kommt bei psychisch belasteten Personen nicht so selten vor. Als Tabu-Thema wird es aber nur selten angesprochen. Es braucht für sowas wue eine spezielle Vertrauensbasis. Mein Bekannter und ich waren fast 3 Monate in einer Gruppe in der Tagesklinik. Da lernt man auch die Abgründe der anderen kennen.

Es wird besser. Sexualität hat vuel mit Kopf und Psyche zu tun. Sei aber bitte immer respektvoll gegenüber deinen Partnerinnen . Und überlege mal, ob du nicht vielleicht doch der Typ für eine intensivere Beziehung bist.

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Hm, ich bin eine Frau, erst kürzlich diagnostiziert und habe aber schon den Eindruck, das ADHS extreme Auswirkungen auf Sexualität hat - auf unsere Sensivität, Impulsivität, Hyper-Fokus etc. … und klar, auch die AD, die du immer genommen hast. Die bringen wohl oft Unlust und Erektionsstörungen…
Ich kann deinen Frust gut verstehen… ich frage mich manchmal, ob mir ein Mensch mit ADHS der beste Partner wäre oder ohne - zwei von meiner Sorte gehen eigentlich gar nicht und sind doch meiner Meinung nach die beste Kombi (du musst nix erklären, der andere ist genauso wie du, ihr fühlt gleich, habt atemberaubenden Sex… … traumhaft, aber auch anstrengend für Menschen mit ADxS whatever…, weil man erschöpft sich gegenseitig und braucht doch mehr Pause oder Zeit für sich als andere, so ist es bei mir so…) … dann denke ich, ich brauche eigentlich eher jemanden, der mehr Gegenpol ist. Ruhiger, gesettleter. -aber der darf dann bitte bloß nicht noch konventionell oder konservativ sein… echt schwierig…

Ich denke bei dir ist es sicher eine Kombi aus Psyche, Druck und Medis mit den Erektionsproblemen. Ich schließe mich daher meiner Vorrednerin an: eine vertrauensvolle längere Beziehung ist sicher eine bessere Wahl für dich. Ob mit einem Menschen mit ADxS oder ohne, keine Ahnung. Da bin ich auch noch nicht schlau drüber geworden. Meine letzte Beziehung war extrem intensiv - zwei ADHS-ler aber seinerzeit wussten wir das noch nicht - sein Problem war aber, dass er eher das Problem hatte, EWIG für einen Orgasmus zu brauchen, weil er zu viel Anspannung hatte… Und weil er süchtig nach Sex war… ich hätte gedacht, dass das eher ein typisches Probelm von ADHS-Männern wäre - ich weiß es aber (noch) nicht… vielleicht schreibt dir hier auch noch ein Mann zurück. Ich werde gespannt mitlesen :wink:

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Vielen Dank für eure Antworten und Erfahrungen, und entschuldigt bitte meine verspätete Rückmeldung. Ich war etwas angeschlagen. Es freut mich sehr, dass wir über dieses Thema sprechen können, das oft noch als Tabu gilt.

@Jesse67 Vorab möchte ich kurz auf etwas eingehen, das in einem Nebensatz angesprochen wurde: Natürlich respektiere ich meine Partner. Mir ist wichtig, dass beide Spaß an der Situation haben, und ein respektvolles Miteinander ist dafür unabdingbar. Das möchte ich nochmals betonen, bevor ein falsches Bild entsteht.

@Kathy Okay, mir war nicht bewusst, dass manche Psychopharmaka eine so lange Wirkung haben können. Ich kenne jedoch Studien zu Finasterid, das zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie eingesetzt wird und in niedrigerer Dosierung auch bei androgenetischem Haarausfall (Männerglatze) angewendet wird.
Es ist eher so, dass meine Libido in den letzten zwei Jahren nachgelassen hat, obwohl ich tendenziell weniger Escitalopram nehme, das ich seit etwa acht Jahren einnehme.

@Bauchnabella Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt, mit denselben Vor- und Nachteilen. Meine Langzeitpartnerinnen tendierten tendenziell eher zur ADHS-Seite. Offenbar klickt es da chemisch besser :slight_smile:
Bzgl. Orgasmus Bei mir verhält es sich so: 30-40 % zu schnell (besser mit Escitalopram/MPH), 20 % okay bzw. optimal, und 50%-60%(schlimmer unter MPH) gar nicht oder nur schwierig. Ich versuche, die Umstände herauszufinden, unter denen ich eher im Optimalbereich liege. Ich denke, wenn ich kein ADHS hätte, wäre diese Stabilität eher gegeben. Natürlich haben auch Nicht-ADHSler ähnliche Probleme, aber ich vermute, dass ADHS – mit oder ohne Medikamente – die Schwankungen im Erleben stärker beeinflusst.

@Guthaben777 Ich habe deinen Post gelesen, auch wenn er inzwischen gelöscht ist. ADHS wurde bei mir erst sehr spät diagnostiziert. Vielleicht konnte ich meine eigentlich sehr starken ADHS-Symptome lange maskieren – dank meiner Hochbegabung, was gerade bei ADHS-I etwas leichter fällt. Lange Zeit galt ich als „faul“ und hörte oft, ich müsse mich nur mehr anstrengen. Auch mit Medikamenten kämpfe ich noch stark mit mir selbst. Wenn ich komplett dekompensiere, könnte ich direkt zum Arbeitsamt gehen und Bürgergeld beantragen, da die moderne Welt leider eine gewisse Beständigkeit und Leistung erwartet, um dafür bezahlt zu werden. Einerseits verlangt meine Hochbegabung nach intensiver intellektueller Erfüllung, die ich durchaus in einem MINT-Job finde, aber Motivation, Prokrastination etc. hindern mich daran, mein wahres Potenzial auszuschöpfen. Wenn ich auf einfachere handwerkliche Tätigkeiten zurückgreife (was ich schon getan habe), habe ich weniger Probleme mit Struktur und Motivation. Leider ist das jedoch schlechter bezahlt, und nach einem Jahr meldet sich meine Hochbegabung: „Toll, langweilig hier, wie wäre es mit einer Depression?“ Ohne Medikamente könnte ich nur bestehen, wenn ich einen nahezu perfekten Job in der Selbstständigkeit hätte und gleichzeitig Unterstützung für Formulare und administrative Aufgaben bekäme. Ich suche nach dieser Kombination, bin aber bisher nicht weitergekommen, und bis dahin brauche ich Medikamente.

Kleiner Nachtrag da ADXS auch etwas wissenschaflticher wirkt: Meines Wissens nach gibt es eine Korrelation zwischen der Tendenz zu promiskuitivem Verhalten und Seitensprüngen und einer Dopamin-D4-Rezeptor-Variante, die einen stärkeren Drang nach sexueller Auslebung verursacht. Soweit ich weiß, ist das auch eines der vielen ADHS-Kandidatengene.

Mein grundsätzliches sexuelles Verhalten liegt im Normbereich, und auch der Konsum pornografischer Inhalte ist eher sporadisch. Eine Sucht besteht hier nicht. Allerdings habe ich durchaus Lust auf Abwechslung und Experimente – wohl aufgrund des ADHS.

Wie wirkt sich bei euch MPH im Vergleich zu AMP auf Libido/Sexualität aus?

Die Dosis macht das Gift, aber auch wie du und dein Körper reagieren bzw. das Medikament abbauen. Einiges sollte nach 3 Monaten nicht mehr nachweisbar sein und bleibt ewig. Wenn ich an Pregabalin denke, was ich bekam und mich fast umgebracht hat. Das war über 2 1/2 Jahre sehr stark nachweisbar und ich brauchte nach dem Absetzen etwas mehr als 3 Jahre bis alle Nebenwirkungen und spürbaren Wirkungen verschwunden waren.
Wenn du Pech hast kann es auch sein, daß du dann einiges wieder üben muß, „neu Erlernen, wieder Erlernen“ mußt etc.
Egal was irgendwo steht, jeder Körper reagiert anders und manchmal sind selbst die Ärzte böse überrascht das Sachen immer noch nachweisbar ist

Sexuelle Lust und Orgasmus hat ja sehr viel mit loslassen zu tun. Je mehr du dich unter Druck setzt und denkst, ich muss einen Orgasmus bekommen desto eher wird das nicht funktionieren. Vielleicht kannst du da einfach netter zu dir sein. Wenn du zu früh kommst, gut dann ist das einfach so gewesen. Man kann danach ja noch anders weiter machen. Mal keinen Orgasmus? Na und? Sex kann auch ohne Orgasmus schön sein. Sex ist ja so viel mehr als der rein raus Akt an sich. Du sagt du willst dich ausprobieren. Lern dich kennen, was magst. Erforsche deinen Körper und dann den deiner Sexpartnerin und ihr beide eure zusammen. Ich finde das ist das wirklich schöne am Sex und wenn man dann ganz bei der Sache ist kann es auch mal zum gemeinsamen Orgasmus kommen. Das ist aber nicht die Regel. Und viele bekommen auch nicht jedes mal einen Orgasmus. Das ist normal.

Noch einen Nachtrag: auch mal keinen hochzubekommen oder wieder zu schnell runter, ist keine Schande und glaube mir da bist du nicht allein mit. Na und? Entspann dich mach anders weiter. Massagen können wunderschön sein und es gibt auch so interessantes Sexspielzeug, was es aufregend gestalten kann :wink:

Viiiielen Dank für deine ausführliche und offene Antwort. Ich schätze die sehr! Könnten sich die 50%-60% schwierig oder gar kein O. damit einhergehen, dass der Körper zu viel Dopamin hat?! Das frage ich mich grade. Mein letzter Partner war ein Dopamin-Junkie (Hallo ADHS :wink: ) und voll davon durch extrem viel Sport, Testosteron und Porn-Konsum… das ist jetzt natürlich null wissenschaftlich, aber für mich plausibel.

P.S. ich habe keine Testung auf Hochintelligenz, aber sie ist vermutet… weil mein ADS-I - haha, wieder eine Ähnlichkeit zu dir, @SensationSeeker - nie auffiel… Ich kann lange und krass brilliant sein und so krass performen und Leistung bringen, bis ich eben irgendwann mal wieder gegen die Wand renne bzw. gerannt bin… Ich hoffe, dass sich das mit der Diagnose (weiß es ja erst seit 2 Monaten) und Medikation nun besser hinbekomme… und auch nie wieder in Depressionen und Überforderung verfalle, aber das wird die Zeit zeigen.

P.P.S.: Zum Job: Ich weiß genau, was du meinst. Ich kann nicht wirklich was Ödes machen, ich brauche ständig Projekte im Job und Out-of-the-box-Denken oder ich optimiere Prozesse, Teams, Portfolien… Geil, aber es f…ed mich mittlerweile nur noch ab. Ich werde nun das machen, was ich wirklich gut kann und mir am meisten Sinn bringt. Was mit Menschen / Kindern machen. DAS ist genau meines und ich kann sie so gut verstehen. Haben wir nicht als ADHS-ler auch extrem viel Empathie?! I don,t know. Auf jeden Fall kann ich genau fühlen, was du mit Job meinst. Es ist so ätzend. Gleichzeitig so begabt und doch beschränkt zu sein… aber das Schlimmste ist die Fremdbestimmtheit und die Routinen und Fomulare, wenn man angestellt ist. Aber für Selbstständigekeit sind wir auch nicht gemacht. Wir verzetteln uns… Arrrgh! Sorry, da ging mein Frust grade mit mir durch. Eigentlich liebe ich mein ADHS, seit ich weiß, dass ich es habe. Es erklärt mir so viel und ich kann wirklich sehr oft auch darüber lachen :laughing:

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:joy:

Das ist auch mein Gefühl… gibt es für solche wie uns irgendwo Single-Börsen / Dating-Plattformen :sweat_smile: - das würde ja einiges an unnützer Zeit und Aufmerksamkeit für die „Falschen“ Partner sparen. Wäre ein cooles Konzept, wenn es das noch nicht gibt. Sollte ich mal drüber nachdenken - neue Geschäftsidee: Dating-App für Neurodiverse ! Mega!! Hach ja, ich liebe mein ADHS…o so kreativ… Das könnte unsere Geschäftsidee sein, bist du nicht aus der IT?! Kannst du so was nicht zufälligerweise?!! :joy: - wir haben schon tolle Gehirne :slight_smile: - aber vielleicht gibt es das ja… ich bin ja erst neudiagnostiziert und hab mich noch nicht damit auseinandergesetzt…

Fantastisch! Das Beste ist, du wirst die Genialität dieser grundsätzlichen Idee sofort checken und mich nicht für bekloppt halten :+1:

Kuck mal in OKCupid rein. Da tummeln sich viele Neurodiverse…

Hi @SensationSeeker,

als ich noch nicht selbstbewusst war, war es bei mir ähnlich. Sowohl vorzeitige Ejakulation als auch Potenzprobleme waren nicht selten.

Geradezu „ironisch“ durch Selbsterkenntnisse (lesen, beobachten, abgleichen) stieg das Bewusstsein zu den Hyperpotenten/-sexuellen zu gehören, d.h. ohne schwere Erkrankung bzw. starke Schmerzen kann ich

a) vielfach kommen und
b) gelange ich schnell zu einer Erektion.

Zur damaligen Zeit ging ich fest davon aus, dass es körperliche Gründe haben müsste.

Ich befinde mich zwar immer noch in der Eindosierung, aber in den ersten Wochen war meine Libido stark gesteigert, was sich wieder normalisiert hat.

Sexuelle Handlungen kann ich nur vor oder nach Wirkende durchführen.

VG

Hey @SensationSeeker,

Erstmal Respekt für Deine gesunde Ernährung und Deine Sportlichkeit! Beides ist, wie Du bereits angemerkt hast, förderlich für die sexuellen Funktionen. Umso mehr frustriert es, wenn dann trotzdem Probleme auftreten.

Deine Vermutung „trotzdem vermute ich, dass meine Erektionsprobleme eher vom Escitalopram und/oder von einer gewissen „Angst“ im Moment des Aktes herrühren.“ würde ich teilen. Dein Vorgehen (Absetzversuche, Kombinationen, … Hormone bestimmen lassen) finde ich sehr sinnvoll.

Ich würde gerne ein paar Hintergrundinfos geben, die es vielleicht leichter machen, das ganze einzuordnen. Vielleicht liest es ja auch jemand, der von Erektionsstörungen unter Methylphenidat, Elvanse oder Antidepressiva betroffen ist. Du wirkst so, als hättest Du schon umfänglich recherchiert und würdest Dich auskennen. Vermutlich weißt Du das alles schon. Anyway …

Um zu verstehen, warum es unter Psychopharmaka zu sexuellen Funktionsstörungen kommen kann, muss man wissen, dass die Erektion durch den Parasympathicus gesteuert wird, also durch den Teil des Nervensystems, der für Entspannung und Regeneration zuständig ist. Der Orgasmus ist hingegen durch den Sympathicus gesteuert, der auch für das Kampf-Flucht-System zuständig ist.

Sertralin und Escitalopram gehören zu den so genannten Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI). Überstimulation serotonerger Rezeptoren durch SSRI kann den Parasympathikus hemmen und zu Erregungsstörungen führen (Probleme mit Erektion bzw. Vaginallubrikation) .
Je nach Studie wird berichtet, dass zwischen 30 und 70% der Patienten, die längere Zeit SSRI einnehmen sexuelle Funktionsstörungen entwickeln. Die Probleme können auch noch einige Zeit über das Absetzen hinaus bestehen bleiben. Daher sollte man nicht nach kurzer Absetzdauer aufgeben. Da kann sich noch etwas tun.
Zum Vergleich: „In der Allgemeinbevölkerung berichten 43 % der Frauen und 30 % der Männer über sexuelle Probleme. Davon erfüllen etwa 12 % die diagnostischen Kriterien einer Störung.“
Quelle: Psychopharmakaassoziierte sexuelle Funktionsstörungen und ihre Behandlung | Der Nervenarzt

Edronax (Wirkstoff: Reboxetin) und Atomoxetin gehören zu den Selektiven Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (NRI). Hier werden deutlich seltener sexuelle Funktionsstörungen berichtet (5–20 % der Patienten). Der Anteil Betroffener ist also nicht wesentlich höher als in der Normalbevölkerung. Es gibt sogar Berichte, dass bei manchen Patienten NRI die sexuellen Funktionen verbessern.
Bupropion ist sehr ähnlich. Es wirkt auch gegen Depressionen (nach einigen Studien auch bei generalisierter Angststörung und ADHS) und es erhöht schwerpunktmäßig den Noradrenalinspiegel. Die Literatur zu sexuellen Funktionsstörungen ist hier widersprüchlich. Generell scheint die Rate sexueller Funktionsstörungen bei Bupropion sehr niedrig zu sein. Es gibt sogar Berichte, dass damit Post-SSRI sexuelle Funktionsstörungen erfolgreich behandelt wurden.
Methylphenidat erhöht u.a. den Noradrenalin-Spiegel durch Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin aus dem synaptischen Spalt und Elvanse (Wirkstoff: Lisdexamfetamin) erhöht u.a. den Noradrenalinspiegel durch vermehrte Ausschüttung.
Noradrenalin aktiviert den Sympathicus, was zu einem Ungleichgewicht zwischen Parasympathicus und Sympathicus führen kann: Man ist quasi ständig auf Alarm getrimmt und ein wenig zusätzlicher Stress erhöht die Sympathicus-Aktivität noch weiter. Das kann die allgemeine Aktivierung (z. B. Herzfrequenz, Blutdruck, Wachsamkeit) erhöhen und gelegentlich eine leichte Verstärkung der Libido bewirken, aber auch die Erektion erschweren. (In Wirlichkeit ist es noch wesentlich komplizierter, aber das grobe Bild wird vermutlich deutlich.)

Wichtig ist, dass auch hier psychische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Angst und Stress sind nicht geil für Erektionen. :wink: Da reicht manchmal schon alleine die Befürchtung, keine Erektion zu bekommen oder sie zu verlieren. Das gilt auch schon ohne Medikamente. Mit Medikamenten, die den Noradrelalinspiegel erhöhen, umso mehr. Das Kampf-Flucht-System lässt grüßen …
Auch wichtig ist, dass ein Urologe untersucht, ob das Gefäßsystem und die lokalen Nerven, die für die Erektion zuständig sind, normal funktionieren. Nächtliche Erektionen, die normalerweise in den REM-Schlaf-Phasen (Traumschlaf) auftreten, wären ein gutes Zeichen. Auch Sexualhormone zu messen ist eine gute Idee, weil Methylphenidat den Androgenspiegel verringern kann.

Eine Idee wäre, mit Deinem Psychiater zu besprechen, ob ein Versuch mit Bupropion sinnvoll wäre. Damit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen (Depression, ADHS) und möglicherweise hilft es sogar gegen Post-SSRI Erektionsstörungen. Ein weiteres Antidepressivum mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit von sexuellen Funktionsstörungen ist Agomelatin (hilft auch gegen Schlafstörungen bei ADHS, aber weniger gegen die ADHS-Kernsymptomatik und man muss mit den Leberwerten aufpassen).
Was die beste Lösung ist, muss aber Dein Psychiater beurteilen, der die ganze Geschichte Deiner Symptomatik und Behandlungserfahrungen kennt und Erfahrung mit diesen Medikamenten hat.

Insgesamt benötigt man leider viiiiiiel Geduld (meist nicht die Stärke von Menschen mit ADHS), bis sich der Körper an die neuen Transmitterspiegel gewöhnt hat und man letztendlich beurteilen kann, wie wirksam die Medikamente gegen die psychischen Probleme (Depression, ADHS) sind und wie sie sich auf sexuelle Funktionen auswirken.

Ich wünsche Dir alles Gute und drücke die Daumen, dass der beste Freund bald wieder Spaß an der Freud hat.

Grüße

Quellen:

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…mal wieder typisch ADHS – vergessen zu antworten.

Ja, daran hatte ich auch schon gedacht – mit einem Matching, bei dem sich Symptome ergänzen oder gegenseitig aufheizen. Also platt gesagt: der introvertierte Asperger und der touchy ADHSler mit ausgeprägter Hyperaktivität.

Zu deiner Frage, ob ich ITler bin: Nein, aber ich programmiere viel, auch auf der Arbeit*, und prinzipiell wäre sowas machbar ;). Sowas braucht aber viel Zeit. Ich habe gerade ein paar andere IT-Projekte in der Freizeit, die eher in Richtung KI gehen, und das füllt schon alles aus. :slight_smile:

Meine Diagnose ist schon ein paar Jahre her. Damals hatte ich den Impact noch nicht so richtig verstanden bzw. dachte: „Naja, eine Pille und Psychotherapie, um die Schwächen auszugleichen…“ Aber naja, es gibt Dinge, die kann ich an mir nicht ändern.

Okay, das derailed jetzt ein wenig den Thread, aber ich will es doch wissen: Wie kommt es, dass bei deiner Art zu kommunizieren noch keiner gesagt hat, du hast vielleicht ADHS? Ist so ein bisschen „Sag mir, dass du ADHS hast, ohne dass du sagst, dass du ADHS hast.“ :wink:

*Irgendwie schon ITler ohne wirklich jehmals IT oder aehnliches studiert zu haben.

Wow, erst mal vielen Dank für die vielen Infos und Quellen. Auch wenn ich schon einiges wusste, hat mir alles nochmals sehr geholfen. Die Übersicht und das Gegenüberstellen der Informationen helfen mir, das große Bild besser zu verstehen.

Ich versuche, irgendwie einen Sweetspot in der Medikation zu erreichen. Ein leicht verzögerter Orgasmus kann durchaus wünschenswert sein (Serotonin). Zu viel ist natürlich auch nichts. Genauso wie ein noradrenalin- und dopaminbedingter Anstieg des sexuellen Verlangens durchaus etwas Positives hat. Wobei das wiederum, wie du wunderbar erklärt hast, genau ins Gegenteil umschlagen kann. Andererseits bringt ein klarer Kopf durch erhöhtes Dopamin und Noradrenalin den Vorteil, dass es mir die Irritierbarkeit nimmt, was wiederum ein erhöhtes „Selbstbewusstsein“ mit sich bringt – wobei ich es eigentlich nicht so nennen würde. Es ist einfach so, dass man nicht mehr so leicht irritiert ist.

Meine Überlegungen waren, Elvanse mal auszuprobieren, weil Studien zufolge es für meinen ADHS-Typ etwas besser geeignet sein könnte. Ich kam nie auf die Idee, es auszuprobieren, da ich, als ich MPH adult bekommen habe – damals noch off-label –, Jahre warten musste, bis es als Medikament für Erwachsene zugelassen wurde. Deshalb habe ich nicht groß darüber nachgedacht, das Thema Amphetamine für Erwachsene weiterzuverfolgen. Ich dachte, bis das kommt, dauert es noch Jahrzehnte – Missbrauchspotential etc. Obwohl das bei Prodrugs wie Lisdexamfetamin eher geringer ist.

Durch den leicht serotonergen Effekt könnte ich eventuell das Escitalopram weglassen und hätte dann vielleicht weniger (oder mehr) Nebenwirkungen sexueller Natur. Ich hatte weniger ED-Probleme, als ich nur Escitalopram nahm, ohne MPH.

Bupropion hatte ich noch nicht auf dem Schirm.

Bevor ich das geschrieben habe, hatte ich auch schon einen Urologen aufgesucht, um körperliche Ursachen auszuschließen, da in meiner Familie kardiovaskuläre Erkrankungen durchaus häufiger vorkommen. Ich habe eigentlich immer eine Morgenerektion. Der Urologe hat mir trotzdem mal Tadalafil 5 mg verschrieben. Das merke ich morgens dennoch sehr deutlich! Es hat jedoch, als ich es brauchte und aufgeregt war, selbst mit 10 mg nicht geholfen.

Mit meinem Hormonstatus kann ich sehr zufrieden sein. Je nach Statistik liegt mein Gesamt-Testosteron im oberen 90. Perzentil, auch im Vergleich zu Jüngeren. Also daran kann es definitiv nicht liegen – sicherlich auch bedingt durch meinen Lebensstil.

Ich vermute, dass bei mir sehr viel im Kopf abläuft. Also eine Stressreaktion, die, wie du es beschreibst, direkt zu ED führt. Vielleicht spielt auch ein bisschen eine Durchblutungsstörung mit rein sowie Wechselwirkungen zwischen Escitalopram und MPH.

Geduld ist nicht so meine Stärke … vor allem kenne ich auch die Testosteron-Statistiken ab 40. Auch wenn ich da überdurchschnittlich bin, hängt die Libidosenkung m. W. n. teilweise von der persönlichen Differenz zur eigenen Baseline in jungen Jahren ab. Und dann kommen noch die anderen Faktoren wie SHBG etc. dazu. Das würde alles noch komplizierter machen, und abgesehen davon ist HRT bei Männern in Deutschland nur bei wirklich niedrigen Werten angesagt. Einfach nur wenig Libido reicht, soweit ich weiß, nicht aus für eine HRT, wenn die Parameter noch „i. O.“ sind.

P.S.: Die SSRI-Studie „SSRI-induced sexual dysfunction: fluoxetine, paroxetine, sertraline, and fluvoxamine in a prospective, multicenter, and descriptive clinical study of 344 patients“ von Montejo-Gonzalez AL et al. ist ja gruselig.

:joy:

Fantastisch! Nee, das hat noch nie jemand zu mir gesagt - und ich bin schon Ü40… verrückt, oder?! Dabei liegt es auf der Hand, es ist mir auf die Stirn geschrieben… aber die meisten sind nur von meinem schnellen Reden, Denken, enormen Kreativität und unkonventionellen Verrückheit beeindruckt. Oder die, wo ich wirklich polarisiere, die mögen mein Chaos und meine fehlende Struktur nicht oder dass ich wirklich immer zu späte komme und dabei noch tiefenentspannt bin :joy:

ABER: Ich mache das anders, seitdem ich es von mir weiß, hab ich bei Freunden und Bekannten dann doch schon den einen oder anderen Verdacht geäußert, dass das Gegenüber vermutlich ADHS haben könnte… Ich glaube, ADHS-ler finden sich oft, aber viele wissen es einfach nicht, dass sie es haben. So wie ich ja auch…