Ich (w, 36) habe kürzlich meine ADHS Diagnose erhalten. Seit der Diagnose versuche ich mich so gut es geht zu den Symptomen und möglichen Hilfen zu informieren. Ich habe mir Bücher gekauft, höre mir Hörbücher & Podcasts an, lese hier fleißig im Forum und folge einigen interessanten Persönlichkeiten auf Instagram. All diese Informationsquellen haben schon zu sehr vielen AHA Erlebnissen bei mir geführt. Sodass ich rückblickend Situationen aus meinem Leben neu bewerten kann, viele Dinge plötzlich in anderem Licht darstehen und/oder einen Sinn ergeben. Ich lerne dadurch viel über mich selbst, es ergeben sich aber leider auch mindest doppelt so viele neue Fragen die ich hoffentlich irgendwann in einer Therapie vertiefen kann.
Eine Frage treibt mich aber gerade besonders um: ob mein Vater auch ADHS hat? Und wenn ja, kann das Wissen darüber etwas für ihn verändern?
Der genetische Faktor ist denke ich klar, die Wahrscheinlichkeit also sehr hoch, dass eins oder beide meiner Elternteile ebenfalls ADHS haben. Mein Vater ist knapp 80 Jahre alt, seit Jahrzehnten sehr erfolgreich selbstständig und leitet noch immer aktiv & hauptverantwortlich sein Unternehmen. Der Führungsstil klassisch autoritär, ganz „die alte Schule“. Privat könnte man den Werdegang als schwierig bezeichnen. 3 Ehen, 4 Kinder, er gilt allgemein als schwierige Persönlichkeit mit einer Tendenz zu Narzissmuss(?!).
Aktuell hat er vermehrt mit zu hohem Blutdruck zu kämpfen und war aus diesem Grund kürzlich im Krankenhaus. Die Blutdruck Medikamente wurden dort neu eingestellt. Zusätzlich nimmt er (wieder) Antidepressiva. Initial aufgrund eines familiären Todesfalls und dem damals beginnenden hohen Blutdruck verschrieben, zwischenzeitlich selbstständig durch ihn abgesetzt. Aktuell wieder auf dem Medikamentenplan damit er „sich nicht mehr so viel aufregt“.
Es sei hier zu erwähnen, dass er nichts von meiner Diagnose weiß und ich eigentlich erstmal nicht vor hatte, dies offen zu kommunizieren. Denn auch wenn er wieder Antidepressiva nimmt, ist er solchen Themen gegenüber eher nicht aufgeschlossen. Und man sicher sagen kann: er hat es bis hier hin (beruflich) erfolgreich ohne eine Diagnose geschafft, wozu dieses Fass aufmachen. Ich sehe aber bei ihm so viele Verhaltensweisen, die förmlich ADHS schreien und frage mich, ob die Behandlung des Bluthochdrucks anders und zielführender aussehen könnte, wenn eine ADHS Diagnose vorliegen würde?
Ich bin gespannt auf eure Gedanken dazu und freue mich über einen Austausch mit euch.
Nach dem veröffentlichen meines Beitrages bin ich über eine Verlinkung von adxs gestoßen, die genau in die Richtung meiner Frage zu gehen scheint. Ich hab nicht raus finden können, wie ich einen direkten link zu dem Abschnitt mache, daher kopiere ich die Passage hier mal rein
3.2. Behandlung spezifischer ADHS-Symptome
3.2.1. Inhibition / Impulskontrollsteuerung
Das ADHS-Symptom der mangelnden Inhibition der exekutiven Funktionen wird dopaminerg durch die Basalganglien (Striatum, Putamen) verursacht.29 Eine mangelnde Inhibition der Emotionsregulierung wird noradrenerg durch den Hippocampus verursacht.29
Daher dürfte ersteres einer dopaminergen Behandlung besser zugänglich sein, während Emotionsregulierung und Affektkontrolle besser noradrenerg zu behandeln sein dürften.
Impulsivität wird zudem serotonerg vermittelt.
Ist starke Impulsivität ein herausragendes Symptom des Betroffenen, wäre es fahrlässig, Stimulanzien unbesehen so hoch zu dosieren, dass dieses adäquat beseitigt wird, da damit hinsichtlich der übrigen Symptome überdosiert würde. Bei hervorstechend hoher Impulsivität kann für diese eine Behandlung mit niedrig dosierten SSRI hilfreich sein.
Serotoninwiederaufnahmehemmer
deutlich geringer dosiert als bei Verwendung als Antidepressiva
z.B.:
(Es)Citalopram 2-4 mg / Tag
Imipramin 10 mg / Tag
Weiß hier jemand warum „deutlich geringer“ dosiert als bei Verwendung als Antidepressiva? Was wäre die Konsequenz, wenn es in der Dosierung genommen wird, wie es für eine Depression üblich wäre? Ab wann ist hier dann „zu hoch“?
Aber ich nehme seit sehr vielen Jahren Duloxetin und seit einigen Jahren nur noch 40mg und sobald es einen Arztwechsel gibt werde ich darauf angesprochen warum ich das noch nehme gegen meine Depressionen nachdem die Dosis unter dem therapeutischen Bereich liegen würde macht es gar keinen Sinn
Klar ist man erstmal verunsichert aber immer darauf zurückgekommen das es bei mir trotzdem wirkt und die beste Dosierung für mich ist.(Hatte zuvor auch andere ausprobiert)
Nach der Adhs Diagnose dieses Jahr hab ich hier auch gefühlt alles durchgelesen und regelrecht ein großes Aha Erlebnis gehabt als genau das Medikament mit „meiner“ geringen Dosierung bei Adhs empfohlen wurde.
das ist hier die entscheidende Frage. Du sagst selbst, er ist dem gegenüber nicht aufgeschlossen. Und ich denke, du wirst es als Tochter gut einschätzen können.
Und wenn der Preis wäre, sich selbst zu outen, was du aus gutem Grund eigentlich nicht vor hast, dann stimmt einfach das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht. Du sagst, was du für dich behalten möchtest, und machst dich angreifbar, dein Vater lässt es ohnehin nicht an sich ran - also lass es lieber.
Die Antwort auf deine erste Frage ist also gar nicht relevant. Leider! Denn eine ADHS-Diagnose und medikamentöse ADHS-Behandlung kann auch einem 78-jährigen eine deutlich höhere Lebensqualität vermitteln. Es kann befreiend sein, nicht mehr impulsiv sein zu „müssen“ und Ausgeglichenheit und Gelassenheit zu erleben, nach so vielen Jahren.
Bleibt dir erst einmal nur, beobachtend abzuwarten, ob er für das Thema offen wird.
@Falschparker danke für deinen Kommentar und deine Einschätzung. Ich befürchte du hast recht, dass es die bessere Entscheidung ist, mich weiterhin damit bedeckt zu halten - leider.
Er ist auch der Typ, der zb nur zum Arzt geht, wenn es höchste Eisenbahn ist, selbst Medikamente anpasst weil er es besser weiß usw. Wenn nach dem Notfall dann erstmal alles halbwegs geregelt ist und er keine „Todesangst“ mehr hat, darf man das Thema Arzt, Kontrolle etc pp auch gar nicht mehr erwähnen. Wenn man es tut, wird es wehement abgeschmettert. Man solle den Teufel nicht an die Wand malen, ihn damit in Ruhe lassen. Obwohl man nur fürsorglich darüber sprechen wollte, dass man da evtl nochmal genauer nachgucken lassen sollte, damit es ihm gut geht… Er wird dann richtig ungehalten und wütend, weil man ein Thema anreißt, womit er sich nicht befassen möchte. Weil er eigentlich nur Angst davor hat, aber das wird mit dieser impulsiven und autoritären Art abgeblockt.
Daher auch meine Aussage, er sei dem gegenüber nicht aufgeschlossen. Aufgeschlossen ist er nur Dingen, die in SEINEM Fokus liegen. Und das ist grundsätzlich so, immer, bei jedem Thema. Alles außerhalb dieses Fokus ist nicht relevant und versteht er teilweise auch einfach nicht, als wenn er nicht fähig wäre zuzuhören, zu begreifen. Und als Konsequenz wird es dann abgeblockt, entwertet, als falsch dargestellt bzw es wird aufgezeigt, dass man aufgrund der fehlenden Lebenserfahrung oder etwaige fehlender Kompetenz, das gar nicht beurteilen könne (= somit darf man auch nicht drüber sprechen, auch nicht theoretisch).
Man merkt glaube ich gut wie verzwickt das ist. Ich selbst denke mir beim verfassen dieser Zeilen nämlich gerade wieder, dass man sich förmlich im Kreis dreht. Weil alle diese Verhaltensweisen auf eine bestimmte Diagnose hinaus laufen könnten wogegen man ja durchaus was tun könnte - wenn man denn wollte.