Medikamente wirken nicht richtig, welche zusätzliche Therapie?

Hallo Zusammen,

Nachdem ich unter „Neuvorstellungen“ recht ausführlich mein Leben bis zur Diagnose geschildert habe, suche ich hier ein paar Tipps.

Kurz zusammengefasst zu mir: m, 53. seit ca. 8 Monaten diagnostiziert: ADHS-I

Meine Therapie habe ich mit 30mg Elvanse begonnen. Mein Psychiater meinte, ich könnte nach einiger Zeit testweise mit einer halben Dosis auf 45mg erhöhen, um zu schauen ob ich vielleicht auch mit 50mg zurechtkommen würde. Zu der Zeit hatte ich die Eindosierungstipps noch nicht gelesen und das Ganze einfach mal so laufen lassen.

Grundsätzlich war Elvanse spürbar, wie viele es auch beschreiben, erst ein „Wow“ und danach nur noch eine subtile Verbesserung. Ich war nicht mehr so gestresst und ausgelaugt, obwohl ich das Gefühl hatte, über den Tag mehr geschafft zu haben. Mir setzte die Wirkung aber zu langsam ein und vor allem fehlte mir die Wirkung am Abend, um auch Zuhause noch ein paar Baustellen abzubauen. Ich habe dann noch mit den höheren Dosen experimentiert, da kamen leichte Durchblutungsstörungen (Raynaud Symptomatik) und Probleme mit der Affektkontrolle hinzu. Was mir als ADHS-I Typ bisher kein Problem bereitete. Meine pubertäre Tochter musste das meistens ausbaden und ich etwas an der Medikation ändern.

Mein Psychiater hat mir dann Medikinet adult empfohlen, auch auf die Einnahme mit den Mahlzeiten hingewiesen. Ich habe langsam auf dosiert (aktuell 35-20-0), habe wenig Nebenwirkungen aber spüre leider auch nicht so die Wirkung. Bis 15mg am Morgen waren meine exekutiven Funktionen noch wie vor der Diagnose, was sich jetzt aber noch schlimmer anfühlte. Mittlerweile habe ich ein ähnliches Gefühl wie unter Elvanse, mir fehlt aber der klare Fokus wie er von vielen unter Medikinet bzw. MPH beschrieben wird. Und diesen Fokus hatte ich mir auch erhofft, da ich immer noch viele Dinge aufschiebe und mich mit nicht ganz so wichtigen Dingen beschäftige, weil sie mehr Dopamin versprechen.

Also ich spüre schon eine Wirkung der Medikamente, bekomme aber meine Hauptsymptome nicht in den Griff. Mir fällt zwar auf, wenn ich mich ablenken lasse und versuche auch wieder zur eigentlichen Aufgabe zu wechseln, zweifle dann aber, ob es wirklich die gerade wichtigste Aufgabe ist und versuche meine Priorität zu klären. Was ich aber einfach nicht richtig hinbekomme. Und irgendwie lande ich dann wieder bei einer unwichtigen Aufgabe oder gar einer reinen Ablenkung.

Und hier drehe ich mich im Kreis. Trotz Büchern über ADHS und Selbstmanagement, adxs.org und diesem Forum, komme ich einfach nicht ins Tun. Neben mir liegt ein Bullet Journal, wo mal drei Tage oder manchmal auch Wochen viel geschrieben steht, dann aber wieder Tage, Wochen oder auch schon Monate nichts. Dinge wie Pomodoro krieg ich nicht hin und in einer „Timebox“ schreibe ich dann plötzlich Forumsartikel, anstelle die geplante Aufgabe zu erledigen. Was auch daran liegt, dass ich die Aufgabe vorher nicht richtig definiert habe. Ich weiß also im Prinzip wo meine Fehler sind, schaffe es aber nicht den Hebel an der richtigen Stelle anzusetzen um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Und ich möchte einfach nicht den in meinen Augen guten Job verlieren, nur weil ich bei einem kleinen, aber manchmal wichtigen Teil meiner Aufgaben nur Prokrastiniere.

Mein Psychiater und auch die wenigen Erfahrungen aus meiner Selbsthilfegruppe sagen mir, dass es mit Psychotherapie bestimmt schwierig wird, da Psychotherapeuten sich häufig nicht so gut mit ADHS auskennen und es dementsprechend schwierig ist, den passenden Therapeuten zu finden. Die Liste von adxs.org hat z.B. nur zwei Einträge in eigentlich schon nicht mehr akzeptabler Entfernung gelistet.
Ich habe auch schon eine Ergo-Therapeutin im Bekanntenkreis gefragt. Aber Sie kennt auch keine Praxis in der Nähe, die Therapien für Erwachsene mit ADHS im Angebot hat.

Somit habe ich zwei Fragen.

Habt ihr Tipps, wie ich mit meiner Medikation weiter machen soll? Ich möchte in den nächsten Tagen noch auf die 40mg pro Einzeldosis am Morgen gehen. Sollte ich danach testweise vielleicht noch 5 oder 10mg drauflegen, solange ich keine Nebenwirkungen wie den „Zombi-Modus“ oder sonstiges entwickle? Oder besser zurück auf Elvanse mit neuer Eindosierung, z.B. langsam von 20mg auf vielleicht 40mg aufdosieren. Und dann mit dem eingeschränkten Wirkzeitraum leben? Oder könnte es sinnvoll sein noch Ritalin adult oder Concerta zu testen? Atomoxetin oder andere Medikamente möchte ich eigentlich nicht unbedingt nehmen. Stimulanzien haben ja unterm Strich noch die wenigsten Nebenwirkungen.

Und hat jemand eine Idee, wie ich den obigen Kreislauf durchbrechen kann? Doch einen Therapeuten suchen? Was sind oder waren eure Strategien da zumindest gelegentlich herauszukommen? Gefühlt habe ich alle häufig erwähnten Bücher durch. Fehlen tun die Bücher von Barkley und von Lachenmeier, diese werden gerade neu aufgelegt. Da wollte ich mir ausnahmsweise mal die gedruckten Varianten kaufen und muss dementsprechend noch ein paar Tage bzw. Wochen warten. Bisher habe ich Youtube aus meinen Recherchen herausgelassen, weil ich bei anderen Themen immer ewig gebraucht habe, den Müll auszusortieren. Wenn ich ihn denn sofort erkannt habe.

Ich hoffe, ich habe nicht allzu viel Text hinterlassen und es liest jemand bis zum Ende und kann mir vielleicht auch ein paar Tipps geben.

Viele Grüße
Cheesy

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Hey @Cheesy33
Dein Thema kommt mir sehr vertraut vor. Prokrastination ist auch eine meiner Baustellen, was ich mir beruflich überhaupt nicht leisten kann.

Ich nehme, um die Elvanse Wirkung zu verlängern, Elvanse erst zw 10-12 Uhr, merke aber dennoch dass ich abends ins Defizit laufe. Ich habe das für mich akzeptiert, hätte es aber natürlich auch gern anders.

Sprich mal deinen Arzt auf die Wirklücken an. Es gibt unrertardierte Medikamente, die helfen zu überbrücken. Ich denke das könnte ergänzend eine gute Idee für dich sein.

Ich wünsche dir ganz viel Glück! Berichte mal, wie es weitergeht, würde mich freuen :blush:

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Es geht dir hauptsächlich um das prokrastinieren von beruflichen Tätigkeiten die du nicht gerne machst? :thinking:

Aber insgesamt mach dir deine Arbeit Spaß und passt?

Du bist im Home Office?

Wäre co-Working bzw Body doubling eine Möglichkeit? Das hilft mir mit Aufgaben die ich normalerweise prokrastiniere und ich kann mich dadurch auch besser organisieren. Da geht’s aber immer um Dinge die ich privat machen muss.

Beruflich habe ich Struktur von außen und das ist mir auch sehr wichtig.

Ich glaube eine Arbeitet im Homeoffice würde mich depressiv machen.

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Wie viele Stunden spürst du die Wirkung dann?

Ca 6-8 Std, kommt drauf an wie gut ich in der Nacht davor geschlafen habe. Wenn ich fit bin wirkt Elvanse eher 8h (letzte Std aber eher subtil), sonst nur ca 6h

Edit: manchmal hab ich bei zu später Einnahme aber Schlafstörungen. Dann wirkt Elvanse wohl subtil nach

Ja, und die Arbeit macht mir eigentlich auch Spaß.
Zuhause ist es mehr dieses verzetteln, weil man sich hier mal länger aufhält, da sich ablenken lässt, auch ein wenig kaputt vom Tag ist und dann beim Zähneputzen merkt: Eigentlich wolltest du doch noch dies und das erledigen.

Was dann wieder dazu führt, dass es am nächsten Tag nicht so lange wirkt :thinking:

Irgendwie ein Dilemma :sweat_smile::see_no_evil:

Ja, hab ich auch so ähnlich. Trotz sämtlicher Erinnerungen aufm Handy.

Naja. Egal jetzt. Morgen ist auch noch n Tag :sweat_smile:

Hi Chreesy,

klingt für mich nach einem klassischen Fall von Wirkdauerverkürzung bei Elvanse im Vergleich zu den Werksangaben.
Das ist relativ normal. Bei der Mehrheit wirkt es nicht die 12 bis 14 Stunden, die es angeblich wirken soll. Bei der Mehrheit sind es um die 7 Stunden - oder sogar noch weniger.
Die Wirkungsdauer könnte man zwar mit erhöhter Dosis verlängern, aber das geht nur begrenzt. Irgendwann tritt dann in der Zeit, wenn der Blutspiegel sein Maximum hat, eine Überdosierung auf.

Klassische Umgehensweise:
2 Dosen Elvanse, zeitversetzt.
Eine früh (machen nehmen sie schon mit dem Weckerklingeln, damit es eine Stunde später wirkt - bei dir vielleicht 40 mg) und dann gegen Mittag nochmal 20 mg, um die Wirkdauer zu verlängern.

Wenn es morgens sehr viel zu lang dauert, bis die Wirkung einsetzt, 5 mg unretardiertes MPH zeitgleich mit der Elvanseeinnahme. Unretardiertes MPH schiebt sehr viel schneller an.

Wenn Elvanse von der Wirkungsweise her gut war, sehe ich wenig Sinn darin, es stattdessen mit MPH zu probieren.

Zur Wirkdauer von Elvanse schau doch mal hier rein:

Sprich mit deinem Arzt…

Hallo Zusammen,

Ich wollte noch etwas genauer auf eure Antworten eingehen.

Danach hatte ich meinen Arzt auch als erstes gefragt. Er meinte darauf hin, ich sollte es erstmal ganz mit MPH probieren. Off-Label möchte er erst verschreiben, wenn wir alles Zugelassene ausprobiert haben.

Co-Working könnte ich mir für Dinge wie die Steuererklärung gut vorstellen, auf der Arbeit nicht so sehr. Obwohl ich so eine Art Co-Working früher hatte. Da hatten wir im Team noch mehr Zeit, gemeinsam an Aufgaben zu arbeiten. Das war echt produktiv. Mit meinem neuen Teamleiter machen wir in letzter Zeit auch solche gemeinschaftlichen Arbeitseinheiten. Da spreche ich mal mit ihm, ob wir das nicht häufiger machen können (er weiß von meiner Diagnose)
Eine Art schlechtes Body doubling mache ich zu Hause. Ich kann wunderbar hinter meinen Kindern (in der Pubertät und vielleicht auch betroffen) und meiner Frau (kein ADHS, aber ein wenig unordentlich) herräumen, damit es in unserem Haus nicht allzu chaotisch wird. Ist natürlich auch eine schöne Ablenkung von meinen eigenen Baustellen. Und leider recht einseitig, zumindest was die Kinder betrifft. Ohne meine Frau würden wahrscheinlich keine Rechnungen bezahlt und ich müsste mit dreckigen Klamotten aus dem Haus gehen.

Die Wirkung war ja auch nicht so, als wenn alles super gewesen wäre. Die Raynaud Symptomatik machte mir schon sorgen und was ich meiner Tochter nach einem kleinen Fehler verbal an den Kopf geworfen habe, hat mich so erschrocken, dass ich es nicht noch einmal erleben möchte.
Mir geht es gerade mit Medikinet vor allem körperlich deutlich besser. Mein Blutdruck hat sich stabilisiert, der war vor der Diagnose und mit Elvanse immer leicht erhöht. Zur Zeit aber fast wieder im Normbereich. Und ich schlafe auch wieder besser.
Ich kann nur zu keinem meiner Symptome sagen, dass eine deutlich spürbare Verbesserung da ist. Mehr so ein Gefühl, dass einige Dinge besser gelaufen sind.

Daher ja auch meine Frage, wie mich eine Therapie unterstützen könnte. Was mir da auch noch einfällt, wie sind die Erfahrungen mit MBSR oder ähnlichen Achtsamkeitstrainings? Habe mal gelesen, dass Krankenkassen diese zwar nicht bezahlen, aber bezuschussen. Achtsamkeit wurde mir schon mal in einer Psychologischen Beratungsstelle empfohlen, wo ich verzweifelt nach Unterstützung bei der Prokrastination gesucht hatte.

So, jetzt habe ich meine Mittagspause schon arg überzogen …