ich wende mich an euch, da ich mich in einer etwas schwierigen Situation befinde und euren Rat und eure Erfahrungen schätze. Vor etwa fünf Monaten wurde bei mir im Erwachsenenalter ADS diagnostiziert und habe diesbezüglich eine Suchterkrankung entwickelt. Die medikamentöse Behandlung habe ich bei meinem Psychiater begonnen. Kurz darauf begann ich aufgrund der Sucht (Alkohol und bis vor 5 Jahren Amphetamine) mit dem Aufenthalt in einer Suchtmedizinischen Tagesklinik.
Nun bin ich an anderer Stelle in weiterführender Rehabilitation, die Medikation läuft aber noch über die Tagesklinik.
Ich bekomme Elvanse 30 mg und es hat mir wirklich geholfen. Seit ich damit begonnen habe, habe ich keinerlei Sucht-Symptome mehr, und die Abstinenz fällt mir leicht. Allerdings merke ich seit ein paar Wochen, dass die Dosis nicht mehr ausreicht, um meine ADS-Symptome effektiv zu kontrollieren - mit Sicherheit bedingt durch ein erhöhtes Pensum an Therapieplan.
Ich habe bereits zweimal mit meinem Betreuer in der Tagesklinik darüber gesprochen und um eine Erhöhung der Dosierung gebeten, aber er möchte die Dosis nicht erhöhen, aufgrund meiner Erkrankung und der Sorge vor einer möglichen missbräuchlichen Einnahme. Ich fühle mich etwas unverstanden und frage mich, was ich nun tun soll. Ich bin am Überlegen, ob ich einfach zu meinem Psychiater zurückkehren soll, da ich das Gefühl habe, dass ich dort möglicherweise besser unterstützt werde und er meine Situation besser einschätzen kann.
Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht oder kann mir einen Rat geben, wie ich am besten vorgehen soll? Ich möchte sicherstellen, dass meine Behandlung meinen Bedürfnissen entspricht und mich gleichzeitig in meiner Genesung unterstützt.
Ich danke euch im Voraus für eure Hilfe und eure Unterstützung.
Dass du dich nicht verstanden fühlst, kann ich nachvollziehen. Ich schreib meine Gedanken inkl. Verkettungen auf. Manches wirst du vielleicht schon kennen?
Das Thema mit der Haltung von niedrigen Dosierungen ist bei Abstinenzlern immer wieder Thema. Entweder der Betreuer o.ä. hat keine Ahnung von der Materie oder diese Person verfolgt eine Strategie, aufgrund seiner Erfahrung. Da wird es dann auch um die Abwägung diverser Faktoren gehen, die uns hier fremd sind und wohl den Rahmen sprengen würden.
Vielleicht geht es auch um die Übung von Geduld. Geduld ist eine der hilfreichsten Stärken auf dem Weg hinaus aus der Sucht. ADHSler haben damit tendenziell ein Problem. Süchtige viel mehr, weil sie ihre Sucht priorisieren und alles andere vergessen, auch wenn es wichtiger ist. Das Medikament ist keine Lösung, es ist nur eine Hilfestellung.
Die letzten Monate gab es immer wieder Engpässe wo Leute Medikamente ausgegangen sind. Es kommt aber auch vor, dass manche aus Verpeiltheit sich zu spät ums Rezept kümmern und zu spät aktiv werden. Manche vergessen auch die Medikamente morgens zu nehmen oder sie für einen Urlaub einzupacken. Manche verlieren auch die Packung. Im schlimmsten Fall kann auch die Zulassung für Elvanse unerwartet entzogen werden. In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Medikamente nie mehr erhältlich waren.
Nun kann ich mir vorstellen, dass eine Person mit Suchterkrankung die Tendenz hat in alte Verhaltensmuster zurückzukehren und kurzsichtig „Selbstmedikation“ wieder versucht. Gewohnheiten bleiben im Hintergrund gespeichert und werden leicht wieder hervorgeholt. Denn deine Suchterkrankung basiert unter anderem auf einer Selbstmedikation wegen deinem ADHS.
Ich führe deine Äußerung hier ins Extreme:
Wenn der Psychiater dann nicht mitspielt, was wäre der nächste Schritt? Du ahnst wohl worauf ich hinaus will. Der nächste Schritt kann, er muss nicht passieren. Er kann aus Impulsivität direkt folgen oder verzögert.
Am Anfang wird man sich bei der „Selbstmedikation“ denken „ganz wenig reicht aus“, bis es dann immer mehr wird und man die Kontrolle verliert. Ich kann mir vorstellen, dass es vorkommen kann, dass manche mit Suchterkrankung sich dann mit dem Medikament überdosieren für den Kick. Keine Ahnung, hab ich nie probiert und auch nicht vor.
Die 30mg helfen dir ja anscheinend schon ganz gut. Diese Dosierung kann dir damit zeigen, dass es auch so geht. Besser als nichts ist es doch alle mal, oder? Schau mal wie viele auf eine Diagnostik warten bis sie überhaupt medikamentös behandelt werden. Dann treffen die auf einen Idioten-Doc der ADHS für eine Religion hält und daran nicht glaubt oder verweigert die Behandlung einfach so.
Manchmal weigern sich Ärzte komplett Patienten mit Suchthistorie medikamentös mit diesen Mitteln zu behandeln.
Die 30mg können dir also
*Geduld näher bringen,
*Wertschätzung („Ich hab immerhin jetzt eine Hilfe“)
*Genügsamkeit („Besser etwas als gar nichts.“)
*Stetigkeit („Alles auf einmal muss nicht sein.“)
= Tugenden
Es kann sein, dass du überraschend 50mg bekommst. Ich will aber keine Hoffnungen erzeugen, weil ich nicht dabei bin.
Mein Ziel war es hier nicht dich anzugreifen oder über dich zu urteilen/dich zu verurteilen. Mir ist aus meinem näheren Umfeld die Suchterkrankung (Alkohol, , Kokain, Opioide - teils kombiniert, teils mit weiteren Medikamenten) sehr präsent.
Falls ich mich irgendwo missverständlich ausgedrückt habe, dann kannst du darauf gerne zurückkommen.
Zusammenfassung: Er kann oder vielmehr, er wird seine Gründe haben. Er trägt Verantwortung nicht nur existenziell für sich, sondern auch für dich und sein Gewissen.
AMP Medis sind bei ehemaliger Amphetamin Sucht mit Vorsicht zu genießen.
Insoweit verstehe ich den Arzt schon.
Zitat Takeda, Elvanse Fachinformation:
4.4 Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung
…Missbrauch und Abhängigkeit
Stimulanzien einschließlich Lisdexamfeta-
mindimesilat haben ein Potenzial für Missbrauch, Fehlgebrauch, Abhängigkeit und
Zweckentfremdung, welches von den Ärzten bei der Verordnung dieses Arzneimittels bedacht werden sollte. Patienten mit Drogenmissbrauch oder -abhängigkeit in der Vorgeschichte sollten Stimulanzien nur mit Vorsicht verschrieben werden…"
Es gibt andete Medikamente die bei Suchtvergangenheit im Frage kommen.
Lass dich bitte nochmal ausführlich beraten. Bitte den Arzt um alternative Vorschläge
Es ist dir defacto nicht geholfen, wenn du in eine neue Amphetamin Sucht hinein rutschst. Bitte denke da langfristig…Vielleicht hat der Arzt aus dem Suchtzentrum Recht?
Im amerikanischen Forum habe ich Leute kennengelernt, denen gemau das passiert ist: Rückfall durch Adderall (Amphetamin).Und das ist ziemlich schlimm.
Daher, lass dich ausführlich über Alternativen beraten. Damit es dir langfristig gut gehen wird.
Ich wünsche dir viel Glück, wenn du Halt suchst und Fragen hast, schreib gern
ihr habt ja recht mit euren Befürchtungen, ihr wisst aber nicht ob sie bei @Pepinho zutreffen. Zumindest bis jetzt hat er das Elvanse nicht missbräuchlich eingesetzt. Und eine einmalige Dosiserhöhung innerhalb des ersten halben Jahres ist auch nichts, was nur bei Menschen mit Suchtvergangenheit vorkommt.
Hallo Pepinho, bei mir liegt eine ähnliche Situation vor. Auch Suchterkrankung (Alkohol), die in einer Tagesklinik behandelt wurde. Danach wurde bei mir ADHS diagnostiziert. Auch mir hilft die Medikation (Medikinet Adult) extrem auch das Suchtverlangen im Griff zu haben. Neben dem positiven Einfluss auf die ADHS-Symtome.
Vieles wurde schon von den anderen geschrieben.
Im Zusammenhang ADHS und Sucht kann ich das Buch „ADHS und Sucht im Erwachsenenalter“ (ISBN 978-3-17-024061-2) empfehlen. Darin geht es auch um die Medikation und die Vorbehalte der Ärzte. Dort wird aber auch eine Studie erwähnt, dass ADHS-Betroffene mit einer Suchtvergangenheit teilweise eine höhere Medikamentengabe benötigen als die üblichen Empfehlungen, wobei Du ja noch voll im Rahmen bist.
Ich möchte euch für eure einfühlsamen und reflektierten Beiträge danken und bin beeindruckt von den Botschaften und Erfahrungen, die ihr mit mir teilt.
Meine aktuelle Dosierung hat mir bereits geholfen, und ich bin auch dankbar dafür. Ebenso bin ich dankbar für die vielfältigen Anlaufstellen und Therapieformen, die in Deutschland vorhanden sind um ein leichteres Leben zu ermöglichen.
Mit den 30 mg komme ich zurecht. Ich kann besser in den Tag starten und fühle zunächst einmal innere Ruhe und Gelassenheit. Dennoch spüre ich gegen Mittag deutlich die Symptome der Reizüberflutung und Unkonzentriertheit, die mir über den weiteren Tag hinweg zu schaffen machen. Ab und zu habe ich die Gelegenheit, mich nachmittags hinzulegen, um Kraft zu schöpfen, aber leider ist das nicht so oft der Fall und im familiären Kontext auch nicht wie benötigt möglich - schon gar nicht, wenn ich wieder ins Berufsleben einsteige.
Aus fester Überzeugung kann ich sagen, dass ein erneuter missbräuchlicher Amphetaminkonsum nicht vorkommen wird. Die Geburt meiner Tochter vor fünf Jahren hat mir die Augen geöffnet.
Ich erinnere mich mit Abscheu an diese Phase meines Lebens – die schlaflosen Nächte, die erhöhte Dünnhäutigkeit und die damit verbundenen Probleme. Nie wieder werde ich dorthin zurückkehren – niemals!
Bezugnehmend auf eure Beiträge, die mir neue Perspektiven auf meine Thematik aufzeigen, werde ich mir noch ein paar Tage Zeit lassen, um meine Entscheidung zu treffen.