Ich habe jetzt vor kurzem mit einer Ersteinstellung mit Medikinet Adult 10mg angefangen. Hatte bis Dato noch keine weiteren Medikamente. Fühle mich damit wacher und energiereicher.
Allerdings bin ich so 100% Lerche, meine aktivste energiereichste Zeit mit der besten Konzentration und Leistungsfähigkeit ist so zwischen 6 und 7 am Morgen. Die ersten Stunden in der Ausbildung nehme ich auch ohne Medis immer alles mit, da geht das alles voll mit der Konzentration, ist auch gar nicht so anstrengend, es lässt dann irgendwann zum Mittag hin weiter nach, im Nachmittagsunterricht ist es schon anstrengend, wach zu bleiben, da mache ich dann auch immer mehr verpeilte Sachen und wenn ich Abends von meiner Ausbildung nach Hause komme habe ich kaum noch die Energie, meinen Hobbies nach zu gehen. Also (auch ohne Medis) maximale Energie direkt nach dem Aufstehen und dann so linear immer weiter abfallend.
Es wird ja zu Medikinet Adult angegeben entweder Morgens oder Morgens und Mittags. Kann ich auch einfach nur Mittags einnehmen? Die Morgens brauche ich gefühlt gar nicht, die Mittags definitiv. Oder gibt es für Neueinstellung im Erwachsenenalter Medis, die zu Beginn eher schwach wirken und in der Wirkung mit der Zeit immer mehr zunehmen, dass sie eher spät die maximale Wirkung haben?
selbstverständlich kannst du deine Kapseln auch nur mittags nehmen, das ist kein Problem.
Obwohl es langfristig natürlich immer besser ist, die gesamte „aktive“ Zeit abgedeckt zu haben, also von morgens bis abends und auch am Wochenende. Ich selbst nehme morgens eine Kapsel, mittags eine Kapsel und am frühen Abend eine kleine Dosis unretardiertes Methylphenidat.
Speziell bei Medikinet Adult musst du die Abhängigkeit von einer Mahlzeit beachten - also wenn du es mittags nimmst, dann wäre es auch nützlich regelmäßig zu Mittag zu essen. [size=85](Ich esse sehr unregelmäßig zu Mittag und nehme deswegen morgens zwar Medikinet Adult, aber mittags Ritalin Adult)[/size].
Deine Frage beinhaltet außerdem, dass du seit deinem Vorstellungsthread im Dezember eine Diagnose erhalten hast und jetzt ein Stimulans verordnet bekommst - herzlichen Glückwunsch!
Danke, ja ich habe seitdem eine Diagnose bekommen und freue mich wirklich, jetzt endlich zu wissen, wieso ich so bin wie ich bin und was ich gegen meine Schwierigkeiten tun kann. Mittag essen tue ich meist, ich darf dann nur nicht vergessen, ausreichend Essen mit zu nehmen wenn ich außer Haus bin, es kommt durchaus manchmal vor, dass ich dann morgens schon mein Pausenbrot aufgegessen habe und mich am Nachmittag im Zug sehr auf das Essen zuhause freue weil es mittags nix mehr gab… Aus welchem Grund ist es wichtig, „die gesamte „aktive“ Zeit abgedeckt zu haben“?
Na, es kommt sehr darauf an, wie genau sich bei dir die ADHS äußert.
Für mich (!) ist es wichtig, den Tag bis zum Abend abgedeckt zu haben, weil ich durch meine ADHS nicht nur verpeilt bin, sondern auch impulsiv (und damit schwer erträglich für meine Frau und meine Kinder) bin und auch emotional eher schwankend, also häufig z. B. aus nichtigem Grund gereizt.
Ach so, ja ne ich bin nicht so impulsiv und recht „sozial verträglich“, wenn andere ein Problem mit mir haben, dann eher, weil ich irgendwas bescheuertes verpeiltes gemacht habe, wo sie irgendwie von betroffen sind, nicht wegen Impulsivität. Bei mir ist es halt primär dass ich einfach alles durcheinander bringe, alles mögliche vergesse, egal ob Termine oder die Brötchen im Ofen, die ADS-typischen Lernschwierigkeiten, bei allem langsam und unstrukturiert vorgehe, Fehler mache ohne sie zu bemerken, bei ner Handlungsanweisung was ich tun soll vllt. nur die erste Hälfte mitkriege und dann planlos da stehe und son Krams.
Hilft dir denn die Medikation allein gegen die Verpeiltheit?
Erfahrungsgemäß gehört ja noch mehr dazu, um sich selbst besser zu strukturieren. Hilfreich können dabei eine Verhaltenstherapie, Ergotherapie (gibts zum Teil auch für Erwachsene) oder ein Coaching sein. Letzteres kostet aber.
Viele kommen ja bis zu einem gewissen Punkt noch irgendwie durch, wenn dann aber irgendwann Partnerschaft, Familie, Beruf usw. dazukommen, wird es schnell kritisch.
Wichtig ist immer bei Medikinet dass du dazu was isst!!! Sonst drehst du durch. Ich hab es damals morgens genommen 6:30 Uhr und mittags gegen 13:00 . Erst 10/0/0 dann 20/0/0 dann 30/10 . Da ich oft keine Zeit habe regelmäßig zur selben Zeit zu essen musste Medikinet dem Ritalin weichen . Ich bin teilweise durchgedreht wenn ich nix dazu gegessen hatte. Es hat meine Impulsivität und meine Gereiztheit enorm gesteigert …
Also immer schön essen dann wirkt es sehr sehr gut und auch Recht lange …
Soweit ich weiß, sollte es was fetthaltiges sein. Am besten 'ne Dose Pringles oder ein paar Kekse vorrätig haben, wenn Mahlzeit einnehmen zum Zeitpunkt der Einnahme gerade ungünstig ist. Muss ja kein ganz voller Bauch sein.
Wie lange schläfst du denn immer insgesamt? Also wer so früh aufsteht und wenig Schlaf hat, ja, der ist bekanntlich mittags müde und unkonzentrierter.
Hast du das in deine Überlegungen einbezogen?
Also ich meine bloß, dass das ja eigentlhch auch was ganz normales ist.
@allmighty Okay, also ja, ich lebe in einer festen Partnerschaft und wohne mit meinem Partner zusammen.
@Addy_Haller Nein, die Medikation alleine hilft nicht gegen meine Verpeiltheit. Ich hatte Psychotherapie, wo wir uns viel um so Organisationskrams, Struktur im Alltag und so unterhalten haben. Von Ergotherapie halte ich persönlich nichts.
@Irrlicht Ich schlafe nicht besonders viel, liege oft stundenlang wach im Bett und bin morgens recht früh wieder wach. Oft kann ich tagsüber nicht richtig hoch fahren und abends nicht richtig runter fahren, wie wenn ich vom Energielevel her so auf einer „flachen Welle“ schwimme, die nicht so weit hoch und nicht so weit runter geht.
Ich kenne Erwachsene ADHSler, die nach eigener Aussage von Ergotherapie sehr profitieren, geht es dabei doch um Unterstützung bei der Handlungsplanung, also praktisch „Anti-Verpeiltheit“.
Hast du auch Erfahrung damit bzw. woher kommt deine Ablehnende Haltung?
Sowas ist ätzend.
Ich hatte das auch phasenweise, meist in depressiven Episoden.
Hält dich dein Gedankenkarussell wach?
Kannst du dir eine Abendroutine etablieren, die das Schlafen begünstigt.
ZB ab 19 Uhr keine Screentime mehr. Nichts aufregendes/spannendes mehr machen. Um 21 Uhr Tee trinken. Gedanken aufschreiben, damit sie „raus“ sind.
Wenn du einen Büro- oder Sitzjob hast, dann für körperlichen Ausgleich im Sinne von Sport sorgen.
In guten Zeiten versuchen Routinen zu entwickeln, die einem in schlechten Zeiten Halt geben.
Grundsätzlich hilft dagegen, sich einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus anzutrainieren. Das Problem ist: Man braucht dafür Geduld, Ausdauer, Selbstdisziplin (sich z.B. nicht tagsüber hinlegen, weil man müde ist) und Konsequenz - alles Dinge, die dem ADHSler leider nicht in die Wiege gelegt sind.
Mich würde wirklich mal interessieren, welchen Anteil an dem Problem wirklich die Unfähigkeit, über längere Zeit Routinen zu etablieren, hat und was physiologisch bedingt ist.
Ja, ich hatte als Kind Ergotherapie wegen sozialen Problemen und Lernschwierigkeiten (damals noch ohne die ADS Diagnose). Was ich gemacht habe: Körbe flechten, töpfern und so. Warum mir das nichts gebracht hat? Naja, so Kinder-Bastel-Krams habe ich damals ohnehin in meiner Freizeit mit Begeisterung im Hyperfokus gemacht und soziale Probleme geht man ja am besten in Einzeltherapie an… mein Partner hatte auch mal Ergotherapie wegen Legasthenie und hat ähnliche Sachen gemacht… was ihm weder beim Lesen noch Schreiben wirklich geholfen hat. Und sogar ein drittes Erlebnis habe ich vor einiger Zeit erfahren von einem Freund der wohl auch eine ähnliche Story hatte. Ich dachte lange, das wäre ein Einzelfall und vllt nur weil ich damals eine inkompetente Therapeutin hatte. Ich habe das erste Ausbildungsjahr als Ergotherapeutin gemacht und nachdem wir im gesamten ersten Ausbildungsjahr kaum etwas gelernt haben und nicht eine einzige Behandlungsmethode kennengelernt, dafür aber sinnlos Collagen mit Bildern von alten Menschen ausgeschnipselt und so war ich letztlich so wenig überzeugt, dass ich die Ausbildung abgebrochen und Physiotherapie gemacht habe.
Zu den Zielen von Ergotherapie bei ADHS schreibt der Deutsche Verband Ergotherapie:
„Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken.
Hierbei dienen spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen.“
Das ist zwar ziemlich allgemein gehalten, aber das Ziel von weniger Verpeiltheit und mehr „Gebacken bekommen“ sehe ich darin durchaus. Es kommt natürlich darauf an, wie man es umsetzt. Es müsste dann eben sehr konkret an diesem Ziel gearbeitet werden.
Anderseits verstehe ich aber auch deine Skepsis. Leider wird Ergotherapie bei ADHS häufig als Ersatz für Medikation verordnet, was ich für ziemlich ineffektiv halte. Auch scheint mir, dass oft nach dem Gießkannenprinzip an verschiedenen Standard-Baustellen herumgefrickelt wird, ohne die ADHS-spezifischen Besonderheiten zu beachten.
Dennoch glaube ich, dass Ergotherapie bei Medikation durchaus sinnvoll sein kann, wenn der Therapeut weiß, worum es bei ADHS geht.
Der Text ist mir durchaus bekannt. In meiner Ausbildung und mit den mir persönlich bekannten 3 Geschichten ist es nur halt so, dass diese Idee etwas an der Realität vorbei geht. Meiner Meinung nach könnte Ergotherapie etwas bringen, wenn man da ein bisschen was an der Ausbildung verändert, damit die Therapeuten auch das notwendige Fachwissen bekommen, um arbeiten zu können. Alleine schon das Wissen über die Krankheitsbilder ist unzureichend. Den Gedanken, ich könnte ADS haben, habe ich auch nicht aus der Ausbildung bekommen, sondern aus der Schilderung der Symptomatik meines selbst betroffenen Onkels. Und was sich auch ändern müsste: aktuell ist es irgw so, dass Ergotherapeuten alles so ein bisschen können, aber nichts so richtig. Wenn man manche Bereiche ausklammern würde und dafür in den anderen Bereichen mehr in die Tiefe gehen würde, wäre allen geholfen. Es gibt nämlich Bereiche, in denen Ergotherapeuten grundsätzlich sinnvolle Dinge tun, aber eventuell durch andere Berufe unnötig sind. In manchen Bereichen machen Ergotherapeuten z.B. dasselbe wie Physiotherapeuten - nur dass die Physiotherapeuten darauf spezialisiert sind und ein viel tieferes Wissen über Anatomie ect. haben, in anderen machen Ergotherapeuten dasselbe wie Sozialarbeiter - nur, dass Sozialarbeiter darauf spezialisiert sind. Um nicht mit allen nach dem Gießkannenprinzip an Standart-Baustellen zu arbeiten, könnte man z.B. mal lernen, gut zu befunden und auf individuelle Probleme einzugehen - etwas, was ich in der Physiotherapie Ausbildung sehr ausführlich gelernt habe mit dem Abfragen aller potentiell wichtigen Fragen in der Anamnese, spezifischen Tests, ect., auch, wie man die Therapie an die Probleme des Patienten passend abwandeln kann und so, was in der Ergotherapie Ausbildung gar nicht groß behandelt wurde.