Mein Ritalinprotokoll (Tag 1-4). ADHS-Spätdiagnostiziert mit ASS Verdacht (m, 35)

Moin an alle:) Im Text stehen meine Erfahrungen von den ersten vier Tagen mit Ritalin adult 10mg. Ich habe die Tagesprotokolle für mich selbst geschrieben und mich spontan dazu entschieden, diese hier zu posten, weil ich persönlich davor auch auf der Suche nach solchen Berichten war und es vielleicht interessant für die/den ein oder andere(n) sein könnte. Da ich kurz vor einer Vedachtsdiagnose ASS stehe, ist es natürlich naheliegend, dass spektrumstypische Einflüsse hier und da im Text zu finden sind. Kann man sich beim Lesen im Hinterkopf behalten.

Als kleine Trigger-Warnung: Es wird im Prolog (vor meiner Ersteinnahme), auch über eventuelle Folgen zum Thema Depressionen, Herzprobleme und Reizüberflutung gesprochen, sind aber im Kontext der späteren Ritalineinnahme kein tiefer problematisiertes Thema. Ich bin ein ängstlicher Typ, der eben sich alles mögliche ausmalt und obendrauf totaler Anfänger was das Thema Medikation angeht. Mein Tipp: Skippt den Prolog, falls ihr das nicht lesen wollt.

Prolog

Nun ist es soweit. Heute werde ich mit Ritalin Adult mit einer kleinen Dosis 10mg am Morgen für eine Woche lang anfangen. Meine Wochenendeinkäufe habe ich am Freitag erledigt und kann somit heute komplett den Tag in der Wohnung bleiben. Da ich allein wohne, wollte ich da auch keine Risiken eingehen für Tag 1.

Als Randnotiz. Ich werde keine koffeinhaltige Getränke mehr trinken, was mir sehr schwerfällt, da Cola Light seit fast 20 Jahre mein Hauptgetränk ist und ich den leichten Koffeinkick über den Tag bislang brauchte. Alkoholische Getränke werde ich ebenso nicht zu mir nehmen, was mir aber nicht schwerfällt. Als weitere Anmerkung. Mein Blutdruck war zu hoch, ist jetzt aber Mithilfe eines blutdrucksendenen Mittels im grünen Bereich. Und so darf ich mit dem OK der Hausärztin das Ritalin nehmen.

Ich habe abgesehen von Alkohol nie Drogen genommen und auch Medikamente waren bis zum Blutdruckmittel und jetzt Ritalin eine große Seltenheit bei mir. Deswegen stehe ich auch etwas vorsichtig bis ängstlich dem Ganzen gegenüber.

Im Netz und diversen Foren habe ich das Gefühl, die Menschen sind regelrechte Tabletten Nerds, kennen ihren Körper und ihre Dosis die sie brauchen ganz genau, teils auch mit unterschiedlichen Stimulanzien und ich bin eigentlich nur erstaunt darüber, wie gut diese Menschen in ihren Körper hineinhören können. Das kann ich mir so, stand jetzt, noch überhaupt rein gar nicht bei mir vorstellen.

Angst habe ich auch davor, was das Thema Depressionen angeht. Meine Art zu denken ist oft sehr impulsiv, ein neuer Reiz und der Gedanke von davor ist weg und dann wieder zum nächsten. Und diese springende Art zu Denken hat mich, so könnte ich es mir vorstellen, davor bewahrt in eine tiefere Depression zu fallen. Jetzt mit Ritalin könnte es dazu kommen, dass ich den für mich eher fremden Tunnelblick bekomme, also Gedanken stark und über längere Zeit kanalisieren kann und eben auch depressive Gedanken darunterfallen könnten. Ich werde das Beobachten und wenn ich merke das mit der Einnahme von Ritalin depressive Gedanken stark zunehmen, dann ggf. das Ganze bis auf weiteres zu Stoppen und den Facharzt aufzusuchen. Leider.

Das Thema Herz ist auch so ein Gruselthema was mich mein halbes Leben immer so ein bisschen beschäftigt hat, eventuell hat das aber auch mit Einbildung zu tun, dass das ein Problem bei mir sein könnte. Als Kind hatte ich mal ein Ganztages EKG, weil der Verdacht auf eine Herzrythmustörung bestand. Ich weiß noch wie ich als Kind das Messgerät nach der Messung einfach in den Briefkasten der Praxis geworfen habe, ich weiß nicht ob es wegen einem Wochenende war oder weil ich nicht hochgehen wollte. Aber es war einfach im Nachhinein sehr intransparent für mich, weil ich auch nie wieder was davon gehört habe. Auch abends im Bett habe ich manchmal so unangenehme Herzsprünge und sehr selten auch einen kurzen Stechschmerz.

Hinzu kommt, dass ich einen erhöhten Herzschlag habe. Nur Nachts komme ich auf einen Puls von unter 80 Schlägen pro Minute. Ansonsten bin ich meist im mittleren bis hohen 80er Pulsschlagbereich. Das ist hoch für mein Alter. Das Ding ist, Ritalin erhöht bei einigen Patienten die Herzschlagzahl. Einen noch höheren Ruhepuls zu haben fände ich schon derbe. Ich muss Sport machen.

Daran anschließend gibt mir auch noch der Punkt zu denken, dass es eine Wirkung von Ritalin sein kann, dass man stärker auf solche Körpersignale wie den eigenen Herzschlag, Schmerzen im Brustbereich usw. Achtgibt und ich auch hiervor etwas Angst habe dann in Panik zu verfallen.

Prolog Ende.

Pulsmessung vor Einnahme: 162/85. Zweite Messung 139/79. Okay ich warte nochmal eine halbe Stunde, ist vielleicht wegen kurz nach dem Aufstehen so hoch. Ich esse jetzt ein oder zwei Aufbackbrötchen, falls das Hungergefühl bei mir wirklich stark weggehen sollte. Dann ist ca. 10Uhr.

10:15: Ritalin eingenommen.

10:20: Habe direkt danach den Müll rausgebraucht. Ich denke so schnell steht das nicht im Zusammenhang mit Ritalin. Ich denke es ist einfach besser etwas Normales zu tun, als still und in mich hineinhorchend abzuwarten das etwas passiert oder sich anders anfühlt.

10:25: Habe die Wäsche aufgehangen. Etwas seltsam ist mir gerade schon. Ich habe die Wäsche für mein Empfinden bedachter Aufgehangen, nicht so hektisch schnell und mit dem Kopf eigentlich schon wieder woanders zu sein. Aber kann auch nur Einbildung sein, weil die Wirkzeit wie ich gelesen habe erst nach frühstens 15-30 Min eintritt.

10:30: Ich habe jetzt eine Art Schwindel und ein stärkeres Unwohlsein. Mein Kopf bzw. die Kopfhaut fühlt sich etwas taub an. Ich gehe ein wenig unruhig und besorgt durch meine Wohnung und fasse mir hin und wieder ins Gesicht.

10:55: Ich habe das Gefühl ich muss jetzt etwas tun, um abgelenkt zu sein. Ich räume meinen Kleiderschrank komplett aus bzw. werfe alles was drin ist einfach auf einen Stapel, ist mir egal, da ich davor sowieso das meiste unsystematisch einfach in den Schrank reinstopft habe. Das wollte ich schon seit Monaten mal machen und räume jetzt alles nach Kleidungsarten geordnet ein. Mir geht es besser mit der Aktivität.

11:35: Das ich mich mit Kleidung einräumen beschäftigt habe, hat mir in dem unwohligen Moment geholfen und es geht mir mittlerweile insgesamt wieder gut. Ich habe den Kleiderschrank nicht nur neu eingeräumt, sondern die wenig bis nicht genutzte Kleidung in Umzugskisten gepackt, da ich kommenden Monat umziehe. Das waren meine ersten bepackten Umzugskisten. Das habe ich auch ewig vor mich hergeschoben damit anzufangen den Umzug bzw. die Vororganisation einzuläuten.

12:00: Habe eben meinen vom Sabbern befleckte Matratzenschoner in die Badewanne mit Zitronensäure zum Einweichen gegeben, um ihn dann später in die Waschmaschine zu geben. Auch etwas das ich seit mehreren Wochen vor mich hergeschoben habe und allerspätestens vor dem Umzug, wenn die Matratze von Umzugshelfern von A nach B getragen wird, erledigt haben wollte. Es könnte ein Zusammenhang mit Ritalin bestehen.

12:10: Um zu testen, ob Ritalin auch mein Leseverhalten ändert, habe ich 10 Minuten in einen Text über eine Methode der qualitativen Sozialforschung mich eingelesen, den ich sowieso lesen sollte und seit zwei oder drei Wochen das vor mich hergeschoben habe. Ich meine mir ist aufgefallen, dass ich zwar impulshafte Gedanken zwischendrin hatte, diese waren aber auf den Inhalt bezogen und ich habe die Gedanken recht gut und schnell beiseiteschieben können und den Text weitergelesen. Aber nicht bis zum Kapitelende gelesen.

Gegen 14:00 Uhr. Kleines Fazit von Tag 1:
Ich habe den Eindruck mein Denken entspannt sich ein Stückweit unter Ritalin. Ich fühle mich weniger unruhig und springe nicht wie sonst von Gedanken zu Gedanken, von Reiz zu Reiz. Es fühlt sich für mich ein wenig wie beim Baden an, wenn ich mit dem Kopf für eine kurze Zeit Unterwasser tauche und für die paar Sekunden, dass Gefühle habe eine Art Entspannungsmoment zu erleben. Die Unruhe ist nicht so omnipräsent und mein Denken fokussierter.

Tag 2. 21.01.2024

Der Erwartungshorizont ist nun schon etwas klarer. Ich hoffe, die unangenehme Anfangsphase wie an Tag 1 wird sich nicht so wiederholen. Ich habe schon zwei beschäftigende Aufgaben für mich bereitgelegt. Einen Kuchen backen und gewaschene Wäsche zum Einräumen.

9:40: Meine Blutwerte liegen bei 147,79. Bei der Erstmessung 5 Minuten davor lag dieser noch höher. Das ist schon arg viel. Ich habe eben Haferflocken mit Milch gefrühstückt. Ich gebe dem noch 10-20min, dann bin ich mit der Einnahme wie gestern bei 10 Uhr. Mein Plan war ursprünglich ca. 30 Minuten früher anzufangen.

9:54: Einnahme.

9:55: Ich räume direkt im Anschluss die neue Wäsche in den Schrank und beziehe die Matratze. Einfach um nicht wie an Tag 1 mich zu sehr auf die Wirkungseintrittt zu fokussieren und möglicherweise so unangenehme 15-20 Minuten zu haben.

10:20: Ich merke das sich was in meinem Kopf anders anfühlt also körperlich und vom Wahrnehmen her.

11:00: ich spüre wie die innere Ruhe etwas größer wird. Es ist Sonntag und ich habe nicht wirklich etwas vor, dass kommt wahrscheinlich hinzu. Ich backe jetzt gleich den Kuchen und fange dann auch langsam an Mittag zu kochen.

11:15: Während der Kuchenteigzubereitung habe ich mir einen Fußballtalk angehört. Ich meine, dass ich mich etwas besser auf das was im Talk gesagt wurde konzentrieren konnte. Aber wie bei allem, ich spreche hier von Tendenzen, wo ich denke oder mir einbilde es ist etwas anders als davor. Es ist nicht wie in dem oft zitierten aufsetzen bzw. absetzen einer Brille Beispiel. So glasklar würde ich es nicht einordnen wollen.

13:20: Ich habe soeben mein Mittagessen gekocht, recht aufwendig vier Komponenten aber nicht total ungewöhnlich für ein Wochenendessen bei mir. Ich habe beim Kochen und zubereiten nicht wirklich etwas an mir beobachtet. Eventuell mehr bei der Sache zu sein, bin mir da aber unsicher. Ich spüle nach dem Essen wie sonst auch immer alles direkt ab, da ich sehr geruchsempfindlich bin bzw. solche Gerüche wie Bratfett einfach nicht ausblenden kann, bis diese weg sind und ich mich tagsüber in der Wohnküche aufhalte.

17:00 Uhr mit Fazit: Die Anfangsphase an Tag 2 war deutlich weniger krass als bei Tag 1. Es ist aber auch möglich das es bei Tag 1 mehr eine psychische, eingebildete Reaktion war. Insgesamt habe ich das Gefühl gehabt, am heutigen Tag weniger Änderungen zu spüren und an mir zu beobachten. Wenn die Wirkung bei mir nachlässt meine ich wieder mehr Stimming zu betreiben. Ich denke sogar während der Wirkung mache ich gar kein Stimming. Und auch das Impulsive kommt dann mit dem Nachlassen der Wirkung wieder zurück.

Tag 3. 22.01.24.

8:30: Geschlafen habe ich ganz normal, dass einschlafen ist mir etwas schwerer gefallen, wobei mir das auch vor Ritalin immer mal wieder passiert. Musste gerade in den News lesen, dass die Bahn für 6 Tage streiken will. Das wirft jetzt meine ganzen Pläne um. Ich bin total im Stress. Ich muss eigentlich dann morgenfrüh mit der Bahn fahren, anstatt am Donnerstag. Aber ich habe morgen einen Besichtigungstermin mit Interessenten für meine Wohnung. Zudem habe ich noch mit meinem Chef diverse Dinge zu erarbeiten. Aber ich kann den Termin an Ort X für meine Autismusdiagnostik nicht ausfallen lassen. Der ist jetzt so wichtig für mich, weil ich zumindest eine vorläufige (Autismus-)Diagnostik bekomme. Ich muss mich echt sammeln, was jetzt zu tun ist und bin total gestresst.

8:32: WC, Dusche, Zähneputzen, anziehen.

8:40: Nehme das Ritalin ein.

8:45: Ich bringe den Müll raus.

8:57: Habe das Zugticket für morgen umgebucht in Voraussicht, dass jetzt viele Bahnkunden spontan umplanen, weil die Streikmeldung erst vor ein, zwei Stunden rauskam.

9:00: Ich fange an die Küchenzeile zu putzen, in der Hoffnung die Vermieterin kann einen neuen Termin für heute mit den Interessenten ausmachen. Der mögliche heutige Termin sitzt jetzt natürlich wie in Dorn in meiner Tagesplanung. Ich muss die Wohnung zuerst putzen und aufräumen und erst, wenn ich die Antwort der Vermieterin habe, ob und ggf. wann die Interessenten Zeit haben, kann ich mich daran machen meinen Chef anzurufen, ob und wann er heute Zeit hat. Und ich muss mich vor dem Treffen mit Chef dann noch der dann versprochen fertigen Tabelle / Arbeit widmen. Eigentlich müsste ich auch noch zum Supermarkt, aber dafür habe ich jetzt gar keine Ressourcen erst einmal. Ich bin gerade von Ungewissheiten umgeben, ich kann so einen Zustand absolut nicht leiden.

9:00: Ich kann nicht sagen, ob es wirkt. Ich muss weitermachen, vielleicht merke ich es, mal sehen.

9:50: Ich habe jetzt bis gerade die Wohnung durchgeputzt. Zwischendurch habe ich noch die WhatsApp an meinen Chef geschrieben, ob er schon heute Zeit hat. Es ist immer noch haushaltsmäßig etwas zu tun. Was mir auffällt, dass ich meine In-Ear Kopfhörer zwar trage, aber nicht die Musik oder Podcast angemacht habe, nichts eben. Normalerweise beschalle ich mich immer damit, wenn ich Hausarbeiten erledige bzw. ich mich überhaupt dazu überwinden kann, so eine Tätigkeit ausführen. Wobei jetzt auch der Stress und das Adrenalin durch den Zeitdruck dabei helfen und möglicherweise Ritalin eben auch noch mit einstreuen könnte. Ich meine das ich beim Putzen und Aufräumen etwas weniger zwischen den Aufgaben hin und her wechsle, obwohl mich in der Wohnung in allen Richtungen Dinge umgeben, die zu tun wären. Was mir eigentlich auch oft passiert, dass zwischen den Aufgaben einen Impuls habe etwas neues zu tun und dann losgehe und mich auf dem Weg Frage, was wollte ich jetzt eigentlich tun und das Vergessen habe. Das habe ich auch nicht gehabt bis jetzt.

10:10: Wenn ich das Tempo beibehalte bin ich gegen 10:30 Uhr mit dem Putzen und Aufräumen durch. Allerdings hängt alles weitere an diesem Besichtigungstermin. Das ist richtig blöd. Wenn ich keine Antwort bekomme, kann ich im Prinzip nur Zuhause die Tabelle in der Zeit bearbeiten und den einen wissenschaftlichen Text lesen. Immerhin.

10:15: Neuigkeiten! Die Vermieterin hat sich gemeldet und der Besichtigungstermin wurde abgesagt. Das kommt mir natürlich perfekt gelegen. Jetzt heißt es auf die Antwort von meinem Chef abzuwarten und mit der Tabelle anzufangen und den Text zu lesen und mittags vermutlich sogar Zeit zu haben, um einkaufen zu gehen. Mein bisheriges ich würde wahrscheinlich wegen dem Warten auf die Antwort von meinem Chef und dem daraus resultierenden Stress zu gar nichts kommen oder sich für die Absage für die Besichtigung jetzt mit Medienkonsum belohnen und dadurch auch vom Stress ablenken. Ich hoffe ich packe es mit der Liste bzw. dem Lesen anzufangen.

10:17: Ich schreibe an der Liste. Allerdings an der falsche Liste, an einer Einkaufsliste. Mir sind ein paar Dinge beim Putzen eingefallen, die noch einkaufen sollte und will das nicht wieder vergessen.

10:23: Mein Chef schreibt mir ich soll ganz entspannt machen und erstmal nach Haus fahren für den Termin. Er kennt mich und weiß, dass ich superleicht extrem gestresst bin und reagiert deswegen so verständnisvoll. Gut für mich. Ich habe ihm aber geschrieben, dass ich das mit der Tabelle heute noch erledige, weil das irgendwie dann doch das mindeste ist, was ich tun kann oder sollte, sagt mir mein erwachsenes Ich. Vielleicht ist das auch schon Ritalin, ich weiß es nicht.

10:37: Ich schweife gerade wieder etwas sehr hin und her, da ich meinem Vater schreiben musste wie der Stand mit der Zugreise ist, dann noch irgendwie darauf kam ein Kochrezept meiner Mutter zuzusenden, dass ich Gestern Abend entdeckt habe und gerne die Woche, wenn ich bei meinen Eltern bin nachkochen möchte. Und eigentlich wollte ich ja die Tabelle bearbeiten.

10:45: Wieder Neuigkeiten. Die Vermieterin schreibt mir, dass sie heute vielleicht doch um 14 Uhr mit anderen Interessenten vorbeikommt. Kurz bin ich echt wütend, aber kann die Wut nicht so impulsiv hochsteigen lassen wie sonst, meine ich. Also wieder neuer Plan, weiterputzen und aufräumen.

11:26: Ich bin mit dem Großteil des Putzens und Aufräumens fertig, ab jetzt wäre es nur noch Fein Tuning. Ich habe eben von meinem Kuchen gegessen. Der kommt mir gelegen, da ich erst nach dem Termin zum Supermarkt gehen kann. Jetzt heißt es die Tabelle zu bearbeiten, die Auswege und Ausreden werden immer weniger.

14:20: Ich habe tatsächlich bis 13:40 Uhr an der Tabelle gearbeitet. Die Interessenten waren eben auch da.

15:15: Mittlerweile ist es nach 15 Uhr und ich bin immer noch an der Tabelle dran. Das ist schon ungewöhnlich bei mir. Es macht mir sogar etwas Spaß, aber ich merke, wie ich langsam Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme bekomme. Ich sollte einkaufen gehen und davor am besten nochmal ein Stück Kuchen essen.

15:20: Planänderung. Ich bleibe Zuhause. Und bestelle mir am späten Nachmittag oder frühen Arbeit eine Pizza. Der Tag heute ist dafür prädestiniert, weil ich eigentlich ab morgen eine Woche weg bin und alles aufgeräumt ist. Ich merke aber wie ich etwas auseinanderfalle im Sinne von, dass das eigentlich ein Pensum ist, dass ich sonst nicht gehen kann und ich mich gerade Frage, soll ich aufhören und eine Pause machen oder durchziehen.

15:50: Das mit der Tabelle ist doch sehr viel mehr Arbeit als gedacht. Okay, Zwischenlösung. Ich mache jetzt noch zwei der Fragen und dann später den Rest.

18:00 mit Teilfazit: Ich habe mir gerade etwas zu essen bestellt. Bis dahin habe ich tatsächlich durchgearbeitet. Es war im Grunde eine Fleißarbeit, sortieren und ein bisschen analytisches Denken bei den Begriffen. Es hat ewig gedauert und ich habe tatsächlich durchgehalten. Uff, dass ist echt ziemlich erstaunlich. Was auffällig war, dass ich mich sonst immer am PC fortlaufend ablenken lasse. Das war heute nur wenige Male so. Allerdings hat mich auch der Stress etwas gepusht, denke ich. Dadurch das ich meinem Chef geschrieben habe ich sende ihm heute noch die Tabelle noch zu, hat das eine Art von Druck erzeugt, dass heute noch irgendwie durchziehen zu müssen. Ich verbuche das jetzt mal als Erfolg. Natürlich braucht es mehr solcher Arbeitstage um das als gesicherte Verbesserung gelten zu lassen.

Tag 4, 22.01.24.

5:40: Aufstehen. Ich muss um 6:50 Uhr den Zug bekommen und habe eine über 10-Stündige Zugfahrt vor mir. Ich bin ganz gut aus dem Bett gekommen., obwohl ich sonst erst gegen 7:40 aufstehe. Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich schon gegen 23:00 Uhr bzw. 1.5 Stunden früher als sonst ins Bett gegangen bin, weil ich ziemlich Müde vom Tag war.

5:50: WC, Zähne putzen, Duschen, anziehen. Blutdrucktablette. Mit Ritalin möchte ich noch warten bis gegen 8 Uhr, weil es schon arg viel früher ist als meine sonstige Einnahmezeit.

6:10: Die letzten Teile in den Reiserucksack räumen. Habe soweit ich das Überblicke die fehlenden Dinge beisammen.

6:30: Zu Fuß in Richtung Bahnhof.

8:20: Im ersten Zug, der eine Stunde gefahren ist, habe ich noch kein Ritalin genommen. Die Fahrt war okay, aber schon Bereich durchhalten zu müssen. Ich bin bei solchen Fahrten öfters im Bereich einer Reizüberflutung. Ich saß in einem vierer Sitzbereich, wo alles besetzt war. Rausschauen ging nicht, weil es noch zu dunkel gewesen ist. Ich weiß dann auch immer nicht, was ich machen soll, wohin ich schauen kann. Ich bin dann schnell angespannt und reiße mich zusammen, auch was Stimming angeht.

8:30: Stehe im Bahnhof an einer ruhigen Stelle und habe immer noch 30 Minuten Wartezeit zum nächsten Zug und nehme das Ritalin. Ich merke es wieder so leicht im Kopf und der Wahrnehmung, dass etwas anders ist.

8:40: Beim Warten direkt am Zuggleis meine ich mir einzubilden, dass ich weniger auf jeden neuen Reiz anspringe und relativ ruhig rumstehe.

9:30: Im Zug bin ich entspannter. Auch das ich das hier während der Fahrt schreibe ist so ein Ding. Das fällt mir im Zug eigentlich total schwer, mich zu konzentrieren. Der Zug ist bislang weniger voll als gedacht und mein Sitzplatz befindet sich an einer guten Stelle. Auch das fährt mich, wenn ich kein Ritalin nehme, etwas runter vom Stress.

11:30: Während er Zugfahrt lese ich quer über das adhs-Forum. Wiederum auffällig ist, dass ich das jetzt über einen längeren Zeitraum so konnte und zum anderen habe ich wieder mal meine In-Ears im Ohr, aber keine Musik parallel dazu angemacht. Der Drang nebenbei noch Musik laufen zu haben, war einfach nicht so da.

12:20: Das mit dem Lesen habe ich jetzt gut zweieinhalb Stunden so durchgezogen, obwohl jetzt noch jemand neben mir sitzt, was das in aller Regel noch mehr erschwert. Ich spüre einen leichten Kopfdruck.

12:39: Die Unruhe nimmt etwas zu. Es bleibt anstrengend für mich so eine Zugfahrt. Ich spüre die Müdigkeit, die in mir aufkommt und das sich mein Stress erhöht, weil ich im Zug und Tagsüber generell nicht schlafen kann und das ist dann zusätzlich anstrengend auf vieles zu achten und gleichzeitig müde zu sein.

14:30: Ich merke wie die Wirkung nachlässt, allerdings habe ich auch wenig getrunken und gegessen und ich muss mich gerade wieder mehr anstrengen um die Bahnfahrt zu überstehen. Ich habe leichten Schwindel und kleinere Kreislaufprobleme, ich werde nervöser und reizoffener.

16:17: Die Fahrt ist anstrengend und ich bin müde. Jetzt gerade ist die Person ausgestiegen die fast 7 Stunden mein Sitznachbar war, während überall woanders ständig Leute kamen und gingen. Jetzt kann ich mich endlich wieder mehr ausbreiten, etwas entspannen und mehr Stimming machen um mich zu regulieren.

18:00 In der Restfahrt saß keine weitere Person mehr neben mir. Das hat mir definitiv geholfen. Als ich aussteige und durch den großen Bahnhof gehe, merke ich wie all die Menschen und Lichter und Geräusche mich schon echt überfrachten. Auch das ich so lange gesessen habe hat meinem Kreislauf nicht wirklich gut getan denke ich mir. Aber ich beiß die Zähne zusammen und gehe zum Ausgang.

Nächster Tag*mit Nachtrag für ein Fazit: Ich fahre aktuell ca. einmal im Monat mit der Bahn und dann auch in der Regel längere Strecken von 8 – 10 Stunden. Ich bin dieses Mal komplett mit dem langsamen IC gefahren, da ich teils vom ICE und bei den Hochgeschwindigkeitsteilstrecken echte Probleme mit Reizüberflutungen bekomme und ich das mit Ritalin erstmal erproben wollte, wie das so ist im Zug. Die Fahrt war für meine Verhältnisse echt ziemlich gut gewesen, oberes Drittel. Oft ist das Zugfahren für mich ein echter Kraftakt was Stress und Reize angeht. Ich denke, Ritalin hat da einen positiven Anteil daran gehabt, dass die Fahrt recht gut war. Gerade so morgens bzw. vormittags über, war das schon anders als wie sonst. Aber wie überall gilt es mehr solcher Fahrten zu machen und weiter zu vergleichen.

3 „Gefällt mir“

Das war es soweit erst einmal. Ich werde das Thema Ritalinprotokolle, vlt. auch nur für mich, immer mal wieder situativ weiterführen. Vor allem wenn ich eine Dosiserhöhung habe oder vielleicht auch an Tagen, wo ich weiß, dass mich das bisher absolut überfordert hätte, wie das Arbeiten an einem wissenschaftlichen Paper jetzt im Februar, dass 25-35 Seiten lang werden soll und mir schon der Gedanke davor seit zwei Monaten Angst macht. Vom dunklen Schatten der Masterarbeit, die auf mich zukommt, will ich gar nicht erst reden.

Bisher habe ich solche Aufgaben nur in Form von Nachtschichten ein, zwei Tage vor Abgabe unter Angst und Adrenalin und dann auch nur Hauptsache irgendwie bewältigt. In meiner jetzigen Realität ist das absolut ausgeschlossen, so etwas in einem Normalmodus hinzubekommen. Den gibt es bei mir nicht. Das hat in der Schule nicht funktioniert. Und im Studium auch nicht. Das ständige Versagen oder knapp an der Katastrophe vorbeizuschrammen, hat auch viele Ängste und Narben bei mir hinterlassen. Wenn sich durch Ritalin in der Herangehensweise etwas bei mir ändert. Das wäre eine unfassbare Wende in meinem Leben.

1 „Gefällt mir“