Hallo ihr Lieben,
ich habe mich hier inzwischen durch viele Beiträge gelesen und bin schon ein bisschen klarer, was meine Fragen angeht. Da aber die Eindosierung so mannigfaltig ist, wie wir alle, habe ich dann in der Summe doch noch Fragen und hoffe das Sie durch euch beantwortet werden können.
Ich nehme nun seit 3 Wochen Methylphenidat AL 10mg. Ich soll meine Morggendosis herrausfinden und traue mich nicht über die 20 mg rüber zu gehen.
Die 10ner Dosis hilft recht gut, ich kann mich besser aus die Arbeit konzentrieren, bin fokusierter, kann mich um meine Aufgaben zuverlässig kümmern, bei Störung finde ich auch schnell wieder in meine komplexen Vorgänge wieder rein, bin aber immer noch recht zappelig. Dafür habe ich zum glück einen elektrischen Schreibtisch und ein Balanceboard, worauf ich dann rumwippeln kann.
Die 20ger Dosis ist mental ähnlich von der Wirkung, nur das die Zappelei fast gänzlich im Zaum gehalten wird. Ich kann also zusätzlich still sitzen.
Zusätzlich mache ich mich keine/kaum Gedanken, was meine Depressionen angeht. Ich bin sehr sachlich und sehr nüchtern, schau mir meinen Gedanken an, schaue ob er grade nützlich ist, wenn nicht kommt er zurück in die Schublade und ich mache weiter.
Ich bin also „Achtsam“ als Nebenwirkung. Soweit bin ich auch total begeistert und freue mich sehr, das ich diese Diagnose und damit auch Möglichkeit bekommen habe mich zu verändern.
Dann wären da aber die (Neben-)Wirkungen, die mich dann doch etwas zurück rudern lassen und mich nun veranlassen euch um Rat zu bitten. Ich weiß, ihr seit kein medizinisches Personal, ich möchte in der Richtung keine Tipps, lediglich eure Meinung und Erfahrungen.
Ich merke dass das Methylphenidat den Kopf etwas matschig macht, ich habe ein seltsames Zeitgefühl, manchmal sind 3 Minuten so lang wie 20 und umgekehrt. Wenn ich aber mal einen Moment Ruhe habe und in Gedanken versinke, dann vergeht Zeit, bis ich merke das ich total „versackt“ bin. Diese Woche saß ich auf Toilette und dachte intensiv über ein Gespräch nach, bis ich „bemerkt“ habe, das ich ja noch auf der Toilette sitze.
Ich habe das Gefühl konfrontativer zu sein, aber auf eine „nettere“ Art und weiße. Vor kurzem hatte ich eine Situation im Straßenverkehr, die böse hätte Enden können.
Da ist mit eine Fahrradfahrerin ohne zu gucken vor die Motorhaube gefahren und fing an mich voll zu pöbeln, weil sie als Fahrradfahrer ja ohnehin Vorfahrt gehabt hätte, nach der STVo währe der Fall aber zu meinen Gunsten ausgefallen. Für gewöhnlich wäre das mein ADHS Zeitpunkt zum Eskalieren gewesen, stattdessen drücke ich mich jetzt deutlich gewählter aus und schmeiße neuerdings mit Fremdwörtern um mich und bin dann eher um die Ecke mit einer Spitze fies zu anderen Menschen. (zB. Wenn die intellektuelle Sonne tief steht, wirfst sogar du noch einen langen Schatten)
Ich finde den Zustand ehrlich gesagt sehr schön, endlich so befreit zu sein, ich weiß aber nicht ob das schon für eine Sucht sprechen könnte. In meinem Urlaub habe ich die Medis nicht angefasst und auch nicht daran gedacht, aber ich habe mich am am Sonntag schon auf Montag gefreut, weil ich musste das ich wieder gut Arbeiten kann mit den Medis.
Körperlich ist die Wirkung insgesamt moderat. Ich merke das sich meine Körperspannung verändert, ich bin entspannter. Mein Spannungskopfschmerz, der mich sonst eng begleitet hat, hat sich deutlich verringert. Seltsamerweise hat sich auch meine Libido positiv verändert. Ich habe auch mehr Motivation was Sport anbelangt. Ich versuche regelmäßig zu Trainieren, habe aber das Gefühl neuerdings über meine Grenzen hinauszugehen. Der Muskelkater ist seit Medikinet viel krasser. Ist die neue Leistungsfähigkeit dafür verantwortlich und ist es schon Missbrauch die Tabletten dafür gut zu finden?
Sowas wie trockenen Mund, leichte Übelkeit, verminderter Appetit ist für mich nicht soooooo relevant, ich trinke ohnehin recht viel, wollte mir einen gesünderen Ess Rythmus aneignen und entsprechend auch gesünder essen. Die Nebenwirkungen nehme ich also gerne in Kauf, sie schränken mich nicht so sehr ein.
Ich hadere so sehr mit mir, ich bin auf der einen Seite so glücklich und zufrieden mit dem neuen Zustand, fühle mich aber irgendwie wie ein Hochstapler, da ich merke das sich meine Leistung und Leistungsbereitschaft so signifikant verbessert hat. War die Ressource schon vorher da und ich konnte sie nicht nutzen, oder funktioniert das jetzt so gut, weil ich mich „dope“?! Es so ein massiver Selbstzweifel da, der mich traurig nachdenklich macht. Ist das normal?
Dann kommt noch dazu, das der hier so oft erwähnte Reboundeffekt mit der krassen Müdigkeit auf sich warten lässt. Ich nehme die Tablette gegen 7 Uhr ein und gegeb 12 merke ich, das die Konzentration nachlässt, ich gedanklich wieder abschweife und irgendwie ein Gefühl habe, als ob ich grade aus einer Prüfung komme. Vom Kopf her etwas ausgewrungen, bin dann schneller genervt und komm dann auch nicht mehr so recht auf den grünen Zweig.
Abends bin ich dann müde, sobald ich mich aber um 21 Uhr ins Bett lege , schmeißt der Kopf das Gedankenkarussel an und ich liege häufig noch bis Mitternacht wach. Hatte ich eigentlich, ich wollte doch noch, was passiert eigentlich wenn die Katze so krank ist, das wir sie einschläfern müssen, was ist dann mit den Kindern und wie ist das wenn meine Mutter stirbt, was ist dann? Dann wollte ich doch noch Winterschuhe kaufen, die Socken fürs Baby einer Freundin häkeln, Papa anrufen, wann fängt eigentlich die neue Staffel von (beliebige Serie einfügen) an, und so weiter und so weiter.
Ist das alles normal? Pendelt sich das noch ein?
Ich bin dankbar für eure Gedanken und Erfahrungen, die ihr mit mir teilt!
Ein guten Start ins Wochenende!