Minimalismus bei ADHS


Ja, so ist es! Wenn man aus dieser Perspektive auf die berufliche Selbstverwirklichung blickt, dann passt es. Passt der Beruf zur ADHS-Ausprägung, dann stellt sich die Selbstverwirklichung automatisch ein. Aber der Versuch, sich im unpassenden Job als ADHSler selbst zu verwirklichen wird zwangsläufig im Burnout enden und zum Jobverlust führen.

Ich stimme Dir, @Andromache in Bezug auf Selbstverwirklichung zu, würde das aber gerne noch ergänzen.
Natürlich verallgemeinere ich gnadenlos …
Für viele gerade der Spätdiagnostizierten ist das, was hier Selbstverwirklichung genannt wird, eigentlich nichts anderes als der Versuch, das zu leisten was dem eigentlichen gefühlten Potential entspricht. Und das erscheint mitunter hoch, auch weil wir ja meinen, Dinge wahrzunehmen, die andere nicht sehen- dafür unsere Schwächen nicht als solche erkennen sonder entweder verdrängen oder mit Teufelsgewalt dagegen kämpfen - nicht aus Spaß sondern aus Angst, z.B. Zu versagen, nicht bestätigt zu werden, gekränkt oder zurückgewiesen zu werden. Auch da sind wir extrem, 0 oder 100. Meine Einschränkung hatte ich damals zumindest nicht auf dem Schirm, zumindest nicht bei mir selbst, geht nicht gibt‘s nicht. Nach zwei Jahren Therapie habe ich gelernt, mit mir selbst ins Reine zu kommen, seither habe ich das Bedürfnis mich beweisen zu müssen längst nicht mehr in diesem Maß.

Ja so ist es bei mir auch und trotz längerer Krankschreibung hat keiner irgendwas negatives dazu gesagt oder es kommentiert.
Ganz viel Rückhalt und Unterstützung habe ich erfahren und deswegen tue ich auch „alles“ um dort ggf. bis zur Rente zu bleiben.
Und mit Alles meine ich vor allem auch einen gesunden Weg mit meinem ADHS dort zu finden.
Das ist dann eben auch eine freiwillge Reduzierung meiner Stunden, die ich aber immer Rückgängig machen kann.
Egal wie toll mein Job auch sein könnte, ich werde nicht mehr voll arbeiten können.

Ich denke Selbstverwirklichung kann möglich sein, aber dann muss man auf die Fallen von ADHS aufpassen und alles stimmen.
Ich habe etliche Gänge zurückgeschaltet um mich selbst zu schützen, aber es ständen mir schon noch Wege offen. Doch da wo ich mich selbstverwirkliche, sollte ich es auch im Gesunden Maße halten können, und das wird nun mal nicht so gehen. Aber das liegt an mir und nicht an meinem Arbeitgeber.

Somit schaue ich eben auch lieber um grundlegend meine Arbeitsfähigkeit zu erhalten , weil ich meinen Job ansonsten dort wirklich gerne mache.
Die Probleme, die ich dort habe, hätte ich auch woanders. Und warum nicht da blieben wo man sich im wesentlichen wohl und akzeptiert fühlt und man dass Gefühl hat das es dort noch der Beste Kompromiss auf allen Ebenen ist.

Ich weiß was ich an meinem Arbeitgeber habe vor allem auch ein Gefühl an Sicherheit was sich jetzt zur Coronakrise nochmal zeigte.
Ja an der ein oder anderen Stelle mache ich dann mal mehr , aber ich weiß auch dass ich Nein sagen kann und darf.

Es bedarf einfach das, was am wenigsten einfach ist…------> kompensatorische Kompromissstrategien mit sich selbst :wink:

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@Hibbelanna Das mit dem Potential ist ein wichtiger Punkt - aber wer sagt einem frühzeitig, worin es besteht?

Man es gut kennen, um es ausschöpfen zu können. Einfach irgendwas machen, nur um Geld zu verdienen, funktioniert nicht, auch wenn „Normalos“ das zu können scheinen…


Das herauszufinden ist schon eine Lebensabschnittsaufgabe… Teilweise gibt es ja durchaus berufsvorbereitende Gespräche, gerade vor den mittleren Abschlüssen, die durchaus auch ausgiebig sein können und einem Berufscoaching entsprechen.
Ansonsten bleibt natürlich ein ADHS-Coaching, durch jemandem der ungefähr weiß, welche Haken und Ösen bei solchen Kandidaten, wie wir es sind, zu beachten sind.
Gute Beratung kann nichts anderes tun, als Dich selbst dazu zu bringen, Dein eigenes Potential zu erkennen, das kann jede/r gute Coach. Jemanden dafür zu finden kann u.U. eine Weile dauern da „wir“ uns naturgemäß mit der Fremdeinschätzung schwer tun und sicherlich nicht soo schnell dabei sind, unserem Gegenüber da die Kompetenz zuzusprechen, uns gerne mal auf jede Bemerkung, die man unter Umständen eventuell irgendwie ein wenig kritisch deuten könnte total überzogen reagieren und sie nicht mehr aus dem Kopf bekommen…
Was uns diese „Normalos“ voraus haben ist nicht viel, aber dennoch gravierend: Die meisten können ihre Gedanken und Gefühle so weit kontrollieren, dass sie solange mit bestimmten Umständen leben können, bis sie sie ändern können. „Wir“ werten das dann gerne mal leicht verächtlich als „Angepasstheit an die böse Gesellschaft“ ab, verkennen dabei, dass es sich dabei um ein Verhalten handelt, das unabdingbar ist für die eigene geistige Gesundheit, Resilienz - und meinen, uns auflehnen zu müssen. Entweder in Form von „ich zeig’s Euch!“ oder von Revolution… Und dabei das aus den Augen zu verlieren, was eigentlich wichtig wäre: unsere eigenen Fähigkeiten, Stärken und Bedürfnisse.
Auch da haben mir persönlich Medikation und Therapie am meisten geholfen - und das Eingeständnis der eigenen Grenzen.

Die Statistik der Krankenkassen spricht da eine andere Sprache. Der Anteil der Krankentage aufgrund psychischer Belastungen steigt unaufhörlich. Das können nicht alles ADHSler sein. Dazu ist unser Anteil an der Gesamtbevölkerung zu gering.

Das liegt aber häufig nicht an der Tätigkeit an sich sondern an den Arbeitsbedingungen …


Bzw. an den ständig steigenden Anforderungen, die auch der Normalo irgendwann nicht mehr gestemmt bekommt.

Gerade das ist aber sehr häufig. Man bleibt trotz bereits erfolgter innerer Kündigung im Job hängen, wobei es weniger der Job an sich ist, den man an den Nagel hängen will, sondern die Arbeitsbedingungen.
In einem Personalmagazin hieß es neulich sehr treffend: „Man kündigt meistens nicht dem Unternehmen, sondern dem Vorgesetzten!“ Und das fällt eindeutig unter den Bereich Arbeitsbedingungen.

Das blöde an einer dringend nötigen, spezifischen Berufsvorbereitung ist allerdings, dass viele ADHSler gerade in der Zeit aufgrund der Reifungsverzögerung andere Flausen im Kopf haben und sich nicht richtig darauf einlassen können…

Ich würde es so formulieren:

…, die der Normalo irgendwann auch nicht mehr gestemmt bekommt.

Grundlegend ist aber auch vieles dazu gekommen wo es immer mehr um abwägen und entscheiden geht.

Es gab mal genau zwei Banken vor Ort und meist war man bei der wo die Eltern auch waren, aber im Angebot taten sich beide Banken kaum.
Und nun…!!!

Alleine wenn ich an mein erstes Telefon denke.
Da gab es genau eine Option: „Welche Farbe?“ und dann gab es halt, Ortsgespräche und Nah- und Ferngespräche und beide Seiten achteten mit auf die Zeit.
Das war mal so was von ADHS-freundlich :lol: :lol: :lol:

Heute ist es !!!
Welches Smartphone welche Betriebssytem und welcher Vertrag passt aktuell zu mir.
Dann muss man erstmal unter den vielen Anbietern einn finden und dann noch den richtigen Tarif.
Dann noch ans kündigen denken wenn man wechseln will
Dann Festnetz selbiges und dann welche „Fritz“-Box und welches Telefon.

Fernseher gab es einfach den, den man sich leisten konnte und drei Programme und nach Mitternacht kein Programm mehr
und nun ? welcher Fernseher, welcher Anbieter welcher Tarif, welche Plattform etc…pppp

Das ganze social Media

Ordnung am PC halten

Alles upDaten und einrichten

Da geht auch so unendlich viel Zeit bei drauf .

Mein Bruder hat mir z.b einen Wunschgutschein geschenkt. Bis das Ding online einzulösen war benötiget es drei Mails und zig Aktivierungen bis der Code endlich zu nutzen war :evil: :evil:

Also so viel mehr für jeden Menschen wo man was abwägen und entscheiden muss, wo man noch mehr Fristen beachten muss und zugleich immer mehr INput bekommt und Zeit für benötigt.

All diese Optionen sind besonders für uns Fluch und Segen zugleich und selbst beim es minimalistisch betreiben zu wollen, muss man ja trotzdem dafür alles abwägen.

Ich glaube wenn es in allem weniger Angebot gäbe und man nicht immer nach besseren Optionen sucht, dann würde es mir schon viel besser gehen !!!

Die Lösung: Minimalismus, weniger ist mehr, simplify your Life usw.

Aber woher sollen dann die ganzen Glückskekse kommen, wenn so viel wegfällt? :wink:


Ist das nicht genau das selbe? Ob das ‚auch‘ vor oder hinter dem Normalo steht macht doch keinen Unterschied… oder steh ich auf dem Schlauch?


Ähhm, Glückskeksfabrik…? :smiley:

@Addy_Haller
@Anders

Sorry, hatte das AUCH bei Addy komplett überlesen! :?

Ja , aber von dem mehr zu weniger gibt es immer noch so viel zu entscheiden :lol: :lol:

aber ich habe es über die Jahre mal mehr oder weniger geschafft , auch wenn immer wieder was dazukommt, merke ich an bestimmte Stellen wie gut ich schon ausgemistet habe.
Das tut dann einem ADHS-Hirn voll gut. Krass ist jedoch wenn mir z.B. was zu entrümpeln bevorsteht, habe ich immer noch diese Chaosdenke im Kopf.
Ich sehe nur den Berg Arbeit und drücke mich aus alter Gewöhnung und dann wenn ich endlich starte wunder ich mich das es längst nicht mehr so viel ist.

Bestes Beispiel:

Ich habe nur noch relativ wenig Geschirr in den Schränken, da ich sonst immer so ohne Spülmaschine zum Geschirrhochstapler mutierte.
Nun ragte ein Topfdeckel, der mein vermuteten Spülhaufen abdeckte schon mehrer Tage über das Spülbecken hinaus. :o :shock:
Als ich mich endlich motoivierte :mrgreen: , und den Deckel hochhob standen nur drei Teile im Waschbecken und der Deckel lag nur dadrauf :lol: :lol: :lol:

Ich wundere mich allgemein aber immer wieder, das mein gespüle nun viel schneller geht :lol:

Der Peak des Akademisierungswahn ist in der Tat überschritten und die Studierendenquote nimmt meines Wissens in den letzten Jahren wieder ab.

Zur Selbstverwirklichung über den Beruf:

  1. Beispiel: die 20-jährige Erstsemester-Studentin der Psychologie, Psychologie ist ein ziemlich brotloses Studium, aber eben interessant und bietet sich bekanntlich an, um sich darüber selbst zu therapieren.
  2. Beispiel: Biologie, Biochemie, Biomedizin, Molekulare Medizin und wie diese verheißungsvollen Euphemismen alle heißen, „Wir heilen den Krebs.“, es ist tatsächlich einer der wesentlichen Aspekte, weshalb so viele junge Menschen um die 20, die eigentlich von ihrer Gesamtkonstitution gar nicht für eine Tätigkeit in der Forschung geeignet sind, etwas in die Richtung studieren, obwohl alle diese Bereiche für das Gros dort entweder von gar keinem Job dort oder von prekärer Beschäftigtung gekennzeichnet sind.
  3. Beispiel: sämtliche Orchideen-Fächer wie Philosophie, Archäologie etc. , schon vor 30 Jahren wurde das Gros danach Taxifahrer oder Sekretärin, heute noch mehr, aber trotzdem studieren es nach wie vor recht viele.

Natürlich habe ich ein Problem damit, dass ich einen Beruf bzw. ein Studium ergriffen hab, der eigentlich nie zu mir passte hinsichtlich der Tätigkeit, die nach dem Studium kommt und ich gebe das auch offen zu. Ich hab mir mit 20 Jahren genau das eben einreden lassen bzw. hab es mir selbst eingeredet, dass ich unbedingt was studieren muss, wo der Stoff interessant ist und wo ich mich hinsichtlich der Thematik selbst verwirklichen kann.

Heute eben LKW Fahrer, das hat nichts mit Selbstverwirklichung zu tun, aber auch nichts mit Selbstzerstörung zu tun. Ich muss da nämlich rein gar nichts denken und null kognitiven Einsatz bringen. Ich fahre von A nach B, kenne die Routen, Abladen, Einladen, alles Routine, das mache ich mit Gehirn auf Sparflamme. Mein Gehirn fahre ich nach Feierabend hoch, für mein sich in der Menge konstant haltendes Gut an privaten Psychiatrie-Patienten (soll heißen, Leute aus dem Freundeskreis und Bekanntenkreis, die ständig mit ihren Problemen nicht zu anderen, sondern exakt zu mir kommen, anderen Menschen helfen psychisch, das gibt mir sehr wohl etwas, 20 Patienten auf Station in der Psychiatrie als professioneller Psychiater, der sich seine Patienten nicht aussuchen kann, das hingegen wäre dann wieder Selbstzerstörung und nicht Selbstverwirklichung), für Hobbies, für private Interessen wie dieses Forum z. B., für diverse Themen, die mich interessieren… Selbstverwirklichung nach Feierabend und im Arbeitsleben Minimalismus, nicht jedermanns Sache natürlich, aber ich wollte es nur mal ausführen…

und genau da ist der Unterschied, trotz das wir beide ADHS haben ! LKW fahren würde für mich den ausbrennenden Supergau auslösen und mich quasi selbst zerstören. Für mich wäre das ein hoch denkender kognitiver Einsatz der mich permanent überfordern würde und diese Routine höchstwahrscheinlich mich unterfordern oder ich würde so einiges verbaseln und müsste höchst kompensatorisch auf mich aufpassen. Ich wäre am Abend durch und platt für alles.

LKW fahren wäre trotz Medikation für mich garantiert nicht möglich , mir reicht schon normales Autofahren. Aber komm mir jetzt nicht damit , auch LKW kann man als ADHSler lernen :wink:

Aber ich müsste es ja letztendlich einfach mal testen, einen Job zu machen der so ähnlich wie bei dir, mit LKW fahren wirkt, wie das dann wohl wäre ???

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Ebenfalls gibt es dann noch den Minimalismus in materieller Hinsicht. Wer für sich als Lebensinhalt ansieht, schaffe, schaffe, Häusle baue (60er Jahre Reihenhaus-Idylle, meine Großeltern haben genau das gelebt und die waren bzw. sind passenderweise auch noch Schwaben. Meine Mutter und mein Onkel sind jedenfalls in dieser 60 er-Jahre-Reihenhaus-Idylle relativ sorglos aufgewachsen, obwohl meine Großeltern ganz hart dafür geschuftet haben.),ok, jeder so, wie er glücklich wird. Wer bei den Banken in der Frankfurter City Karriere machen will und dann zu protzen Mein Haus, mein SUV-Auto, meine Model-Trophy-Wife, mein Garten (mit Swimmingpool), wer das intrinsisch vollumfänglich so will, ok…

…die Frage ist halt, ob diese kapitalistischen, mittlerweile eher überholten Lebensentwürfe so das sind, was man als erfülltes Leben bezeichnen kann am Ende…

…was die materiellen Mittel angeht: zum Reisen brauch ich keine Kreuzfahrt für 6000 Euro zu zweit, Reisen erlebt man bekanntlich viel intensiver und für viel weniger Geld mit dem Rucksack… in den Hostels ist es viel billiger, aber man erlebt viel mehr, lernt Leute und hin und wieder Romanzen und Abenteuer (Madrid 2015, die Anarcho-Hostel ist für mich unvergessen) darunter kennen.

Es gibt für mich eigentlich nichts flacheres als nach Kuba zu fliegen und 2 Wochen All-inklusive den dekadenten, reichen Europäer dort zu geben. Wer es will so, ok, aber ich kann mit weniger materiellen Mitteln mehr erleben auf andere Weise.

Nächster Bereich: Finanzierung von Familie. Ja, das ist meiner Meinung ein Bereich, wo weniger Spielraum für Minimalismus ist als anderswo. Wer für sich Familie will (und rein statistisch sind Kinderlose glücklicher, haben die besseren Beziehungen, den besseren Sex, viel mehr Zeit für Freunde, Hobbies, Interessen und die freie Entfaltung der eigenen Talente, Neigungen und Interessen. Arterhaltung ist laut Evolutionsbiologen der stärkste Trieb des Menschen und steht oft entgegengesetzt zur Selbsterhaltung und ist in etwa vergleichbar mit den Lachsen, die sich den wilden Fluss stromaufwärts kämpfen und nach dem Laichen dann völlig erschöpft sterben oder mit dem Männchen, das von der Schwarzen Witwe nach der Paarung gefressen wird), da spielt das materielle eine stärkere Rolle als anderswo, aber…

@Overthesky
Auch wenn mir meine Tätigkeit als Personalreferentin sehr viel gibt, so brauche ich sie ganz sicher nicht zur Selbstverwirklichung.
Ganz ehrlich:
Würde ich morgen 10 Millionen im Lotto gewinnen, ich würde sofort kündigen und nie wieder arbeiten.
Ich kenne meine Schwächen und meine Stärken und habe so viele Interessen, dass ich mich gut ohne Job zu beschäftigen wüsste.

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