Musikalisch und Taktgefühl

Hey :slight_smile:
Ich glaube Taktgefühl hat mit ADHS eher nichts zu tun.
Das ist etwas was sich im Alter zwischen 3-10 Jahren entwickelt, aber später auch noch (allerdings oft mühsam) noch erlernen lässt.
„Musikalische Kinder“ haben idR Eltern die ihnen vorsingen, vorklatschen, mit ihnen auf dem Arm tanzen und die Musik im Alltag präsent haben. Einen kleinen Rest Veranlagung gibt es aber auch noch, auch wenn der weniger eine Rolle spielt als man immer so meint.

Was aber vielleicht mit ADHS zu tun hat, ist intuitive Musikwahrnehmung und leichter in Trance und Flow zu geraten.

Musik kann für ADHSler sehr stimulierend sein, ich denke dass diese „Anfälligkeit“ für die Wirkung von Musik, ähnlich wie bei Autisten, der Hauptgrund ist, warum es viele von uns in der Musikbranche ist.

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Niemals! :slight_smile:

Ein Bekannter, welcher E-Gitarre seit langer Zeit spielt, wollte mir nicht zutrauen dass ich den Song direkt am Anfang spielen kann. Konnte ihm dann nach einer Woche ganz stolz das Gegenteil beweisen. :smile:

Ein spannendes Thema. auf meiner Ärzte/Therapeuten-Odyssee habe ich immer wieder versucht den Menschen klarzumachen, dass ich meistens kein Gespür für Takt bzw. Musikwahrnehmung habe, aber an den wenigen Tagen und Stunden, wo ich aus irgendeinem Grund mental funktioniere, dann klappt das plötzlich mit Takt und „Musik hören macht Spaß und ist nicht nur Geräusch und Lärm“. Leider konnte mir noch nie jemand sagen, wie das neurotransmitter-technisch zusammenhängen könnte - das Thema Rhythmus, Takt und Musikwahrnehmung

Hier kommt noch ein Pro-Kunst-Beitrag.
Ich hab vor ca. 10 Jahren Paartanz gelernt. Läuft prima!
Und vor 7 Jahren bin ich in einen Opernchor eingetreten. Notenlesen habe ich nie gelernt.
Aber ich habe ein Gespür für meine Stimme, meinen Körper, die Melodien, Betonungen und all den Kram.
Texte merke ich mir superschnell und kann sie auch nach Jahren ohne Weiteres abrufen.
Das scheint echt meine Superpower zu sein und sie gibt mir so verdammt viel Kraft!!!
Nach einem halben Jahr im Chor bin ich schon mit aufgetreten in der UdK und nach einem 3/4 Jahr stand ich zum Neujahrskonzert in der Philharmonie. Mittlerweile singe ich die 9. Sinfonie von Beethoven auswendig und freue mir jedes Mal aufs Neue ein Loch ins Knie :smiling_face_with_three_hearts: weil ich doch etwas richtig gut kann und ein sehr verlässlicher Teil der Gruppe sein kann.

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Na aber hallo! Musik war das einzige Fach, in dem ich gute Noten „geschenkt“ bekommen habe. Damals noch auf dem Keyboard, mittlerweile bin ich aber auf die Mundharmonika umgestiegen, denn dafür braucht man keine doofen Noten :stuck_out_tongue:

Für Blues und Country Roads am Lagerfeuer reicht es. :fire:

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Eines meiner Lieblingsfilmzitate:
„Man hörte nur Musik! Doch dann merkte ich in all meiner Qual und trotz der Übelkeit, was das für Musik war, die da so dröhnte und toste: Es war Ludwig van… 9. Symphonie, 4. Satz!“ :heart: :heart: :heart:

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Hallo an alle! Musik ist der einzige Beruf der für mich in Frage kommt. Im besten Fall kann ich da im Flow sein und muss gar nicht denken. Als ADHSler kann man den Takt und alles Musikalische sehr gut fühlen. Nicht analytisch beim Spielen denken. Ich bin Profimusiker in einem Orchester. Das birgt zwar auch manchmal Probleme, wenn mich die Stücke langweilen, aber das sind Feinheiten. Dass ich dann minimal anders reagiere als die anderen. Das merkt vom Publikum niemand und von den Mitmusikern nur die allerfeinfühligsten… Ich habe aber auch über die Jahre viele Strategien erlernt, um meine Fähigkeiten im musikalischen Bereich unter allen Bedingungen abrufbar zu machen. Es lohnt sich!

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Als Jugendliche war ich in einer Selbsthilfegruppe für hochbegabte Schülerinnen. Da wurde meine Unfähigkeit langweilige Dinge zu erledigen auf die Unterforderung geschoben, das ist wohl bei hochbegabten Kindern sehr häufig so.
Die Frau, die die Gruppe leitete, erzählte von einem Jungen aus ihrer Praxis, der paradoxerweise über 6 Stunden den Übergang von einer Note am Klavier zur Nächsten übte. Immer nur zwei Töne. Und dabei wurde ihm nicht langweilig, weil er es so gern perfektionieren wollte.
Wenn da mal nicht sowas wie Hyperfokus am Werk war…

@MelaMela natürlich gibts ADHSler, die super musikalisch begabt sind! Viele berühmte Musiker haben ADHS. Allerdings können die meisten von denen kaum Noten lesen, kaum Instrumente lernen, sondern machen alles nach Gefühl und autodidaktisch. ADHSler haben ein unglaublich intensives und intuitives Gefühl für Stimmung, Rythmus, Musik allgemein.
Es gibt Musiker, denen Noten und der ganze Kram herzlich egal ist, die kein Instrument spielen und die dennoch sehr erfolgreich sind und feinsinnigere und schönere Musik machen als Nicht-ADHSler.

@MelaMela du schreibst, dass du es nicht umsetzen kannst. Mal anders gefragt: wenn du ein ergreifendes Lied hörst, kriegst du da nicht sofort tiefe Gänsehaut, Assoziationen, verlierst dich in den Bildern, die du vor deinem inneren Auge siehst und spürst den Rythmus und die Atmosphäre des Liedes so intensiv, dass du komplett in die Stimmung des Liedes kommst?
Denn das ist bei ADHSlern wohl oft so. Überwältigt werden von Sinneseindrücken wie Musik.

Eine Frage an alle: wie ist das bei euch mit Ritalin, Elvanse und Co.: geht dadurch diese intensive positive Reiz-Überflutung durch Musik und dieses Gefühl etwas verloren?

Das spricht mich an! Wenn ich etwas spiele, dann soll es auch genauso klingen, wie ich es im Kopf, oder ihm Ohr habe. Takt, Timing, Groove… Es macht mir ebenfalls absolut nichts aus einen Abschnitt 6 Stunden zu spielen und es fühlt sich trotzdem gut an…
Manchmal dachte ich mir, dass es sich hier auch um Selbststimulation handeln könnte, aber dafür bin ich zu sehr darauf fokussiert mir das gespielte „richtig“ einzuprägen.
Leider ist es auch oft frustrierend, denn Überzeit mit Kind und Job ist rar, es ginge so viel mehr… Aber für den Moment - Ein schönes Gefühl!

@anon43680050: Die Instrumente beherrschen viele ADHSler erschreckend gut,- wie du schon sagtest, vieles wurde,- Ausnahmen mitberücksichtigend - je nach Umfeld/ musikalischer Erziehung/ Motivation- autodidaktisch erlernt.

Ich finde das einen spannenden Punkt, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass die intuitiven Gefühle die du beschreibst auch kontraproduktiv sein können. Das habe ich bei mir festgestellt,… denn seine Emotionen sollten einen im Spiel nicht aus dem Takt hauen - und wenn man hieraus eine Motivation herleiten kann, dann klappt es auch sich mal mit Takt /Notenschrift/ etc. pp. auseinanderzusetzen… wird vielleicht dann sogar spannend und das Gehirn verknüpft sich dann sein „Gerüst“… ich rede um den heißen Brei herum… ich meine, dass ADHSler lernen, aber eben anders, vielleicht sogar ein bisschen andersrum, dazu hab ich aber nun wirklich kein Bild parat… - vielleicht nach dem Motto: Lernen nach Irrtum. Nach Noten zu spielen funktioniert für mir nicht, weil ich in meinem Gehirn meine eigenen Verknüpfungen gebaut habe, die ich schlecht vermitteln kann. Trotzdem habe ich gelernt, mich in der „Sprache“ der Musik zu verständigen… ganz banal und das bleibt dann auch „Berufsmusikern“ nicht ganz erspart - Wenn ich mit anderen Menschen Musik mache, dann macht es Sinn wenn man sich vorher auf etwas einigt… hach, dabei lernt man dann ja auch wieder… Ich denke du beziehst dich hier etwas auf die Kreativität, auf das „Spielen“, auf das „Ausprobieren“ und neugierig sein…

Hmmm, gute Frage. Ich glaube wir erleben das „Musikhören“ ähnlich… grade bei dem Assoziativem Part den du beschrieben hast. Also wenn ich im Auto zum Beispiel die Musik aufreiße oder zu Hause beim Putzen, dann ja, wobei ich das ganz angenehm finde, denn ich finde es ganz gut, wenn sich dabei in meinem Kopf und in meiner Gefühlswelt kein Strudel nach oben, unten links oder rechts entwickelt.
Wenn ich mich aber bewusst hinsetzte, mit fetten Kopfhörern und geschlossenen Augen, dann kann ich mich trotzdem nach wie vor mitreißen lassen. Aber das ist dann eine Entscheidung.

Die Medikamentation hat meinen musikalischen Prozess doch maßgeblich ins positive beeinflusst, da ich immer noch viel, aber doch Ergebnisorientierter am „Besserwerden“ arbeite.
Dass ich bisher aber noch immer nichts „geschaffen“ habe, liegt dann eher an meinem niedrigen Selbstwert und meiner Angst vor allem und jedem! g

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Ich habe mir schon grundlegende Musiktheorie beigebracht :sweat_smile:
Eben halt auch Autodidaktisch! Das hat besser funktioniert als mit Musiklehrer. Und da ich partout zu stur war ein Plektrum zu nutzen, habe ich coole 6-Saiten Fingerstyle patterns gelernt. Die Musiktheorie ist nur Mittel zum Zweck, damit ich meine Songs auch aufschreiben kann. Ich trag natürlich keine Noten in Linienpapier ein, aber wenn ich einen Offenen Cadd9/G oder Dm9,11 habe, möchte ich mir das merken.
Ich liebe Improvisation, aber ich will auch replizierbare Passagen haben! Ich trag mir die Akkorde halt über den Text
ein und bei komplexen Intros mit Zupfmuster schreib ich einen kleinen Tab. Die solo-Passagen sind improvisiert und ich habe eh so viele Akkorde im Song, dass ich auf die Tonart scheißen kann. Die Oktatonik ist eine Empfehlenswerte Skala, weil sie symmetrisch ist und einen gewissen Orientalen spice verleihen kann :joy::sweat_smile:
Ich mag eine gewisse Komplexität in meinen Songs, nicht um ihrer selbst willen, doch ich will was interessantes spielen und nicht nur meine Stimme mit den gleichen 4 Schrammelakkorden begleiten :joy::guitar::grin:

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Ich habe vor 2 Jahren oder so - als ich mein Kind in der Musikschule angemeldet habe mal Just for Fun eine Probestunde bei einer Gitarrenlehrerin gemacht. Die Dame war etwas überfordert mit mir… g
Da hab ich mal wieder gemerkt, wie anders mein Gehirn denkt.

Wie machst du das mit dem Texte Schreiben?

Same here, wobei ich inzwischen doch hier und da eins nutzen möchte, weil ich doch schon ziemlich auf Schrammelzeug stehe (was auch ohne Plek geht…aaaaber…)!
https://www.youtube.com/watch?v=_icXIe0jLesv Minute 3:35 Uhr

@Neinhorn Wie ich das mache mit dem Texteschreiben?
Ich denke ohnehin schon in Reimen und Bildern :joy:
Ich verarbeite viele alltägliche Sachen in Versform.
Das kommt mir relativ natürlich. Bei einigen Erzeugnissen denk ich mir dann das würde sich sicher als Songtext eignen und dann probier ich Melodien/Akkorde dazu aus.

clockwork orange

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Joe Bonamassa, der als der beste Guitarrist weltweit gilt, hat sich öffentlich zu seiner ADHS-Diagnose bekannt… und ob man ohne „Hyperfokus“ so inbrünstig mit der Guitarre umgehen kann wie Jimi Hendrix, daran hab ich Zweifel…

Definitiv geht nichts an Gefühlen verloren. Reizüberflutung ja, Gefühle nein. Ich weiß ja nicht, bei was für Dosierungen ihr angekommen seid, aber bei meinen schwachen Dosierungen kommen starke Emotionen immer durch. Ich bin seit einigen Jahren festangestellter Profimusiker in einem 80köpfigen Orchester. Vor der Dosierung hatte ich schon Probleme mit der Reizüberflutung, wenn mich ein Stück mal emotional nicht so mitgerissen hat, was passieren kann. Mit Medikation kann ich mehr einzelne Stimmen hören und mich vor allen Dingen viel besser einfügen. Ohne Medikation bin ich immer am Analysieren aller Mitspieler, wie sie empfinden und reagieren und versuche sie perfekt nachzuahmen. Das strengt unglaublich an. Ich merke auch bei jedem Musiker, der bei uns in einer Probezeit ist, ob er minimal neurodivers ist (depressiv, ADHS etc.), da die betreffenden Musiker dann immer minimal anders reagieren. Sie bestehen dann eigentlich nie die Probezeit. Was nicht an mir liegt! Ich kann es bei mir jetzt sozusagen vertuschen. Wenn man seine eigene Musik macht bzw. selbst den Takt angibt, ist es auch ohne Medikation möglich, die „Normalen“ verstehen dann aber oft nicht genau die Einsätze. Es ist so: normale bekommen einen Impuls, verarbeiten den ein paar Hundertstelsekunden und spielen. Bei ADHSlern ist es so: der Impuls kommt, und man reagiert sofort, ohne Bedenkzeit. Dann ist man zu früh. Oder man wartet, wie die normalen reagieren, dann ist man einige Hundertstelsekunden zu spät. Es geht wirklich um ein paar Hundertstel einer Sekunde, habe das mit der Stoppuhr ausprobiert.
Wenn man Musik spielt, die man liebt, die einfach organisch fließt, muss man natürlich gar nicht nachdenken , dann hat man durchaus Vorteile gegenüber denen, die jedes Gefühl in der Musik nur durch Nachdenken und Planen darstellen können.

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Ich hatte damals in der Grundschule damals auch Blockflöten Unterricht gehabt und war unter den Top 3 Besten Spieler. Danach hatte ich die Musik leider nicht weiter verfolgt außer mit dem Singen! Ob ich es kann, keine Ahnung aber es macht mir Spaß. Jetzt vor kurzem habe ich mich wieder in einer Musikschule angemeldet um Ukulele zu lernen. Das fördert meine Kreativität sehr und es macht mir wirklich Spaß !
Auch seitdem ich klein bin tanze ich ! Ich LIEBE es zu tanzen !
Also würde ich definitiv sagen, dass ADHS-ler_innen musikalisch und tänzerisch begabt sein können :blush:

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