Nachteilsausgleich - übers Ziel hinaus?

Hallo zusammen,

der Sohn (10J, 4. Klasse) meiner Partnerin hat mittlerweile eine ADHS-Diagnose (mein eigener Sohn ist noch „Grenzfall“, um den geht es noch nicht.) Sie hat in der Schule Nachteilsausgleich angemeldet - und die Schule hat ziemlich schnell reagiert, was natürlich an sich super ist.

Ich frage mich allerdings, ob die Klassenlehrerin etwas übers Ziel hinausgeschossen ist, denn sie sagte, der Nachteilsausgleich wäre, dass er nun gar keine Hausaufgaben mehr machen müsse, wenn er nicht wolle / könne. Er hat einen IQ (und Sprachbegabung), der ihn durchaus auch fürs Gymnasium qualifizieren würde, aber ich frage mich, ob diese Null-Aufgaben-Regelung (die er dankend annimmt, er macht nachmittags nix mehr) ihn nicht zielgenau aufs Abstellgleis führt, insbesondere wenn es um wiederholungsbedürftige Inhalte wie Vokabeln, Orthographie etc. geht…

Wie sind Eure Erfahrungen? Wie wird bei Euch Nachteilsausgleich & Hausaufgaben gehandhabt?

Viele Grüße
T

Hallo,

es wäre zunächst mal hilfreich zu wissen, wo genau die Schwierigkeiten in der Schule bestehen. Darauf sollte der Nachteilsausgleich zugeschnitten sein. Die Ausgleiche sind ja sehr vielfältig ausgestaltbar.

Wenn sie die Anfertigung der Hausaufgaben als optional gewährt, spielt sie euch ja den Ball zu - also ihr müsst dann je nach Tagesform entscheiden, ob HA sinnvoll sind oder nichts bringen. Das wäre eine gute Möglichkeit, wenn Hausaufgaben zu Hause das Hauptproblem darstellen.

Worin liegen die Schwierigkeiten denn genau?

Viele Grüße

Hallo,

die Schwierigkeiten sind tatsächlich in erster Linie ein generalisierter „Schulstress“ - abends sehr hartnäckige Muskelverspannung wie bei jemandem ü40, Bauchschmerzen und zuletzt massiver Streit jeden morgen vor der Schule bis hin zur Schulverweigerung. Noten wären gar nicht so das zentrale Problem, die pendeln zwischen 2 und 4… insofern war die neue Hausaufgabenregelung immerhin ein Fortschritt, da man ihn jetzt wieder problemloser in die Schule bekommt…

Viele Grüße
T

Naja, im Prinzip scheint es euch ja dann auch weiterzuhelfen. Solange er mitkommt, wenn er die Hausaufgaben nicht macht (die haben ja auch den Effekt das Gelernte zu verfestigen), würde ich die Lösung annehmen und die Hausaufgaben weglassen.

Ich wollte eher darauf hinaus: Was genau gibt es für Schwierigkeiten IN der Schule? Es muss ja irgendwo herkommen, dass er nach Schulschluss und auch abends so angespannt ist.

Mein Sohn ist 11 und ebenfalls mit ADS auf dem Gynasium in der 6. Klasse. Wir haben bisher keinen Nachteilsausgleich beantragt. Bisher ging es so und mir persönlich ist es lieber er kommt mit etwas schlchteren Noten durch als mit besseren durch Nachteilsausgleich. Das soll nicht abwertend klingen, meine Tochter hatte einen Nachteilsausgleich wegen LRS. Das muss ganz klar von Fall zu Fall entschieden werden.
Ich wollte eigentlich schreiben, wie wir mit den Hausaufgaben und dem Lernen umgehen. Mein Sohn hasst es wann er die Dinge nicht überblicken kann. In der Schule ist ja ganz klar, wann er fertig ist und nach Hause kann, zu Hause ist das nicht ganz so. Daher klären wir immer vorher was heute ansteht und genau das macht er dann auch. Wenn es zum Beispiel zu viel ist in einem Fach, legn wir eine Zeit fest nach der er aufhört, Vokabeln werden maxiamel 10-12 am Tag gelernt. Seit wir das so machen und in Kauf nehmen, dass ne 4 im Vokabeltest auch okay ist, ist vieles entspannter. Natürlich gibt es auch Tage an denen es stessig wird, weil doch irgendwas dazwischen oder zusaätzlich kommt. Aber im Großen und Ganzen funktioniert das ganz gut. Wann Voakbeln oder für Arbeiten gelert wird, legen wir sogar schon Sonntags für die kommende Woche fest. Wir reden darüber was nötig ist, und er entscheidet wann er das machen kann/will. Ach und noch eins: Manche Dinge mache ich hin und wieder einfach für ihn wenn es dem nervlichen Gleichgewicht aller Beteiligten dient und nichts ist weswegen er den Anschluss im Unterricht verpaßt (ausschneiden, anmalen, etc ). Ich glaube man muss den Maßstab anders legen, in seiner eigenen Handlungsweise flexibel bleiben und vor allem nicht hinhören wenn die anderen Eltern erzählen wie toll dies oder jenes das eigene Kind schon alles alleine macht. Und manche Dinge muss man halt auch einfach akzeptieren: Rechtschreibung wird vielleicht immer ein Problem sein, das kommuniziere ich ganz offen mit ihm (Rechtscheibung ist nicht dein Ding, gib dier aber trotzdem Mühe, Mathe kannst du dafür total gut!). Ich schimpfe nicht wenn er ne 5 im Diktat hat, aber ich schimpfe wenn es in Mathe die Nebenrechnung nicht aufgeschrieben hat. Ich versuche also immer im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterstützen aber auch zu kritisieren. Außerdem lasse ich ihn mehr und mehr einfach machen und überlasse ihm die Entscheidung wieviel ich helfe. Ich frage zB. oft bei den Hausaufgaben ob ich es mir ansehen soll oder er so klar kam. Meistens soll ich es mir natürlich nciht mehr ansehen und das mache ich dann auch nicht… wohl wissend dass ich bestimmt einige Fehler finden würde)
Klingt alles schön und einfach… ist es nicht, ab und zu flippe ich natürlich trotzdem aus. Aber im Großen und Ganzen gibt es diese Regeln und Absprachen und das hilft auch mir mich dran zu halten und eben nicht zu sagen: komm, nun mach doch noch mal schnell dieses dier jenes, du hast doch noch Zeit.
Viele ADS-Kinder brauchen einfach länger Unterstützung. Aber ich kann zuminest aus meiner Erfahrung jetzt schon sagen: Es wird besser, halt langsam aber es wird. Und ich glaube dafür ist es wichtig, dass das Kind selbst lernt wie es an Dinge herangeht ohne dabei gestresst oder gar krank zu werden.

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Das ist eine gute Frage. Es ist schwer aus ihm herauszubekommen, ob es das Sitzen, das Abgelenkt-sein durch andere, Kommentare der Lehrer… sind. Er hat die Symptomatik auch schon länger und es gibt durchaus auch Ansätze zu einer, wie soll ich sagen, „oppositionellen Komorbidität“, soll heißen, im Grunde stresst / nervt es ihn, sich irgendwo aufzuhalten, wo es nicht um Fußball oder Fernsehen geht… daher läuft auch die MPH-Eindosierung, um hier etwas gegenzusteuern…

Danke für Deinen ausführlichen Bericht! Ja, der Übergang in die weiterführende Schule wird sicher noch mal ein Brett. Zumal es hier in unserer Region einige Gymnasien gibt, die die 5. und 6. absichtlich mit Inhalt und Stunden vollpacken, um jenseits der Lehrerempfehlung aus der Grundschule noch mal „auszusortieren“… man muss es erst mal sacken lassen, dass das Hausaufgabenmanagement einfach sehr stark die Eltern in Anspruch nimmt, für mich (Generation X und vollkommen vernachlässigt von den Eltern) ein krasser Kontrast zur eigenen Kindheit.