ich lese nun seit einiger Zeit stumm hier mit und konnte bereits sehr viel mitnehmen - Danke dafür!
Nun treibt mich gerade ein Thema/eine Frage um, zu der ich bisher nicht so wirklich etwas in den anderen Beiträgen / über die Suchfunktion finden konnte (korrigiert mich gerne, falls ich etwas übersehen habe).
Bevor ich zu meiner Frage komme, ein paar Vorabinfos: Ich bin weiblich, 40 Jahre alt und habe die Diagnose erst seit Februar. Davor bzw. aktuell bin ich seit meiner Jugend immer wieder wegen rezidivierender depressiven Episoden in psychologischer Behandlung (nicht-medikamentös). Aktuell versuche ich, neben meinem Teilzeit-Job noch meine Masterarbeit zu schreiben. Sowohl im Job als auch was das Studium angeht, spüre ich die deutlichsten Einschränkungen.
Nun werde ich seit der Diagnose auf Medikinet Adult eingestellt und bin aktuell bei einer Dosis von 30-20-0 angekommen (ich soll laut meiner Psychiaterin eigenständig mit der Dosierung „experimentieren“ bis max. 60 mg Tagesdosis).
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten / Unsicherheiten fühle ich mich insgesamt ok damit bzw. bemerke durchaus auch positive Veränderungen - auch wenn die teilweise sehr subtil sind (aber soweit ich hier erfahren konnte, wird das im Zusammenhang mit Medikinet häufiger berichtet).
Allerdings gibt es auch ein paar Beobachtungen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob das Zeichen für eine gewünschte Wirkung, eine Überdosierung oder einfach nur Nebenwirkungen sind.
Ich nehme Reize, z.B. lauter Geräuschpegel sehr viel bewusster wahr - vor allem an meinem Arbeitsplatz. Sitze in einem Dreier-Büro, in dem viel geredet/telefoniert wird und habe den Eindruck, dass ich das weniger ausblenden kann, als vorher. Was teilweise dazu führt, dass ich gereizter reagiere als ich es gewohnt bin.
In sozialen Interaktionen reagiere ich sehr viel spontaner und ehrlicher, wenn mich z.B. etwas irritiert. Ich würde mich nicht als sehr impulsiv beschreiben bzw. glaube, dass ich das eher zu gut und automatisiert unterdrücke. Nun gab es schon mehrmals Situationen, in denen ich einfach direkt gesagt habe, was ich denke. In den bisherigen Situationen war meine Reaktion zwar nicht unangemessen, aber ehrlich gesagt habe ich Angst, dass es dazu kommen könnte. Und ich bin unsicher, ob das eher als Symptomverstärkung gesehen werden könnte?
In Bezug auf meine Arbeit/meine Masterarbeit fällt mir auf, dass ich einerseits durchaus eine Verbesserung des Fokus. Bei der Masterarbeit fällt es mir z.B. etwas leichter, die Arbeitsfenster dafür einzuhalten und dran zu blieben. Leider bin ich dabei nicht sehr effektiv - mir passiert es immer wieder, dass ich den ganzen Tag an einem Mini-Absatz arbeite und mich einfach nicht davon losreißen kann. Oder dass ich mich auf der Arbeit viel länger als notwendig mit einzelnen Aufgaben beschäftige, als notwendig und pragmatisch wäre.
Bisher habe ich das vor allem unter Perfektionismus verbucht, aber inzwischen glaube ich, dass es so etwas wie Hyperfokus ist, aber eben mit nem negativen Geschmäckle. Ich versuche diese Fixierung bewusst zu unterbrechen, indem ich mir zur Selbstkontrolle Timer stelle, aber das klappt nicht so gut.
Nun frage ich mich, ob das eher für eine Überdosierung sprechen kann? Ich meine gelesen zu haben, dass sich das u.a. durch zwanghaftes Verhalten äußern kann? Bzw. ist das eigentlich so ein typisches Arbeitsverhalten, dass ich eh von mir kenne und
Mir ist natürlich klar, dass gerade die Unterscheidung zwischen gewünschte Wirkung, einer Überdosierung und Nebenwirkungen zu den typischen Herausforderungen bei der Eindosierung gehören.
Nichtsdestotrotz würde es mich sehr über Rückmeldungen freuen, falls ihr ähnlich Erfahrungen gemacht hat und das im Nachhinein einschätzt.
In diesem Sinne freue ich, von euch zu lesen und auf den Austausch!
Das berichtet mein Kind (15) auch. Es sagt, es habe jetzt viel geordnetere Gedanken und es würde sich sinnvoll anfühlen, diese dann auch auszusprechen. Vorher hat es sich in Gesprächen eher versteckt, außer man hat sehr viel Geduld signalisiert.
Soetwas stört mich auf Dauer sehr. Ich kann mir vorstellen, dass es eine Nebenwirkung einer Überdosierung ist. Für mich persönlich war sowas der Grund weniger zu nehmen, auch wenn ich gar nicht zuordnen konnte, ob das wirklich schon eine Überdosierung war.
Ich hab das Gefühl, dass ich mit MPH endlich überhaupt ein bisschen etwas ausblenden kann. Einige Menschen in der Bahn und so, was sonst voll da war und Energie gefressen hat.
Danke, dass du die Erfahrung deines Kindes teilst. Grundsätzlich geht es mir in den meisten Fällen ähnlich und ich finde den Effekt gut. Es gab nur zwei Situationen, die ein gewisses Konfliktpotential hatten, und in denen es sich im Nachgang angefühlt hat, als hätte ich keine Kontrolle über meine Reaktion, weil sie eben so schnell kam in beiden Fällen war es genau richtig und gut so. Gleichzeitig kam dann eben die Angst, dass das auch in Situationen passieren könnte, in denen das eher unangemessen sein könnte.
Vielen Dank für deine Einschätzung, ich werde das weiter beobachten. Tatsächlich ist das bei mir nicht durchgängig, was vielleicht auch mit Wirkschwankungen erklärt werden könnte. Ich hab noch nicht ganz raus, wann die Wirkung nachlässt bzw. Die zweite Dosis rechtzeitig einzunehmen.
Bei niedrigeren Dosen hatte ich das Problem, dass ich extrem müde wurde - was jeweils immer mit einer Dosissteigerung besser wurde. Aber vielleicht sollte ich doch nochmal probieren, die Dosierung zu senken.
also das, was du berichtest, dass du dich in Gesprächen etwas ungehemmter fühlst und sagst, was dir durch den Kopf geht, das habe ich bei mir tatsächlich auch gemerkt.
Es ist für mich aber irgendwie zwiegespalten. Ich galt schon seit früher Kindheit als schüchtern und zurückhaltend. In der Schulzeit litt ich an einer Sozialphobie. Ich hab mich in sozialen Interaktionen früher (heute nicht mehr ganz so schlimm) oft ‚nicht auf der Höhe‘ gefühlt. Je angestrengter ich in sozialen Interaktionen war, umso schwerer fiel es mir klare Gedanken zu fassen und sie stringent auszusprechen.
Insofern hat diese ‚Nebenwirkung‘ (oder vielleicht auch Wirkung) sogar etwas Positives. Ich mach mir weniger Gedanken um das, was ich sage. Ich bin ungezwungener und spontaner im Kontakt, kann besser folgen und passender antworten. Gleichzeitig hab ich ähnliche Sorgen, dass ich jetzt einfach alles ungefiltert raushaue und es mir nachher um die Ohren fliegt.
Interessanterweise habe ich aber auch festgestellt, dass ich dennoch, durch die gedankliche Klarheit, durchaus entscheiden kann, ob ich etwas mitteile oder nicht. Mir erscheinen meine Gedanken aber jedenfalls weniger ‚frivol‘ oder ‚unangebracht‘ als vor Beginn der Einnahme, weshalb ich sie dann einfach mitteile.
Ich Denke, dass die Zurückhaltung von Äußerungen ein Schutz vor Zurückweisung ist, weil wir des öfteren diese Zurückweisung aufgrund von Äußerungen in der Vergangenheit erfahren haben (Sachen schnell persönlich nehmen und an uns zweifeln ist ja eine Stärke von uns hehe). Dementsprechend, so ist es bei mir, halt ich mich eher mehr zurück, als mich verletzlich bzw. „An greifbar“ aufgrund von Äußerungen zu machen, die der andere nicht versteht (weil die Komplexität und die Kreativität für den Witz oder ähnliches fehlt und nicht nachvollziehbar ist).
Ich glaube, das dieses Kaputtdenken und der Schutz durch die Medikation gelockert wird und man dadurch befreiter ist.
Die Angst, dadurch etwas zu äußern, was einem dann um die Ohren fliegt, ist meiner Meinung der Part, der sich noch versucht (aus alten Gewohnheiten) vor Abwertung, Ablehnung und Spott zu schützen.
Ähnlich wie das zerdenken, des letzten Abends unter angenehmen Alkoholeinfluss bei einer Party, wo man mal etwas befreiter und unkontrolliert agiert hat (ohne negativ aufzufallen/sich zu verhalten !). Diese Skepsis, sich unangebracht und nicht so kontrolliert/geschützt verhalten zu haben, obwohl nichts den Anschein erweckt, dass man es getan hat.
Bei Reizüberflutung stecke ich meine Ohrstöpsel in die Ohren. Ist es immer noch zu intensiv, lasse ich Musik laufen. Deinen Kollegen im Büro kannst du die Situation erklären. Damit sie nicht das Gefühl haben es gehe gegen sie. Im ÖV oder auf der Strasse kannst du gleich vorgehen. Dort musst du dich auch niemandem erklären.
Bei einer Überdosierung kannst du davon ausgehen, dass sich u.a. die ADHS Symptomatik intensiviert.
In meinem Fall war das bei Elvanse bspw. deutlich stärkere innere Unruhe, Sprechdurchfall, Gedanken rasen…
Bei Medikinet (hatte ich vor Elvanse und absolut gar nicht vertragen) war das damals (mit 40 oder 50mg Einzeldosis) Panikattacke, Herzrasen usw.
Ging halt gar nicht (vom totalen Appetitverlust inkl. der Unfähigkeit überhaupt irgendetwas zu essen ganz zu schweigen).
Bin ebenfalls, seit ich BTM nehme, deutlich Reizoffener.
Sprich, die Medis helfen mir nicht beim Abschirmen, wie es immer wieder berichtet wird.
Nehme jedes Geräusch, jede Unterhaltung, jedes Sirren von Lampen / Rechnern / Netzteilen (ist besonders nachts unlustig, wenn das Handy am Bett aufläd und das Netzteil (bzw. die Kondensatoren da drin) dann irgendwann anfängt leise Geräusche zu machen) usw. wahr.
Mittlerweile steht noch zusätzlich der Verdacht auf Autismus im Raum.
Tritt ja beides gerne gemeinsam auf