Neues AMP Präparat von Shire in den USA - Mydayis (16 Std. Wirkdauer) - Zulassung Europa?

Hallo liebes Forum,

zur Behandlung von ADHS über den ganzen Tag gibts in DE aktuell ja nur Elvanse (bis zu 14 Stunden Wirkdauer, bei mir und einigen anderen deutlich kürzer, eher um und bei 7 Stunden).

In den USA gibts nun ein neues Medikament von Takeda (gleicher Hersteller wie Elvanse/Intuniv) - das heißt Mydayis - und ist ein dreifach retardiertes AMP Präparat, was 16 Stunden wirken soll. Nun gibts in den USA ja auch Adderall XR - das ist in DE wiederum nicht zugelassen (UK aber schon).

Weiß irgendwer hier, ob dieses Mydayis in Europa grundsätzlich keine Chance hat? Bzw. ob es hier vielleicht schon Anträge o.ä. gibt, es einzuführen?

Aus meiner Sicht wären 16 Stunden ein absoluter Traum. Außerdem kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass Antrieb/Prokrastinationsverhalten bei Adderall auch schon deutlich besser waren, als bei Elvanse oder auch Attentin.

Ich weiß, dass der O Ton oft ist „Adderall hat auch L AMP und das bringt doch gar nix“ - ich frage mich aber - warum ist es dann so ein erfolgreichens Med in den USA? In Europa wird ja wohl eher MPH verschrieben - gleichzeitig gibts Off Label dann aber auch DL-AMP / Racemat.

Das passt in meinem Kopf so alles nicht zusammen. Und ich für meinen Teil hätte schon Interesse an einer funktionierenden „morgens einnehmen und gut ist“ Lösung.

Das Thema Suchtpotential bei L-AMP Anteilen … überzeugt mich auch nicht so richtig. Denn mit Medikation soll doch das Suchtrisiko deutlich geringer sein - als ohne.

Gibts Pharma-Experten, die da eine Ahnung von haben? Was da wie zusammenhängt - oder ob eine Zulassung von Mydayis durch Takeda in Europa in Planung ist?

LG schlnk

3 „Gefällt mir“

Zu Maydayis weiß ich nichts.

Levoamphetamin wirkt etwas stärker noradrenerg als Dextroamphetamin:

Weißt du, was der Grund dafür ist, dass man in Deutschland auf reines D-AMP setzt?
Die Amerikaner werden doch nicht völlig grundlos eine Mischung bevorzugt verschreiben…

Wir haben den Gemeinsamen Bundesausschuss. Das ist ein politisches Gremium, das über das Rechtsmittel der (Zusatz)Nutzenbewertung Krankenkassenkosten begrenzen soll.

https://www.g-ba.de/themen/arzneimittel/arzneimittel-richtlinie-anlagen/nutzenbewertung-35a/

Die haben ein recht eigenwilliges Verständnis davon, was ein Zusatznutzen ist. Es wäre an der Zeit, wenn diesem Laden mal die rechtlichen Grenzen aufgezeigt werden.
Das Erfordernis des Zusatznutzens gegenüber bestehenden Medikamenten wird dort so ausgelegt, dass ALLE Betroffene eines Störungsbildes, für das das Medikament ist, einen Vorteil haben müssten. Ich bezweifle, dass das rechtlich ok ist.
Stell dir einfach vor, es gäbe nur ein einziges MPH-Retard-Präparat. Alle weiteren braucht es nicht, weil sie ja keinen Vorteil haben. Dass manche Betroffene auf das eine MPH-Präparat gut ansprechen und auf das andere schlecht, interessiert da nicht. Und dass jemand, der das eine nimmt, nicht gleichzeitig auch noch das andere nimmt, interessiert auch nicht.
Und jetzt schau mal, wie viele ADHS-Medikamente es in den USA gibt und wie viele in Deutschland. Jeder, der sich mit ADHS auskennt, weiß, dass eine größere Auswahl an Präparaten dazu führt, dass Betroffene eher das für sie optimale Präparat finden.

Der GBA missbraucht in meinen Augen seine Stellung zu Lasten der Betroffenen, indem der Zusatznutzen rechtlich so ausgelegt wird, dass die Krankenkassen möglichst wenig bezahlen müssen.
Im Ergebnis führt das zu einer Körperverletzung bei Betroffenen, weil einzelne Betroffene aus rein finanziellen Interessen nicht das für sie optimale Medikament erhalten. Und so dumm, dass sie das nicht wüssten, sind weder der Gesetzgeber, noch der GBA, noch die Krankenkassen.

Hier die Kriterien von Zusatznutzen laut GBA: Ergebnisse der Nutzenbewertung – Kategorien des Zusatznutzens - Gemeinsamer Bundesausschuss

Hier die Methoden, die dabei angewendet weden: https://www.iqwig.de/methoden/allgemeine-methoden_entwurf-fuer-version-7.pdf

Man muss allerdings dazu sagen, dass die Pharmahersteller die Nutzenstudien machen und einreichen müssen. Ein Pharmahersteller, der ein weiteres ADHS-Präparat anbietet, müsste als für einen Zusatznutzen darlegen, dass eine bestimmte Teilgruppe der Betroffenen mit diesem Präparat besser klarkommt als mit den bestehenden ADHS-Präparaten. Dass das so ist, reicht nicht, es muss nachgewiesen werden. Solche Studien sind mir bislang nicht bekannt. Da solche Studien zig Millionen Euro kosten, rechnet sich das oft auch nicht.

Das alles zusammen erklärt, warum Medikamente so unfassbar teuer sind.

5 „Gefällt mir“

Danke für die ausführliche Antwort, lieber @UlBre!
Das hilft mir rein vom Verständnis schon mal viel weiter.

Laut dieses Prozesses müssten alle Medikamente, die vor dem G-BA bewertet werden (also die, wo ein Hersteller ein Dossier schon mal eingereicht hat) - Verfahrensablauf G-BA - auch schon veröffentlicht werden. Zu Adderall bzw. Mydayis hab ich da gar nichts gefunden. Ggfs. hat Takeda/ehem. Shire einfach noch kein Dossier eingereicht?

Dazu passt eine Stellungnahme von Takeda bzgl. Mydayis - wo sie 2017 gesagt haben, dass eine Zulassung außerhalb der USA derzeit nicht in Planung ist: da der Markt in Europa oder Japan u.a. aufgrund der Anerkennung von AMP als Medikament für ADHS derzeit noch nicht „bereit“ sei (finde den Link grad auf die Schnelle leider nicht wieder). Man setze daher erstmal auf die Medikamente, die in den USA schon länger etabliert seien (Intuniv, Elvanse).

Das würde ja dazu passen, dass du meintest, sie sehen da vielleicht schlichtweg nicht die Möglichkeit, mit der Zulassung genug Geld zu verdienen, als dass sich die Aufnahme des Verfahrens für sie lohnte.

Mich nervt dieser Geldpoker. ._. Wenns gut ist, sollte man es einfach zulassen. Ist vielleicht eine etwas naive Sicht auf die Dinge…

Danke @UlBre für die details! Verstehe ich das richtig, dass sich das alles erstmal auf die Kassenzulassung bezieht und nicht auf die Zulassung als arzneimittel an sich? In dem Sinne: Wie sieht das mit Privatrezept aus? Ist zwar keine dauerlösung (wenn man nicht privat versichert ist) aber so könnte man für sich wenigstens den Mehrwert austarieren…

@schlnk Was meinst du mit höherem Suchtpotential bei Levoamphetamin? Davon hatte ich bisher noch nichts gehört. Ausser dass es weniger wirksam sein soll als Dextroamphetamin:

Medizinisch wird oft reines D-Amphetamin verwendet, da dieses stärker wirksam ist als L-Amphetamin. [Wiki]

Privatrezept wird dir auch nicht helfen… da die Zulassung in der EU bzw. in Deutschland nicht vorhanden ist.
Das heißt, Beschaffung geht nur über den Ausnahmeprozess zum Import von Medikamenten außerhalb EU, dieser läuft über das Bfarm - und wird nur dann bewilligt, wenns wirklich gar nichts anderes gibt, was helfen könnte.

Da musst du erstmal glaubhaft verargumentieren, dass weder alle MPH-Präparate, als auch Elvanse, Attentin und DL-Amphetaminsaft(bzw. -kapseln) alle nicht helfen, das zu importierende aber schon…

Und du brauchst einen Arzt, der sich diesen Prozess mit dir gemeinsam geben möchte. :smiley: Also de facto „unmöglich“.

Die Frage ist halt wie man wirksam versteht. D-AMP ist wohl eher psychotrop wirkend, L-AMP eher körperlich (aber die körperlichen Befindlichkeiten wirken sich doch ebenfalls aus…). In DE argumentiert man mit Elvanse und Attentin, dass L-AMP a) keinen Mehrwert bringt und b) aufgrund körperlicher Wirkung stärker suchtfördernd ist. Ich zweifle an diesen Argumenten aufgrund meiner persönlichen Erfahrung:

Ich habe schon mal Adderall XR genommen. und fand es angenehmer und auch „besser“ als Elvanse oder Attentin. Letztere machen mich ein bisschen zu „ruhig“ also nehmen Lebhaftigkeit raus. Das hatte ich konkret bei Adderall nicht - ich konnte mich konzentrieren und hatte Lust, Dinge anzugehen - war ansonsten aber mein etwas hyperaktives und fröhliches Selbst. Ein bisschen wie die Kombi aus Attentin+Bupropion eigentlich. Nur die vertrage ich gar nicht mal so gut (Blutdruck).

Also - die Frage ist vielleicht auch, welche Symptome der ADHS man behandlungswürdig empfindet. MPH war ja noch krasser, was das „runterfahren“ bzw. beruhigen angeht. Aber dann fühle ich mich nicht mehr wie ich selbst - und das nicht unbedingt im besseren Sinne.

1 „Gefällt mir“