Nicht anfangen und nicht aufhören können

Liebe Leute,

ADSler haben ja ein riesiges Motivationsproblem und ein Belohnungs-Defizit Problem.

Die grösste Hürde für mich war und ist, ich kann schwer kleinteilig hintereinander strukturiert den Tag gestalten.

Morgens ist mein Hirn ewig im Stand-By Modus, während der Körper die Routinen ausführt.
Und morgens habe ich deshalb die meiste Angst, weil in diesem Zustand ich am ungeschützen bin.
Die Welt ist schon fordernd da aber Hirn noch aus.
Das war schon in der Schulzeit so, bin völlig verplant und auf dem letzten Drücker, ohne Hausaufgaben versteht sich, in die Schule gerannt…:grinning_face_with_smiling_eyes:

Wenn ich mich erst überwunden habe, und auf Betriebstemperatur bin, finde ich aber auch kein Ende, b.z.w keine Pause, keine Bremse, weil ich vllt. unbewusst denke:
Nutze den Flow, mach alles zu erledigende schnell (und flüchtig), wer weiss, wann du wieder dazu kommst, sonst fällst du wieder in das OFF-Loch!
Beispiele gibt es zu genüge.
Fange an Fenster zu putzen und würde am liebsten gleich die Wohnung renovieren!

Eigentlich bräuchte ich immer jemand, der mir hilft, das Leben kleinstückliger, in Häppchen zu unterteilen.
Aber das frustet mich auch, wenn ich angefangenes unterbrechen muss.

Ich bin wie ein schweres Schwungrad, was einmal angetrieben, langsam und mit Mühe sich anfängt zu drehen und dann schwer wieder zu bremsen ist.

Wenn ich mich zwinge, morgens trotzdem gleich zu funktionieren mache ich die meisten Fehler.
Das ist besonders Fatal, wenn ich mit dem Auto zur Arbeit fahren muss.Ich bin da so dissoziiert, dass ich zwei Schutzengel bräuchte. Na gut, ich kenn’ ja die Strecke, also Routine.

Wird das mit Medikation besser, kann ich das lernen, oder was sind eure Erfahrungen dazu?

Gruss Hypoborea!

Also bei mir ist es auf jeden Fall nach Einnahme der Medikamente besser geworden. Außerdem arbeite ich mit to-do-Listen. Das klappt ganz gut.

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Was du beschreibst, kennen viele von uns: erst den Startknopf nicht finden und dann die Stopptaste nicht. :roll:

Das wird unter Medikation besser, wobei man auf die Stopptaste besonders achten muss, sonst droht unter Stimulanzien die totale Erschöpfung.

Ich weiß, es ist schwer, aber man muss einfach Pausen einplanen, am besten mit einem Timer.

Das beschreibt mich auch sehr gut…

Erstmals brache ich ganz viele Reize um mal in die Gänge zu kommen… (Zeitdruck, finanziellen Druck, Unidruck) und dann stürze ich mich in einer abartigkeit in so mache dinge dass mir der kopf so dermaßen rauch… Ich spüre das dann auch sehr stark auf psychosomoatisch weise (verspannungen, kopfschmerzen usw.)

daran will ich auch arbeiten… den ausknopf dann auch rechtzeitig zu drück und nicht auszubrennen…

ich kenne das auch sehr gut. Jetzt nehme ich seit knapp 3 Wochen MPH und es hat sich insofern verändert, dass ich leichter etwas beginne. WAS ich beginne, das kann ich allerdings noch nicht so gut steuern und ertappe mich immer wieder bei

  • dem Ausführen eigentlich unwichtiger Sachen
  • dem unnötig ausführlichen „bei 0- Anfangen“
    Schon als Kind sollte ich mein Zimmer aufräumen und habe dann einen ganzen Tag lang das Zimmer umgeschaufelt und die Möbel verrückt…
    Also anfangen fällt mir jetzt leichter, aber Organisieren muss ich noch lernen… Und ja, aufhören ist manchmal auch nicht so leicht. Brauche aber nach wie vor auch noch viel pausenzeit/Rumhängen/Müllzeit, ich denke das ist ein Rest aus meiner letzten Depression und ich versuche, das jetzt sukzessiv auszuschleichen/zu verringern.

Ich glaube, die meisten von uns hier kennen es. Ich habe den Knopf auch noch nicht gefunden.
Bei körperlichen Aktivitäten fällt es mir deutlich einfacher anzufangen und am Ende bin ich zwar müde, aber nicht ausgebrannt. Bei den mentalen ist es echt scheisse.

ahja, das kenne ich auch. Manchmal aber auch andersrum.

Bei mir ist das etwas anders. Ich wache auf und habe sofort 1000 Dinge im Kopf die ich machen möchte. Ich fange mit 150 Prozent an, habe plötzlich 100 Dinge angefangen, setze mich selber unter Druck und schaffe es nicht etwas zu Ende zu bringen. Ein riesen Chaos entsteht, mein Kopf ist am rauchen und ich mache dennoch weiter. Diese innerliche Unruhe, überall fällt mir etwas auf…das nervt mich ganz schön. Ich habe aber auch immer das Gefühl, ich müsste mithalten, obwohl es doch mein zu Hause ist. Als Kind hatte ich ein riesen Chaos im Zimmer, was mich aber nicht groß störte, die Hauptsache war ich konnte irgendwo herum springen, jemanden ärgern, Unsinn machen…ganz klar das sich das denken irgendwann verändert. Irgendwann bekommt man immer wieder zu hören " Reiß dich doch mal zusammen, du bist doch kein Kind mehr, andere schaffen das doch auch etc." Sowas brennt sich ein und schon ist die Unsicherheit da und man versucht einfach genau so zu sein wie alle anderen, obwohl es Schwachsinn ist.
Es gibt mittlerweile Schulen, die fangen mit dem Unterricht erst gegen 12 Uhr an, weil man gemerkt hat, dass es eben auch Menschen/Kinder gibt die einfach etwas länger brauchen um voll da zu sein.

Ich habe auch morgens 1000 Gedanken im Kopf und fühle mich bedroht, wie ein Boxer der nach allen Seiten Angriffe abwehrt, aber viele kleine Schläge in vielen Richtungen blind ausführt, anstatt einen nach dem anderen gezielt mit kräftigen Schlägen auszuschalten.
Ich hoffe ihr versteht die Metapher.
Morgenroutine ist mir ein Fremdwort.
Und morgens ist meine Angst am größten, weil ich noch neblig bin und gefühlte Gefahren nicht abwehren kann.
Abends muss ich mich zwingen mit Kleinkram aufzuhören, dies und das noch…
Einzig aus Schuldgefühl, vieles liegen gelassen zu haben.
Ich bin inzwischen so weit, und kann es mir leisten, mich morgens noch mal hinzulegen und nix zu machen weil ich weiss, dass da nur Murks rauskommt.
Aber der Druck ist da: Mensch, tu was! Alle anderen stehen ja auch auf und verrichten ihre Arbeit.
Aber ich kann das so nicht.

Zur Zeit bin ich extrem Zwanghaft und möchte ALLES und zwar SOFORT und PERFEKT machen.
Du Schlampe lautet mein Credo.
Ich verliere mich in Details:
Ein Wäscheberg vor mir und ich pople die Ritzen am Smartphone sauber.
Überall hängen Notizen an den Wänden.
Der Wahnsinn hat mich im Griff.
Meiner Inneren Zerstreutheit versuche ich mit äusserer Ordnung Herr zu werden.

Aber was mir auffällt, auch wenn ich alles anfange und vieles nicht beende, etwas voran bringt es mich doch.
Also hier mal was und dort mal was…

Vielleicht ist es besser diese Art beizubehalten weil es meinem Wesen entspricht, als es Zwanghaft wie Neuridiverse zu machen?
Ist zwar der Chaoten-Stil, aber was soll ich machen?
Zumindest Zuhause.
Das nimmt mir jedenfalls den Druck.
Ich bin eben Zerstreut.
Jedenfalls besser als diese Zwanghaftigkeit, die, da ich dabei noch unkonzentrierter und hektischer bin und viele Fehler mache und mich vor allem Überfordere.
Wu-Wei.
Nicht jedem Impuls zu folgen, dies und das zu machen.
Denn viele Dinge erledigen sich mit der Zeit von selbst.
Damit meine ich nicht Offene Rechnungen oder so, eher mein Kleinkrämertum in Unwichtigkeiten wo ich denke ich muss genauso pingelig sein wie andere.
Ich werde nie wie andere sein, dafür habe ich andere Stärken.
Naja, jedenfalls ist Zwanghaftigkeit als Gegenpol zum Chaos auch nicht gut.

Mein Vater, auch ADS ist extrem Kompensatorisch Ordentlich.
Unbewusst macht er mir ständig Schuldgefühle. Er hat es ja schliesslich auch im Griff.
Ich glaube, er projiziert seine Schamgefühle auf mich weil er es ja kennt.
Das war jetzt etwas OT, aber dieser Gedanke kam mir grade und eh ich das wieder vergesse…
Denn ich habe viel mit Scham zu kämpfen.

Nein, ist es tatsächlich nicht. Ich würde gerne meine Zwänge mit (äußerem) Chaos tauschen.

Ich bin es auch und es ist genauso scheiße, raubt Zeit, Nerven und Flexibilität.

Off- Topic: Kann es sein, dass du auf Allmy bist? Wenn ja, ich lese sehr gerne deine Beiträge dort, auch im ADHS Thread.

Off-Topic:

Ja, bin ich. Und du? :winken

@Hypoborea :winken
Ich bin zwar vom Allmy besessen, aber ich bin nicht registriert, lese nur da mit. Es ist wirklich ein geniales Forum und ich finde die lockere, direkte und humorvolle Atmosphäre super. Und die Vielfältigkeit der Threads ist echt genial :juhuu

Das Forum hier ist der einzige wo ich registriert bin und regelmäßig was schreibe. Das Forum hier finde ich natürlich auch super toll :lovedumb


ach du je, das hört sich ja furchtbar an.
Ich kenne das nicht aufhören-können und sich in Details verlieren auch, jetzt mit MPH ist es manchmal stärker, fällt mir aber gleichzeitig auch schneller auf. Ich versuche entgegen zu arbeiten, indem ich mir Zeiten setze. Für die Pause bspw überlege ich mir am Anfang, wie lange und stelle einen Wecker. Und wenn der klingelt, muss ich weitermachen. So könntest du das auch mit deinen to-Dos machen? Vielleicht sogar noch einen Piepston nach der Halbzeit, damit du erinnert wirst, dass die Zeit läuft?

Andere versuchen, sich immer wieder zu fragen, ob das, was sie gerade tun, das wirklich Richtige & Wichtige ist - auch so eine Methode. Muss eins sich halt daran irgendwie mit Helferlein erinnern, sich diese Frage zu stellen…

Ich finde dein Credo ganz arg schlimm… Vielleicht kannst du dir ein humorvolleres zulegen? Wie wäre es mit wenigstem einem liebevollen, „Du Dussel“…? Ich glaube, und ich habe es in der Tagesklinik gelernt, dass wir diese Credos verinnerlichen und deswegen ganz arg aufpassen müssen, wie wir selbst mit uns reden. Die Seele ist ein Tempel und du bestimmst, wer dort Graffiti an die Wände malen darf und was dort steht, hat ein Therapeut mal zu mir gesagt.
Sei lieb zu dir :wink: und nicht so streng!

Und … perfekt sein ist langweilig…

PS:

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„A clean house“ könnte auch ein Zeichen für einen prokrastinierenden Hyperfokus sein… :wink:

:sonne Das hast du aber sehr schön geschrieben , dass ist ein sehr wertvoller Beitrag :herz

Dankeschön, @Nelumba_Nucifera :rotwerd Ist aber richtig wichtig!

Danke für eure Kommentare.

Wichtig ist für mich zu wissen dass ich ein, -ich sage mal Schamtrauma habe.
Nach meinem Gefühl sieht jeder Mensch, ob bekannt oder nicht, all meine Fehler und Versäumnisse.
Besonders mein Vater.
Dabei irritiert mich seine Doppeldeutigkeit: Tut so als wäre alles OK und er liebt mich, aber ich merke ja wie er innerlich wütend ist, mein ‚So-Sein‘ ablehnt, wahrscheinlich weil er sich in mich gespiegelt sieht und das, was er selbst an sich ablehnt auf mich projiziert.
Offen sagt er ja nichts.
Dabei könnte es mir heute egal sein.
Glaubt ihr, dass es sowas gibt wie Schamübertragung?

Wie ich gelesen habe ist es bei uns besonders wichtig sich da auch abgrenzen zu können.

Nun ja, zumindest erkenne ich schon meine Überkompensation in Sachen Struktur und woher die meisten Schamgefühle kommen und dieser Perfektionszwang.

Wütend macht mich dann wenn ich merke dass keiner sieht wieviel Kraft es uns kostet ständig gegen die Symptome anzukämpfen.