Ich hab mir den anderen Thread jetzt nicht durchgelesen, aber so verstehe ich es:
Mein Bruder hat zu 98% auch ADHS. Das sagt er selbst nachdem er weiß, dass ich es habe, welche Symptome es hat und wie viel Ähnlichkeiten wir haben.
Aber er hält eine Diagnose/Medikamente für sich selbst nicht für notwendig.
Er hat so ein großes Selbstbewusstsein, dass er damit klar kommt.
Er lebt so, wie er es will. = kein Leidensdruck.
Wenn er aber eine Diagnostik durchführen würde, würde er safe eine Diagnose erhalten.
Währenddessen habe ich mich ständig versucht anzupassen, habe immer an mir gezweifelt und mich für inkompetent gehalten = Leidensdruck.
Ich würde sogar sagen, dass ich durch das Anpassen mehr maskiere und daher sogar unauffälliger wäre als mein Bruder. Ich relativiere mein Leiden auch ständig.
Es würde mich schocken, wenn mein Psychiater übernächste Woche zu mir sagen würde Frau Sowieso, wenn sie keine Medikamente nehmen möchten, dann ist ihr Leidensdruck nicht hoch genug und eine Diagnose kann ich Ihnen nicht geben
Mein Leidensdruck war immer enorm. Zumal ich keine logische Erklärung hatte. Dann bekam ich Ende der 90er Jahre die Diagnose PTBS, welche vor 5 Jahren erweitert wurde auf eine kPTBS.
Das erklärte das eine zeitlang „manches“.
Dann war ich vor 8 Jahren in einer Autismus Ambulanz. Nur die Tests waren positiv. Erklärte auch „manches“. Eine zeitlang.
Aber es blieben immer Fragen.
Immer eine Überforderung bei mir, mich in der Gesellschaft zu bewegen.
Die Leitlinien gibts im Netz als Kurz- und Langfassung zum Download.
Da stehen Empfehlungen drin. Nirgends steht, dass man Medikamente nehmen musst, um eine Diagnose zu erhalten.
Andererseits würde man doch aber wahrscheinlich auch keine Diagnostik anstreben, wenn es keine Probleme gibt
Auch trotz Diagnose gibt es Menschen, die Angst vor Medikamenten haben, oder für die eine Behandlung mit Stimulanzien aus verschiedensten Gründen einfach nicht funktioniert.
Dann gibts auch noch die 2. Wahl (Nicht-Stimulanzien) und natürlich auch alternative, nicht-medikamentöse Therapieformen.
Zwang und Verachtung scheint damit ausgeschlossen
Generell scheinst du aber mit Medikation kein Problem zu haben, da du (wenn ich richtig gelesen habe) Antidepressiva / Angstlöser nimmst.
Daher mal die Gegenfrage:
Nimmst du diese Medikamente bloß, um zu funktionieren und Leidensdruck zu lindern, oder wurdest du gezwungen sie zu nehmen, um die Diagnose KPTBS / Depression / Angststörung zu erhalten?
Ich würde Leid nicht mit der Einnahme von Medikamenten gleichsetzen.
Man kann auch leiden und trotzdem keine ADHS-Medis wollen.
Mein Psychiater hat mich direkt am Anfang gefragt, weshalb ich die Diagnose haben möchte. Hätte ich da gesagt „ich wills halt wissen“, hätte er die Diagnostik nicht gemacht.
Genau so hat meine Hausärztin gesagt, dass sie für „ich wills halt wissen“ keine Überweisung zum Psychiater ausstellen würde.
Mit „Ich komme nicht mehr klar und möchte was dagegen unternehmen“ hatten beide kein Problem. Man kann ja z.B. auch ne Therapie anstreben, wenn man keine Medis möchte.
Letztlich ist es doch normal, dass man ohne Leiden(sdruck) keine Untersuchung oder Diagnose bekommt. Wenn ich zum Orthopäden gehe, weil mir der Fuß weh tut, dann veranlasst der halt ein Röntgenbild. Wenn ich da hingehe und sage, „mir tut nix weh, aber ich hätte gern ein Röntgenbild vom Fuß“, dann wird der das auch nicht machen.
Die Medikamente nahm ich 12 Jahre NACH der Diagnose
Vorher hab ich fleißig Trauma-Therapie gemacht, ohne den Einfluss von einem SSRI oder Benzo. Begleitend dazu regelmäßige EEGs, um den Fortschritt auch im Gehirn darzustellen.
Ich beziehe mich oben auf ein ganz bestimmtes Zitat. Und nur darauf.
Bei mir war es letztes Jahr Mai ein Zufalls-Verdacht-Befund. Meine seit 25 Jahren bestehende Impulskontrollstörung tauchte in einem Beticht vom LVR nicht mehr auf und ich wunderte mich.
Da meinte die Psychologin, das sie ADHS vermutet und legte mir nahe, das beim Psychiater abklären zu lassen.
Ich glaube, ich habe mich vielleicht einfach selber verwirrt und den Sinn hinter mehreren Fragen in verschiedenen Themen verwurschtelt
Also halten wir fest (hoffentlich verstehe ich das nun richtig):
Du bist schon lange wegen anderer Diagnosen in Behandlung, was zwar hilft, aber vielleicht auch nicht so wie man es sich wünscht und ohne bestimmte Medikamente wäre es noch schlimmer als ohne.
Also Leidensdruck ist da und es wird mittlerweile eine ADHS dahinter vermutet und zur Diagnostik geraten.
Ein Versuch mit Medikinet Adult verlief nicht gleich optimal, woraus Zweifel an einer möglichen ADHS und der Medikation allgemein entstanden zu sein scheinen.
Dass es nicht gleich geklappt hat, dafür gibts X mögliche Ursachen. Ein Ausschlusskriterium für ADHS ist das natürlich aber nicht.
Falls die Diagnostik positiv ausfällt - keiner kann dich dazu zwingen, Medikamente zu nehmen. Es gibt alternative Therapiemöglichkeiten. Manchen reicht das, anderen nicht.
In der Regel wird laut S3-Leitlinien zumindest bei Bedarf eine multimodale Therapie (medikamentös + VT) empfohlen.
Kann - muss aber nicht.
Ich selbst habe keine Zweifel an der Diagnose. Die Diagnostik war ja schon Anfang Januar ich erkenne mich darin wieder.
Mich erstaunte nur die Aussage, wer keinen Leidensdruck hat, der hat auch kein ADHS. Das hatte ich hinterfragt. Ob das beim Psychiater gängige Praxis ist? Ich hoffe nicht. Ich möchte ja „gesehen“ werden.
Wo bei man dann natürlich noch definieren müsste, wo fängt Leid an und wer beurteilt das.
Ich persönlich emofinde großes Leid, aber trage es kaum nach Außen. Bin es leid, mich ständig zu erklären. Einmal Hand-Out für alle bitte.
Das strengt mich an und am Ende des Tages findet mich der Großteil der Menschen eh nach einer Weile merkwürdig.
Ich scheitere an den Ansprüchen der anderen und den nicht enden wollenden Ratschlägen, wenn ich dann mal was erzähle. Vllt weiß ich selbst ganz gut was ich brauche? Oder das große Fragezeichen im Gesicht des anderen. Spätestens dann weiß ich auch, ich hab den Rahmen gesprengt.
Ich nehme jede Nuance wahr.
Stelle mich dann in Frage, bin max verunsichert.
Dabei weiß und fühle ich genau welche Bedürfnisse und Grenzen ich habe.
Dieses Leben in dieser Zeit und dieser Gesellschaft gibt mir aber nicht den Raum.
Und dass du einen Leidensdruck hast, ist aus deinen Texten ziemlich klar zu entnehmen.
Langzeitarbeitslosigkeit, kPTBS, (ehem.) Adipositas, Depression(?), Angststörungen - alles Sachen die nicht mit ADHS in Zusammenhang stehen müssen, aber durchaus können!
Ich hoffe nicht, dass es Psychiater gibt, die die Vergabe einer Diagnose daran koppeln, ob der Patient Medikamente nehmen möchte oder nicht… Insbesondere bei ADHS-Medis sind die meisten Psychiater darauf gefasst, dass viele aufgrund der negativen Medienberichterstattung erstmal skeptisch sind gegenüber Medis. Zumindest bei Kindern habe ich diese Erfahrung gemacht.
Da haben wir hier leider schon die kuriosesten Erfahrungen gelesen, die zum Teil auch im Bullshit-Bingo Thema landeten
Leider gibt es sowas heutzutage noch, aber zum Glück gibts das Recht zu wechseln und sich Zweitmeinungen einzuholen.
Bezüglich der anderen Sachen kann man nur hoffen, dass Betroffene nach erfolgter Diagnostik dann medikamentös und verhaltenstherapeutisch oder sonst irgendwie dahin gebracht werden, sich zu akzeptieren und Bullshit-Bingo & Co. auszuhalten
So weit ich mich erinnern kann wurde meinen konkreter Leidensdruck in der Diagnostik ansich gar nicht abgefragt , sondern ADHS Symptome, die ja unabhängig zu einem Leiden oder Konsequenzen stehen können.
Dann wurde geschaut welche Auswirkungen die Diagnose hatte und hat und was ich brauche um damit klarzukommen.
Man kann auch AdHS haben und nicht darunter Leiden, aber das Umfeld leidet darunter .
Man kann auch ADHS haben und denken dass alles ok ist und die Auswirkungen oder dass man eigentlich darunter leidet nicht erkennen.
Das Zauberwort heißt Persönlichkeitsmerkmal oder Trait. Das Phänomen ADHS lässt sich aufsplitten in zwei Perspektiven:
ADHS als Ausprägung der Persönlichkeit
ADHS als klinische Diagnose
Psychiater und klinische Psychologen interessieren sich nur für Diagnosen, Störungsbilder usw., und die gibts nur mit Leidensdruck und dem Wunsch, durch die Diagnose Zugang zu bestimmten Interventionen zu erhalten (Medis, Therapie, was auch immer). Diagnosen sind der Schlüssel zu klinischen Hilfen, nicht eure Persönlichkeit. Im Grunde sind Diagnosen was ziemlich bürokratisches.
Differentielle oder Persönlichkeitspsychologie bezieht auch biologische Architektur mit ein. Differentialpsychologische Persönlichkeitsdiagnostik ohne klinischen Background würde unter „Ich will’s halt wissen“ fallen und das wäre dann eher zum eigenen Spaßvergnügen. Dass da jemand für aufkommt, wäre vielleicht eher im Bereich Prävention, Bildung, berufliche Qualifikation usw.
Vielleicht bekommt man es mehr auseinanderdividiert, wenn man die eigene ADHS-Persönlichkeit von der Diagnose klar abgrenzt. Der Bruder ohne Diagnose hat sehr wahrscheinlich trotzdem eine ADHS-Persönlichkeit.
Das ist ein umgekehrter Umkehrschluss, das funktioniert nicht.
Für die DIAGNOSE ist Voraussetzung, dass der Betroffene an den Symptomen leidet.
Ohne Leid keine DIAGNOSE.
Davon zu trennen ist die BEHANDLUNG.
Medikamente sind keine zwingende Behandlungsform: Psychoedukation, Sport, Psychotherapie können schon was bewirken. Alleine ausreichend sind sie dennoch allenfalls in leichteren Fällen.
Eine Bereitschaft, Medikamente zu nehmen ist keineswegs Voraussetzung für eine Diagnose.
Furchtbar. Ganz furchtbare, anmaßende und wertende Aussage. Wer beurteilt das? Wer beurteilt Leid? Wer sieht von außen schon Kompensationsstrategien (Sucht zb)?