Partner mit ADHS

Hallo Zusammen, bei meinem Mann wurde nach einem langen Weg ADHS diagnostiziert. Wir sind 8 Jahre zusammen und es ist unglaublich anstrengend mit ihm. Ich versuche viel die guten Seiten zu sehen, aber die Stimmungsschwankungen, die Endlosdiskussionen, er zieht alles auf sich und ist damit so raumfüllend, dass ich irgendwie in der Beziehung verschwinde. Er bringt nichts zu Ende, fängt viel an. Er übernimmt wenig Verantwortung für seine Themen usw. Geht es noch jemanden so? Ich würde mich total gern austauschen.

Hallo und Willkommen!

Uff, das ist ein schwieriges Thema. Bei uns in der Beziehung bin ich der Partner mit ADHS, der erst kürzlich diagnostiziert wurde.
Ich kann total verstehen, dass dich die negativen Seiten total fertig machen.
Stört mich selber an mir auch hin und wieder.

Ich denke, du möchtest gerade aufgefangen und gehört werden. Dass es manchmal total nerven kann und man sich fragt, wie das alles weitergehen soll. Glaub mir, das fragen sich Betroffene auch oft.

Bekommt dein Mann denn schon eine Therapie? Medikamente? Beschäftigt er sich mit seiner ADHS?

Oft ist es so, dass man als undiagnostizierter ADHSler viele negative Dinge erlebt. Daraus entwickelt sich dann eine Rejection Sensitivity. Das ist im Grunde eine Traumafolge. Sie sorgt dann dafür, dass man z.B. ständig in Rechtfertigungsdruck gerät oder sich nicht verstanden fühlt und ewig diskutiert. Die Emotionalität hilft dabei dann auch nicht.

Es kommt auch vor, dass man so oft an scheinbar „einfachen“ Dingen scheitert, dass man glaubt, sowieso nichts wirklich schaffen zu können.

Das alles zu überwinden kostet viel Kraft und Zeit. Man muss erstmal verarbeiten, dass man all die Jahre eigentlich eine Diagnose hatte, dass man schon als Kind Verständnis und Hilfe gebraucht und verdient hätte und dann muss man lernen, sich selbst ganz neu wahrzunehmen und man muss Wege finden, sich mit der ADHS zu arrangieren. Man muss selber lernen, dass man für manche Dinge nicht die Schuld trägt und der Partner muss lernen, dass bestimmte Verhaltensweisen keine Absicht sind und Begründungen keine Ausreden.

Meinem Mann bin ich sehr dankbar, dass er das alles aushält, erträgt und mich unterstützt. Ich sehe es aber auch als meine Verantwortung, mich um mich selbst zu kümmern und es für uns beide angenehmer zu machen. Ich bin in mancherlei Hinsicht selbstbewusster und selbstbestimmter geworden und zelebriere auch meine Sprunghaftigkeit (in Bezug auf Hobbys), aber ich arbeite auch sehr an meiner Unstrukturiertheit und meiner Antriebsstörung (Medi hilft). Das bin ich nicht nur mir selber schuldig, sondern auch meinem Mann und meinen Kindern.
Umgekehrt ist es natürlich auch so. Er hat ebenfalls Diagnosen und ich habe genauso viel Geduld mit ihm, wie er mit mir. Und ja, auch mich trifft es manchmal hart und ich wünschte, seine Diagnosen und all der kräftezehrende Rattenschwanz, der damit einher geht, wären einfach weg.

Wenn ein Partner sehr leidet, leidet der Andere oft mit. Das ist oft unaushaltbar. Und so sollte es auch nicht sein und darf auch nicht so bleiben. Bei uns ist es so, dass wir beide in Behandlung sind. Wir sind nicht der Therapeut des Anderen, auch wenn das manchmal schwer auszuhalten ist. Man will ja helfen. Aber wir übernehmen Verantwortung für uns selbst, um auch den Partner zu schützen. Ich sage aber auch ganz klar, dass das nicht immer so war. Ich musste meinem Mann sehr deutlich sagen, dass ich an meine Grenzen komme. Dass ich seine Einschränkungen, die er nicht wahr haben wollte und die zu einer Belastung für uns alle wurden, so nicht mehr ausgleichen kann. Auch meine Kraft ist endlich. Das hat ihn wach gerüttelt.
Es gab aber auch schon ehrliche Gespräche, wo er mit sagte, was ihn wirklich stört und was er so nicht mehr akzeptieren kann.

Warum schreibe ich das alles? Weil ich dich verstehe und weil ich glaube, dass offene, ehrliche aber auch wertschätzende Gespräche von großer Wichtigkeit sind.
Sprich mit deinem Mann über deine Sorgen. Frag ihn, wie er die Lage wahrnimmt.
Kritisiere ihn nicht für Dinge, für die er nichts kann. Sein ADHS ist angeboren und die damit verbundenen Unsicherheiten aus Erfahrung erlernt.
Was er braucht, ist jemand, der versteht, wie es ihm geht
Was du brauchst, ist jemand, der versteht, wie es dir geht.
Redet miteinander. In einer Beziehung und Partnerschaft sollte sich keiner eingeengt fühlen. Das könnt ihr aber nur miteinander klären.

Hallo, vielen Dank für deine tollen Worte. Sie sind so offen und ehrlich, das hat mir total gefehlt. Ich kann dich sehr gut verstehen und vieles nachvollziehen. Mein Mann war, als wir uns in zweiter Ehe kennenlernten, wie ein kleines Kind. Alles, von Freizeit bis S.x ist von mir ausgegangen. Im Herzen ist er ein wahnsinnig lieber Mensch. Als wir nach 4 Jahren zusammen gezogen sind, gingen die Probleme erst richtig los. Er hatte eine bestimmte Form der Mediensucht. Als er damit aufgehört hat, wurde es immer schlimmer, Depressionen kamen erstmal richtig raus. Letztes Jahr dann 6 Monate Klinik, als er zurück kam, war alles noch schlimmer. Er war nicht mehr das kleine Kind, sondern hat sich benommen wir ein aufsässiger Teenager, ständig Streit provoziert, egal wie ich im begegnet bin, selbst als ich gesagt habe, ich schaff das alles nicht mehr, mein Akku ist leer, kam nichts. Unser Leben hat sich nur um ihn gedreht. Mein Bitten, doch auch mal mich zu sehen, hat im besten Fall nur zu Selbstmittleid geführt. Heute wissen wir, er hat ADHS, ist falsch behandelt wurden in den Kliniken, und zwar auf eine Bindungsproblematik aus der Kindheit, und dies hat die Symptome erst verschlimmert.

So langsam übernimmt er Verantwortung für sich selbst, so langsam kommen Gespräche zu Stande, in denen es nicht nur um ihn geht. Und da triffst du es sehr genau, offene und ehrliche Gespräche braucht es. Aber mein Mann war nicht offen, sondern hat sich nur zurück gezogen. Er hat alles auf sich gezogen, nur Negatives rausgehört, was gar nicht gesagt wurde, selbst ein falscher Blick von mir, oder wenn ich abends auf der Couch eingeschlafen bin, hat er als Ablehnung meinerseits gedeutet und sich in seine Abwärtsspirale gezogen. Weißt du, ich sehe schon, dass jeder Mensch seine Stärken und Schwächen hat, man aber lernen kann, zusammen wunderbar umzugehen. Ich bin Hochsensibel, ist auch nicht immer einfach, dazu einige unschöne Erfahrungen aus der Kindheit. Aber ich bin lebensfroh und mache aus jeder Situation das beste. Erst jetzt, seit der Diagnose ADHS, kam von beiden Seiten so etwas wie Erleichterung. Erst jetzt fangen wir an, dass er mir versucht zuzuhören. Gleichzeitig lasse ich los, und schiebe ihm seine Verantwortung rüber. Ich spüre, dass er jetzt versteht, dass er weder falsch ist noch das große Kindheitstrauma hat, sondern ADHS, welches behandelbar ist. Er wird irgendwie erwachsen gerade. Wir machen zusammen eine Art Paarkommunikationstraining online von einer tollen Paartherapeutin. Dadurch lernt er, auch mit sich selbst liebevoller umzugehen. Dass er irgendwann versteht, dass auch ich Bedürfnisse habe, die nichts mit ihm zu tun haben, aber dass auch er seine Bedürfnisse aussprechen darf. Ich möchte ihn besser verstehen, aber auch verstanden werden. Dass ist gerade dass, woran wir arbeiten. Wir beide haben die letzten Jahre viel gelernt, dass auch Psychotherapie falsch sein kann, wie in seinem Fall nur zu einer Verstärkung seines ADHS geführt hat. Er lernt gerade wie wichtig Kommunikation ist, wie wichtig es ist zuzuhören und ehrlich zu sein. Aber er hat den Leidensdruck gebraucht, um seiner Therapeutin klar zu sagen, was los ist. Das wichtigste, ich habe immer den tollen Kern in meinem Mann gesehen, der mir die Sterne vom Himmel holen würde…wir haben zusammengehalten, egal wie schwer die Zeit war und dank der Diagnose, denke ich jetzt, können wir zusammen wachsen. Genau deswegen habe ich mich hier angemeldet, um Wissen zu sammeln, um zu hören, wie geht es anderen Paaren und wie gehen sie mit den Problemen um.

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Ich finde es ganz wunderbar, dass ihr gemeinsam diesen Weg geht. Und auch schon gegangen seid. Das war ja alles nicht leicht bisher.
Wenn du etwas über ADHS wissen möchtest, dann kannst du wahnsinnig viel auf der Hauptseite darüber lesen.
Ich hatte ja von Rejection Sensitivity gesprochen, weil das zu einer Sache passt, die du weiter oben beschrieben hast.
Aber ich bin mir sicher, dass du auch bei all den anderen Symptomen Parallelen zu deinem Mann finden wirst. Vielleicht ist das auch eine gute Gesprächsgrundlage.
Mir als Betroffene hat es sehr geholfen, mich auf die schriftlichen Darstellungen stützen zu können. Sie haben das, was ich nur diffus erlebt habe, in klare Worte gefasst. So konnte ich meinem Mann besser erklären, wie es mir geht.

Hochsensibilität ist auch nochmal so eine Sache. Da hat man wieder ganz eigene Schwierigkeiten. Wobei sich manches tatsächlich mit ADHS deckt. Kommt drauf an, wie es gelagert ist. In meiner Familie gibt es zwei kürzlich diagnostizierte Autisten, einer davon mit ADS, ein ADSler ist eventuell auch noch Autist. Manchmal haben wir alle die gleichen Probleme, triggern uns aber gegenseitig damit und dann schaukelt es sich extrem schnell extrem hoch. :sweat_smile:
Da hilft es, wenn einer kurz erwähnt, was gerade passiert und dass eigentlich gerade alle das Gleiche wollen, es aber alle nicht schaffen, die nötige Geduld für das Gegenüber aufzubringen.
Man merkt ja auch nicht immer, wie es einem selber geht. Zumindest ist das bei uns ein Problem. Wir merken erst, dass es uns gerade zu viel ist, wenn es eben schon so weit ist. Nicht schon, wenn es langsam zu viel wird.

Jedenfalls ist es schön, dass du hier bist. Schau dich in Ruhe um und :slight_smile:

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