Prokrastination und Medikation

Liebe Menschen,
ich wende mich nochmal an euch, da ich keine Ahnung mehr habe, was ich tun soll. Ende Februar '23 habe ich Ritalin adult verschrieben bekommen und musste es vor etwa vier Wochen absetzen. Grund dafür war, dass ich komplett depressiv wurde und mich Freund*innen nicht wiedererkannt haben. Vor dem Absetzen war ich bei 10 mg täglich (wieder nehmen und dann Kügelchen aufteilen werde ich nicht machen, habs schon probiert und mein Kreislauf reagierte extrem). Das hat auch nur wenig gebracht. Nach dem Absetzen ging es mir erstmal wieder deutlich besser; ich kann nur Gesprächen in lauterer Umgebung sehr viel schlechter folgen und bin öfter müde. Meine Psychiachterin schlug mir vor, Atomoxetin oder Bupropion auszuprobieren (Elvanse aus verschiedenen Gründen nicht, unter anderem andere Medikamente, die ich noch nehme). Das habe ich bis jetzt aber abgelehnt, da ich nicht nochmal quasi jemand anderes werden wollte und erstmal wieder ein Gefühl für mich selbst entwickeln wollte. Nach dem Absetzten war ich quasi über Nacht von den Depressionen unter Ritalin geheilt, aber auch müde und erschöpft.
Seit einer Woche aber prokrastiniere ich extrem stark und selbst Druck erzeugen funktioniert nicht. Ich muss eigentlich echt viel für die Uni lernen, aber die Klausuren und Abgaben der Hausarbeiten sind erst im September und mein Kopf denkt sich daher, dass ich noch viel zu viel Zeit hätte. Ich komme einfach in so eine „ADHS-Paralyse“ und da nicht mehr raus. Ich habe auch gar keine Lust mehr irgendwas im Haushalt zu tun oder zu lesen. Es fühlt sich teilweise wie eine „fröhliche Depression“ an, also wie als ich das Ritalin genommen habe, nur, dass meine Stimmung gut ist und ich Lust auf einige Dinge (zum Stall fahren und Reiten oder Podcasts hören) habe. Aber die Dinge, auf die ich keine Lust habe…
Das Lernen auf nachts zu verschieben möchte ich nicht, da ich die nächsten Wochen immer wieder früh aufstehen muss und mindestens 8 Stunden Schlaf brauche. Allerdings entwickle ich nachts das einzige Mal am Tag tatsächlich Motivation…
Kennt ihr sowas? Und habt ihr Strategien, wie ihr damit umgeht? Oder hat euch Atomoxetin oder Bupropion bei genau solchen Dingen geholfen?

Moin!
Mir hat Bupropion innerhalb einer Woche aus jahrelanger Antriebsschwäche und massiver Prokrastination geholfen. Nebenwirkungen hatte ich keine. Gegen meine Depression hat es auch sehr gut geholfen.
Ich nehme es zur Zeit zusammen mit Medikinet adult und habe manchmal das Gefühl, dass das Bupropion am Tag mehr für mich macht als das Medikinet.

Ich war vorher auch nur abends zu gebrauchen. Ich habe jetzt tagsüber keine Müdigkeit mehr und schlafe trotzdem gut ein und wache vor allem voller Tatendrang auf. Hätte ich niemals gedacht, dass das mal geht und vor allem hält es nun schon fast zwei Monate und stumpft sich bisher nicht ab.

10 mg? Für den ganzen Tag?
Das ist krass wenig…
Vielleicht (wenn auch eher unwahrscheinlich) wäre es bei höherer Dosierung besser geworden. Bei Depression muss man das aber nicht ausprobieren.

Das hat aber keinerlei Aussage, ob andere Medis nicht so wirken, wie sie sollen.

ADHS-Medis wirken dann richtig, wenn du dich mehr als du selbst fühlst.
Hab Geduld, bleib daran und teste weiter.
ATX vor Bupropion.

Rein Interessehalber: Welche Medis nimmst du, die gegen AMP sprechen?

Sorry aber was ist denn eine „fröhliche Depression“?, dass würde mich mal interessieren.

Abseits von Honeymoon-Romanzen habe ich hier im Forum ehrlicherweise sehr wenige Erfolgsgeschichten gelesen, dass harte Prokrastination durch Medikation allein bewältigt wurde. Daher halte ich Konzentration und Anti-Prokrastination für Fähigkeiten, die man mühevoll lernen muss. Wer bis zu einer späten Diagnose primär durch das Panikmonster auf Kurs gehalten wurde, hat vielleicht sogar erstmal ein Problem mehr, weil der Mechanismus irgendwann nicht mehr funktioniert, sei es durch Burn-Out, Alter… Oder eben durch Medikation als neuen Faktor mit dem Ergebnis, dass man sich emotional stabiler dabei zusieht, trotzdem nicht vom Fleck zu kommen an den schwierigen Baustellen.

Ich will niemanden frustrieren, der es anders erlebt oder noch erhofft. Vielleicht schreiben solche Gewinner dann hier einfach nicht mehr weiter, weil sie sich Wesentlicherem zuwenden können. Ich halte nur wenig davon, von einem Medikationswechsel Wunder zu erwarten und bis daher weiter zu prokrastinieren.

Die Threads rund um Prokrastination gehören zu den längsten - und sicher haben viele von uns prokrastiniert, indem wir über Mittel zur Prokrastinationsbewältigung nachdachten…

Vielleicht hilft Dir dieses Video von Frauke Niehues, @Leo21, und sei es nur, um die Komplexität von Prokrastination weiter aufzuschlüsseln: #MensaGoesScience (4) | Frauke Niehues zu Prokrastination und ihren emotionalen Grundlagen - YouTube

Diese Bilder von Tim Urban haben mir auch Einsichten vermittelt: How to Beat Procrastination — Wait But Why

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Oh die Beschreibungen zu dem Thema von Tim Urban , sind ja echt cool und treffen es auf den Punkt :sweat_smile:

@Leo21
Benötigst du denn allgemein Hilfe zu der Thematik , oder jetzt gezielt Hilfe um ins Arbeiten zu kommen ?

Wurde mal auf Vitamin D Mangel als auch die Schilddrüse gecheckt. Liegen hier Mängel und Erkrankungen vor kann dies nicht mit Ritalin oder Antidepressiva ausgeglichen werden.

Schockiert mich etwas wenn Ärzte beliebig was verschreiben, dann dazu liest das Methylphenidat nicht bei Depressionen eingenommen werden sollte oder mit Antidepressiva kombiniert werden dürfen. Und auch zusätzliche Medikamente bezogen auf Wechselwirkungen nicht überdacht werden.

War das Ritalin Adult?

Ich weiß nicht wie gut das Aufteilen da wirklich gelingen kann, weil dort Pellets drin sind die einmal für die erste Phase wirken und weitere Pellets für die zweite Phase.

Wenn du es aus Versehen sehr ungünstig aufgeteilt hast, könnte das evtl auch ein Auslöser auf den Kreislauf gewesen sein. ???

Ich hatte vorher andere Dosierungen (20-10-20 und 20-20 und 30-20-10) ausprobiert, aber bei dieser Dosierung trat dann die Depression auf und ich war wie ein Zombie, also eigentlich klare Zeichen einer Überdosierung, daher habe ich in Absprache mit meiner Psychiaterin die Dosierung gesenkt, um zu schauen, ob das ganze wieder weg geht.
Nach dem Absetzen fühlte ich mich dann mehr wie ich selbst.

Also ich nehme einige Medikamente, da mein autonomes Nervensystem rumspinnt und die regulieren meinen Puls (habe Dysautonomie und POTS).

Damit meine ich, dass viele Symptome einer Depression vorhanden sind, aber es noch einzelne Sachen gibt, für die ich Interesse habe und die mir Spaß machen und ich gleichzeitig aber auch keine Suizidgedanken oder sowas in die Richtung habe. Also Interessens- und Freudlosigkeit bei vielen Dingen, die mir früher Spaß gemacht haben, Antriebsmangel, erhöhte Müdigkeit, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit (noch weniger als eh schon), vermindertes Selbstwertgefühl, Schlafstörungen und innerliche Unruhe (die ich sonst nie hatte).

Vielen Dank für die Tipps.

Ja, das kann durchaus sein, dass es bisher vor allem wegen des Panikmonsters geklappt hat, dann, nach Absetzen des Ritalins kam dann, dass ich ausgeglichener war und mir das Panikmonster weniger anhaben konnte. Es ist einfach echt ätzend, sich so sehr mit sich selbst und seiner Psyche beschäftigen zu müssen.
Auch wenn ich durch mein ADHS einige Vorteile hatte (wenn ich interessiert bin, kann ich mir zu einem Thema alles merken und komme mit hochstressigen Situationen gut klar und bin kreativ), wünschte ich mir manchmal, dass ich einfach normal, neurotypisch wäre und mit Menschen besser umgehen könnte :cry:

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Eher Hilfe, um ins Arbeiten zu kommen.

Ja, hab ne Schilddrüsenunterfunktion und nehme L-Thyroxin dagegen; der Wert wird auch regelmäßig gecheckt und Vitamin D substituiere ich und bin damit im unteren Normalbereich.

Depressionen hatte ich vor dem Ritalin ja nicht; die kamen erst, als ich Ritalin regelmäßig genommen hatte. Das Ritalin wurde noch in der ADHS-Ambulanz eindosiert (bzw. mir wurden einfach 20 mg adult verschrieben und ich habe dann von meiner Hausärztin 10 mg adult noch bekommen) und bin danach erst zu meiner Psychiaterin gekommen. Ritalin hätte auch gar nicht verschrieben werden dürfen eigentlich, wegen meiner anderen Medikamente. Aber da meine Blutwerte gepasst haben und ich es nach dem eindosieren recht gut vertrug, hat meine Psychiaterin es mir weiter verschrieben.

Das Problem ist halt auch, dass ich ein Mastzellaktivierungssyndrom habe und damit Medikamente, die Histamin ausschütten, nicht optimal sind
Also ich habe ein Ehlers-Danlos-Syndrom und da gibt es einige Komorbiditäten, die häufig auftreten, so wie Mastzellaktivierungssyndrom oder Dysautonomie (falls sich jemand fragt, warum ich so viele Krankheiten angebe)

Ja, das war Ritalin adult. Da aber alle Kügelchen weiß sind, war es wahrscheinlich sehr ungünstig aufgeteilt, aber deswegen fällt das halt auch leider raus, weil ich ja nicht sehen kann, wie ich das gerade aufgeteilt habe.

Vielen Dank für eure ganzen Antworten schonmal!

Magst du die bitte mal komplett auflisten?
Könnte mir dann die Metabolisierungskreuzwirkungen mal anschauen…
Oder als PN…

Wie hoch war den der D3 Wert, in ng/ml. Meiner lag bei 23ng/ml was weit weg von Gut ist. Selbst 68ng/ml sind bei mir unzureichend sofern man ADHS Typ I ist. Stress verbraucht hier D3 wie ein Motor der Öl wie Sprit säuft. Mein optimaler D3 Wert liegt bei 80ng/ml heißt laut Melz Rechner im Sommer 8000 IE täglich im Winter 12.000 IE. Dabei berücksichtigt der Rechner Normalos ohne Hashimoto oder ADHS und den erhöhten Botenstofffwechsel. Freundin bekommt aufgrund Von Hashimoto 20.000 IE Deskristol. 1x die Woche eine Kapsel, nimmt auch K2, leider eine Magnesium Unverträglichkeit dafür sorgt das sie benötigte D3 Menge nicht supplementieren kann. Der Abbau aus den Knochen für andere Beschwerden sorgt. Ohne oder zuwenig D3 ist wie ein Motor mit zuwenig Öl zu fahren.

Du schreibst, dass du dich scheust Atomoxetin zu nehmen und fragst auch zu Erfahrungen mit Atomoxetin. (Leider kann ich das mit dem Zitieren nicht.)
Ich kenne Medikinet (also vglb. Ritalin) und Atomoxetin. Beides habe ich sehr, sehr unterschiedlich erlebt und würde dir deshalb unbedingt empfehlen Atomoxetin zu versuchen. Atomoxetin hatte bei mir auch eine (leicht) antidepressive Wirkung.
Die Möglichkeit des Absetzens hast du ja immer. Ich finde es davon ab sehr gut, dass deine Ärztin „verschreibfreudig“ ist und nach Alternativen sucht. Darüber würde ich mich sehr freuen.

Zu was an deinen UNI Sachen hättest du denn am meisten Lust ?
und was bereitet dir da die größte Unlust?

Was im Haushalt wäre wirklich mal notwendig zu erledigen ?
Was würde dich am meisten freuen wenn du es im Haushalt erledigt hättest?

Wenn ich im Bezug zum Haushalt blockiert bin überhaupt zu starten, oder wenn ich nicht weiß wegen zu viel Chaos, womit ich starten soll, dann hilft es mir am Besten mit Bett machen zu starten.
Das ist eine einfache Tätigkeit, deren Ablauf ich auch trotz Unlust schnell erledigen kann. Dies gemacht Bett tut mir dann so gut, dass ich denke ich hätte schon ne dicke fette Aufgabe geleistet . Das wertet dann meinen Selbstwert auf, so dass ich mich doch noch etwas mit der nächsten Aufgabe „Quälen“ kann.

Hab jetzt nicht alles gelesen, sry wenn sich was doppelt oder ich Mist erzähle

aber mit Ritalin hatte ich auch depressive Stimmungen nach Abklingen der Wirkung. Bin dann auf Elvanse umgewechselt, aber ob das Histamine ausschüttet weiß ich nicht. Sind andere definitiv erfahrener hier.

Was mir besonders geholfen hat beim Lernen für die Uni nach Medieinnahme war wirklich das Lernen in Ruhe in der Bib mit Fachbüchern und Laptop. Komplette Abschottung von äußeren Einflüssen. Und womit ich noch gelernt habe mittlerweile war ChatGPT tatsächlich. Nicht um jeden Satz von dem Ding zu glauben, sondern um einen groben Blick über das Thema zu bekommen und es mir zu strukturieren. Oder um abzuchecken, ob ich was Wichtiges im Thema übersehen habe, dass ich wissen sollte. Manchmal um mir Dinge für Dummies erklären zu lassen, wenn ich was nicht verstanden habe.

Hab aber auch den Rückhalt von meiner Partnerin gebraucht ( haben eine Tochter), dass man sich den Termin so nimmt und dann wirklich hinfährt. Zu Hause ist für mich immer viel zu viel Ablenkpotenzial.

Hoffe das hilft dir vielleicht.

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