Rejection Sensitivity Disorder auf Meta-Ebene

Liebes Forum,

vor ein paar Tagen ist mir ein interessanter Gedanke in einem Instagram Kommentar gelesen. Nachdem ich darüber nachgedacht habe, würde ich gerne mal eure Einschätzung hören.

Es geht mir um Rejection Sensitivity Disorder (RSD) auf einer „Meta-Ebene“. (Mir ist kein anderer Begriff eingefallen)

Aber was meine ich damit?

RSD nach gängigem Verständnis
Überwiegend beobachten wir RSD in diesem Forum in direkten Interaktionen mit Personen oder in kurzen Zeitspannen. Also dann, wenn wir mutmaßlich von einer Person abgewiesen oder schlecht behandelt fühlen. Dann Menschen mit einer RSD ein starkes Gefühl der Ablehnung, Verletzung, vielleicht auch Wut und Frust. Das direkte Verhalten wird daraufhin verändert, man zieht sich zurück oder kontert vielleicht in einem Gespräch schärfer, als nötig wäre. Weitere Auswirkungen könnt ihr euch sicher vorstellen oder sind euch selber bekannt.

Verständnis von RSD auf Meta-Ebene
Nun ist dies ein Beispiel im zeitlich und personell begrenzten Raum. Was aber, wenn die RSD schon einsetzt, bevor es überhaupt zu solchen Situationen kommen kann. Und dadurch sogar das Leben massiv behindert.

Hierzu ein konkretes Beispiel von mir, wo ich eben jene Problematik vermute.

Persönliches Beispiel zur RSD auf Meta-Ebene
Ich bin schon einige Jahre selbstständig, aber immer eher schlecht als recht. Ich bin als Freelancer in verschiedenen Bereichen tätig und habe auch immer tolle Ideen und starte Projekte, setze Produkte um (z.B. Software), etc.

Nun habe ich mir immer eine Schwäche im Vertrieb attestiert. Ich mag es nicht, Leuten meine Produkte anzupreisen und davon überzeugen zu müssen. Wenn ich dann auch noch Leute ohne vorherigen Kontakt ansprechen soll, ist es ganz schlecht.

Bei dem Instagram-Kommentar ging es nun darum, dass man z.B. solche Produkte/Dienstleistungen/Angebote bis fast zur Fertigstellung oder sogar bis zur Fertigstellung entwickelt und sie dann liegen lässt, weil man eben Angst hat, mit seiner Idee abgelehnt zu werden.

Ich selber denke mir dann immer Gründe aus, warum es doch keine gute Idee ist. Warum es nicht gebraucht wird. Der Preis unrealistisch ist oder ich zu wenig Fähigkeiten habe (Imposter Syndrom).

Bei dieser Form der RSD wird also etwas unterlassen vor der Angst der späteren Ablehnung. Wie z.B. Vertrieb für ein Produkt, das schon sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat.

Ich kann kaum zählen, wie viele solche Projekte ich begonnen habe, gutes Feedback bekommen habe, und letztendlich doch aufgehört habe als es fertig war, weil ich den Vertrieb nicht angehen konnte.

Eure Meinung und Fragen an euch
Jetzt würde mich natürlich interessieren, was ihr dazu sagt.

Kennt ihr dieses Phänomen vielleicht von euch selber oder habt es bei anderen beobachtet?

Wie kann man damit umgehen, dass es nicht das Leben so stark beeinflusst?

Was sind eure allgemeinen Gedanken?

Ich bin gespannt auf eure Antworten.

Beste Grüße
Me-Inside

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Die Kernfrage ist meiner Ansicht nach:

Besteht da überhaupt der Zusammenhang zur Neurodiversität oder ist es einfach nur Persönlichkeit?

Viele Menschen mögen keinen (aktiven) Vertrieb oder gar Kaltakquise. Es ist denen einfach zu wieder und entspricht nicht deren Wertvorstellungen jemanden etwas aufschwatzen zu müssen um bspw. zum Fixgehalt eine Provision zu erhalten. Das kann mit der erwarteten Ablehnung (Rejection) zu tun haben, kann mit der Ausprägung der individuellen Selbstsicherheit und -überzeugung oder der Uneignung für diese Tätigkeit zu tun haben. Kann auch das falsche Produkt sein, wenn man nicht selbst davon überzeugt ist.

Deswegen machen Menschen selten alle Tätigkeiten. Nicht jeder Mensch ist zur Atomphysik, Steuersachen oder handwerklichen Tätigkeiten in seiner Natur „befähigt“. Ein Mensch muss nicht alles können. Dafür gibt es die Gesellschaft, was diese eben ausmacht. Jeder kann etwas anderes gut - ja, besinnen wir uns auf die Stärken, nicht auf die Schwächen. So kann im Grunde jeder beitragen damit unsere Gesellschaft gut funktioniert.

Nur komme ich doch auf Neurodiversität zurück: „Wir“ wissen oft nicht was unsere Ressouren, Werte und Möglichkeiten sind und zweifeln dadurch an uns.

Bedeutet: Wenn ich dich richtig verstehe, weißt du was du kannst und was du nicht kannst. Also solltest du dich auf das was du (gut) kannst - deine Ressourcen - und nicht auf das was du nicht kannst fixieren.

Übertragen auf ein Beispiel: Ein Architekt kann Pläne für ein zu errichtendes Gebäude erstellen. Aber dafür nicht handwerklich Mauern errichten. Wieso sollte er also Mauern errichten?

Es geht ja nicht um Fähigkeiten (Software, Dinge bauen, Projekte entwickeln) - und diese dann aus Angst vor Zurückweisung nicht fertigzustellen.
Und auch das nur als Beispiel für Verhaltensänderungen aufgrund Angst vor dem Rejection Sensitivity Schmerz.

War es so gemeint?

Ja, klar, hat nicht jeder.
Die Frage ist aber, ob das vielleicht häufiger auftritt, wenn jemand ohnehin schon RS hat. Hat ja auch nicht jeder mit ADHS, wenn auch fast jeder.

Assoziationen dazu:

  • Angst vor der Angst? Auch nur eine Angst vor dem Schmerz, der in der Angst steckt, oder?
  • Sozialphobie in einem anderen Mäntelchen?
  • Aus der Sicht von Impostor aus betrachtet: Selbstwert zeigt sich auch darin, stolz sein zu können, auf das, was man schafft.
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Das ist definitiv RS in Reinform!
Quasi Selbstsabotage aus Angst eine Situation die potientiell in Ablehnung münden kann, zu durchleben. Es sind vermutlich immer Situationen, in denen wir bewertet werden

Ich kenne RS auf der Metabene (hoffe ich deute es nicht falsch ) in der Form, als dass ich mir lange nicht zugetraut habe ein Team zu leiten.
Ich hatte früher einen Mentor der mich sehr gefördert hat und als er versetzt wurde sagte er: „ich verstehe nicht warum du dir immer selbst Steine in den Weg legst, den du selbst zuvor geebnet hast“
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Weil es ja ein Weglaufen ist.

Geht das vielleicht in die Richtung der RS Meta-Ebene, die du meinst?

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Hallo zusammen!
Danke für eure Antworten.

@Lea, das klingt für mich auch sehr danach. Es ist doch echt absurd sowas.

Was ist denn daraus geworden? Hast du letztendlich ein Team übernommen? Wie hast du an dir gearbeitet?

@UlBre du sagst es richtig. Es geht nicht um meine Fähigkeiten in den Bereichen. Da weis ich, dass ich sehr gut bin. Es geht aber darum diese zu „verkaufen“ bzw. mich selber zu bewerben als jemand der das gut kann und dessen Projekte gut sind.
Als Selbstständiger reicht es halt nicht aus, sich auf das zu konzentrieren, worin man gut ist. Man muss sich nunmal auch anpreisen können.

Allgemein:
Aktuell habe ich auch die Situation, dass ich auf Jobsuche bin. Nachdem ich meine Selbstständigkeit aufgeben wollte, und bei meinem letzten Arbeitgeber in der Probezeit gekündigt wurde.
Nun hatte ich zwei Gespräche die bis ans Ende wirklich toll liefen und wegen absolut Belanglosigkeiten hab ich die Stellen nicht bekommen.
Diese Rückschläge haben mich auch so frustriert und meine selbsttätigen genährt, dass ich mich schon garnicht mehr bewerben will. Also auch schon wieder Selbstsabotage.

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Das kenne ich leider sehr gut. Wirklich niemand bewirbt sich gerne auf Jobs, ich habe da im Umfeld gefragt. Aber ich tue mich da noch schwerer. Ich will keine 0815-Bewerbungen schreiben, neige also zum Perfektionismus. Brauche dann also ewig bis ich mich überwunden habe und sie fertig abgeschickt habe. Druck von außen hilft nicht. Ich muss die Bewerbung wirklich wollen, die Firma mich überzeugen. Das ist selten der Fall, weil die Firmen als Arbeitgeber gerne hübsche Fassaden haben und hohle Phrasen nutzen. Mit meinem zusätzlichen ASS lasse ich mich durch tolle Sprüche des Marketings schwer manipulieren und schreibe Anschreiben auch viel zu sachlich. Dazu kommt mein wechselhafter Lebenslauf mit Lücken, der Arbeitgeber zusätzlich abschreckt. Lustigerweise werden selbst Zeitarbeitsfirmen auch noch anspruchsvoller obwohl diese über Jahre die “Resterampe” des Arbeitsmarkts waren.

Bei VSG muss ich mein AuDHS entweder gut maskieren, danach bin ich immer geschlaucht. Wenn ich nicht maskiere, wirke ich wiederum komisch und die wissen nicht was die mit mir machen sollen. Maskiere ich und werde ich eingestellt, fällt nach paar Wochen die Maske oder ich bin im Dauerstress die Maske aufzubehalten was zu Leistungseinbußen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt…

Mittlerweile habe ich den Versuch gewagt meine Diagnosen in der Bewerbung offen zu legen mit all den Vor-/Nachteilen die es mit sich bringt. Zumindest könnte ich unter all den 0815-Bewerbungen/Lebensläufen damit auffallen und etwas mehr Aufmerksamkeit bei Sichtung meiner Unterlagen bekommen, Firmen vlt. neugierig werden….und ich muss dann nicht so stark maskieren und man könnte meinen Bedürfnissen etwas eher nachkommen.

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Oje das hört sich in der Tat anstrengend an, kann ich absolut nachvollziehen.

Hast du einen Schwerbehinderungsgrad? Das könnte im Zusammenhang mit der Offenlegung der Diagnosen im Anschreiben hilfreich sein.

Wie haben die Arbeitgeber auf die Offenlegung der Diagnosen reagiert?

GdB mit Schwerbehinderung kann vorteilhaft bei größeren Betrieben sein. Bei kleineren Betrieben kann er eher abschreckend sein durch die Sonderrechte. Allein mit AuDHS ist der eh schwierig zu bekommen. Bei mir spielt da noch die ein oder andere Diagnose mit rein. Während der Reha habe ich das Thema besprochen und auch Tipps für die Beantragung bekommen. Den Antrag habe ich erst kürzlich gestellt, bis zur Entscheidung können noch über 2 Monate vergehen, wobei ich damit rechne Widerspruch stellen zu müssen. Kann also auch noch insgesamt bis zu 6 Monate dauern. Parallel läuft bei der Rentenversicherung ein Antrag auf LTA. Da aber noch der finale Entlassungsbericht der Reha auf sich warten lässt, kann die RV auch noch nichts entscheiden. Also auch da rechne ich mit 6 Monaten bis die LTA entschieden sind.

Mir dauert das alles zu lange. Finanziell ist das aktuell schwierig. Daher gehe ich parallel meinen eigenen Weg weil ich mich auf das System wenig verlasse.

Meine Bewerbung reichte ich bei Firmen ein wo ich schon Leute kenne, die Werte/Kultur und Einstellung der Leitung zu kranken Mitarbeitern in wie fern die unterstützt werden oder Rücksicht genommen wird. Faktor war auch in wie fern meine Bedürfnisse da berücksichtigt werden: Home-Office-Optionen, Noise-Cancelling-Kopfhörer werden teilweise gerne gesehen und Rückzugsbereiche sind vorhanden, Offenheit und Förderung der Persönlichkeitsentfaltung ist da auch wichtig. Ich legte die Diagnosen offen, dass ich auf Reha war, was ich da mitgenommen habe, schaue nun was daraus wird. Ich käme sonst in Erklärungsnöte wegen meinem Lebenslauf, hab aber auch keine Lust denen einen Bären aufzubinden. Ich bin da vlt. etwas naiv, aber vlt. klappt es. :man_shrugging:t3: Ich arbeite gerne. Wenn es nicht klappt: Dann halt nicht. Ich kann nichts verlieren in dem Fall.

Da reicht ein Blick auf die Langzeitarbeitslosen bei den Jobcentern. Eine enorme Zahl dieser Leute hat psychiatrische Hemmnisse für das Arbeitsleben obwohl sie arbeiten könnten. Nur fehlt da das Bewusstsein und die Unterstützung dafür. Da bekommt der depressive ADHSler den 8 Uhr Termin der er verpennt/verplant und bekommt dann als Konsequenz eine Minderung des Geldes weil er keine ordentliche Begründung liefern kann.

Die einzige Unterstützung die da jemand bekommt sind Bullshit-Maßnahmen damit der Arbeitslose einen geregelten Alltag hat: Maßnahme “Kreative Alltagslösungen” wo dann irgendeine Werksstudentin des Maßnahmenträgers dein ausgemaltes Mandala kritisiert es wäre zu gelb….mich wollten die in eine Maßnahme “Deutsche Sprache” zwängen wegen “Migrationshintergrund” und weil ich damit einen geregelten Tag hätte.:exploding_head:

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@Pedro „Bullshit Massnahmen“ sollte vielleicht zum neuen Wort des Jahres 2024 erkoren werden. :+1::joy:

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Hi @Me-Inside,

mir fällt dazu vor allem die Angst vor Erfolg ein. Diese kann so schreiben es manche Psychologen viel größer sein als die Angst vor Misserfolg.

Ich selbst habe bei mehreren Projekten viel zu lange gezögert, um ja „alle nötigen“ Informationen zu sammeln, statt einem „just do it“.

möglich
(Gerade das „auf der Ziellinie umkehren“ kann als eine unbewusste Rachenahme an früheren Missgönnern i.S.v. - sieh her ich kann es, aber ich brauche es nicht- gesehen werden.)

VG