Rituale (Stressregulation), Optimierungszwang, Getriebenheit

Hallo lieb Community,

auf immer wiederkehrendem Anlass frage ich mich, ob Ihr Folgendes auch kennt:

Besonders in stressigen Lebenssituationen…

… eigne ich mir viele „Rituale“ an. Also kleine Abläufe am Tag, die ich mir „besonders schön“ oder „sicherheitsstiftend“eingerichtet habe und die mich runterbringen. Zum Beispiel : Egal, wie stressig es grade ist oder wie wenig Zeit ich habe: Morgens hinsetzen und in Ruhe frühstücken.
Das klingt erstmal sehr positiv – Stichwort Seelenhygiene. (Mehr dazu später.)

…neige ich zu einem einenausgeprägten „Optimierungszwang“: Ich grüble viel, wie ich etwas wirklich optimal erledigen kann. Habe ich mich für einen Weg entschieden, wird der auch durchgezogen.
Klingt ja auch erstmal nicht schlecht.

… spüre ich noch mehr innere Getriebenheit als sonst. Ich kann dann oft nicht warten und fange sofort mit Dingen an…

… und das alles – das ist die Kehrseite der Medaille – ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer.

Kurzum: Ich ziehe mein Ding durch, egal, ob ich anderen (insbesondere meinem Partner) auf die Füße trete. Und das macht natürlich Konflikte, selbst wenn der Partner versucht, tolerant gegenüber ADHS-Symptomen zu sein. Und das ist sehr kraftraubend und belastend.

Kennt Ihr das auch?

Wenn ja, wie geht Ihr damit um? Habt Ihr Lösungen hierfür gefunden?

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Ja. Und suche dringend Therapie.

Wenn ich nichts tue, fühle ich mich schlecht… sodass ich in eine Art Depression verfalle. (Hier leidet meine Partnerschaft).

Wenn ich etwas tue, dann alles am Liebsten zu 100%. (Und hier leidet es auch, weil ich grösstenteils nur an mich denke).

Manchmal bin ich erschöpft, aber finde keine Ruhe weil…

Wenn ich nichts tue, fühle ich mich schlecht… sodass ich in eine Art Depression verfalle.

Usw…

Hi @Lausfrau,

was du beschreibst, ist mir hier im Forum schon ein paar Mal begegnet.

Aus deiner Beschreibung lese ich Anklänge von

  • ASS (stereotypes Verhalten, Rituale)
  • Zwang (es nicht lassen können)
  • (dysfunktionaler) Perfektionismus

Ich rede nicht von einer Intensität, die eine Diagnose ergeben könnte. So wie ADHS sind auch fast alle anderen psychischen Störungsbilder dimensional. Stress erhöht die Symptome auf so einer Achse. Bei manchen sogar mal aus einem Maß einer bloßen Persönlichkeitsdimension in den diagnostisch relevanten Bereich, und wenn der Stressor geht, wandert es wieder zurück.

Bezüglich der inneren Getriebenheit half jemandem hier eine Minidosi Quetiapin. Falls das für dich infrage kommt, sprich mal mit deinem Arzt.

Das klingt mir nach Dysphorie bei Inaktivität. Das ist ein originäres Symptom von ADHS. Das ist kein Depressionssymptom.
Weg 1: Entspannung forcieren, bis das Stresslevel so weit gesunken ist, dass dieses Symptom verschwindet.
Weg 2: Etwas TUN, bei dem du dich entspannen und erholen kannst
(Manche müssen unter Menschen, um sich zu erholen, manche brauchen ihre Ruhe…)

Einfach aktiv bleiben und weiterarbeiten führt in die Erholungsunfähigkeit und irgendwann zum Zusammenbruch.

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Danke.

Hallo Lausfrau,

Nur zum Teil:

Bei mir nicht.

Das habe ich definitiv. Das krasse ist, dass bei mir der Weg (nicht nur beruflich) meist der richtige bzw beste ist, auch wenn ich dann manchmal zusätzlich Zeit reinstecken muss (die ich an derer Stelle „stehle“)

Nicht wirklich. Ich bin in solchen Situationen zwar oft, hm, „sehr motiviert“, aber ich fange erst an wenn ich alles habe was ich brauche - also Informationen, Tools, usw

Hm, privat nicht. Im Job ist es schon einige male passiert das ich mich gegen Widerstand einiger durchsetzen musste die eigentlich „wichtiger“ sind oder sich wichtiger fühlten, aber nicht genügend Fachwissen und Erfahrung beim entsprechenden Thema hatten. Hatte Gott sei dank noch nicht falsch gelegen, aber neben Belobigungen von weiter oben in der Hierarchie (Job) mir auch nicht nur Freunde gemacht.

Das war aber vevor ich auch nur den Verdacht auf ADHS hatte.

VG
SD

Danke für Deine Antwort!

Das klingt interessant und erschreckend zugleich. Wobei ehrlicherweise nicht davon WIRKLICH überraschend ist, weil sowohl ASS als auch Zwang als auch Perfektionismus bereits „im Raum stehen“. Hab ich mir selbst schon (irgendwie) gedacht und mein Diagnostiker sprach auch davon.

Trotzdem ein blödes Gefühl, nochmal sozusagen „bestätigt“ zu werden.

Naja, ASS ist nicht offiziell diagnostiziert, sondern nur vermutet. Und eine handfeste Zwanggstörung habe ich nicht.

Trotzdem: Es scheint so, als hätte ich noch viel Arbeit vor mir…

Danke jedenfalls für den Tipp mit Quetiapin! Werde ich mal mit meinem Psychiater besprechen! :slightly_smiling_face:

Ah… schon wiztig, wie unterschiedlich sich die Menschen reagieren… danke für Deine Antwort!
Schön, dass Du meistens damit ganz gut über die Runden kommst! :smiling_face:

Hallo @UlBre ,

Ich nehme an du beziehst dich auf das hier?

10.6.3. Perfektionismus als ADHS-Symptom

Dysfunktionaler Perfektionismus kann Ausdruck einer erhöhten Angst sein, fremden Ansprüchen nicht zu genügen. Dieses Symptom erinnert damit an Rejection Sensitivity, die eine Wahrnehmungsverschiebung in Richtung einer erhöhten Angst vor vermeintliche oder tatsächlicher Ablehnung durch Dritte besteht.

Über den Text bin ich vor einigen Wochen gestolpert und mich darin in vielem wieder erkannt.

VG
SD

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