Romane, die einen verfolgen

Ich kann mich gut mit deinem Beitrag identifizieren.

Ich hab schon früh gelernt zu lesen und habe dann einen Fantasy-Roman nach dem nächsten verschlungen.
Das ging so weit, das meine Eltern (scherzhaft) gedroht haben, alle meine Bücher zu verbrennen, weil ich oft nicht in der Realität gelebt habe. Ich habe über die Persönlichkeiten der Figuren aus Büchern und Serien gesprochen, als seien es meine Freunde, und so hat es sich auch angefühlt (tut es immer noch manchmal).
Ich hatte immer schon eine große Faszination für fantastische Welten, ich habe das Gefühl, dass mich das einfach auf eine ganz bestimmte Art stimuliert. Fiktion fühlt sich für mich fast wie ein Bedürfnis an, Futter für meine Fantasie/Kreativität sozusagen. Ähnlich wie meine Liebe zur Musik.

Natürlich wird das Bedürfnis stärker, wenn ich aktuell Probleme habe, aber selbst in sehr guten Zeiten ist es immer da. Es ist Teil meines Seins. Ich bin einfach eine Träumerin.

Eigentlich liebe ich diese Welten, aber wenn eine Geschichte aktuell zu spannend ist, vereinnahmt sie mich so sehr, dass ich mich auf nichts alltägliches konzentrieren kann, zB laufe ich vor meinem Kleiderschrank im Kreis und grüble über Charaktere nach, statt mich umzuziehen. Dann bin ich natürlich frustriert.

Und ich überlege oft gut, ob ich ein bestimmtes Buch anfangen möchte, wenn ich das Gefühl habe, es könnte mir gut gefallen, da ich weiß, dass ich für ein paar Tage extrem unproduktiv und abwesend sein werde. Nämlich genau bis das Buch beendet wurde. Ein gutes Buch vorher beiseite zu legen fühlt sich extrem schwierig bis unmöglich an.

Und gleichzeitig: Wenn ich an einem Text nicht interessiert bin, muss ich jeden Satz 20 Mal lesen, weil ich nichts verarbeite :sweat_smile:

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Spoiler: :stuck_out_tongue_closed_eyes:
Das ist ja lustig, weil es darin genau darum geht, dass Leute buchstäblich in Büchern verschwinden.
Wer weiß, vielleicht geht es Cornelia Funke ja genauso?

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Mir geht es auch so, dass Bücher-/Filmsucht ein Zeichen dafür sind, dass der Alltag gerade zuviel wird. Also Alltagsflucht.
Habe sehr häufig ein „Nachwehen“ nach Filmen, weil sich mein Gefühlserleben dann immer noch in Schwingung befindet und nicht zur Ruhe kommen will…den ganzen Gefühlen muss ich dann noch lange nachgehen, bis die abgeklungen sind Dann lese ich z.B. Wikipedia-Artikel oder höre nochmal die Musik aus dem Film oder schaue, was aus den Schauspielern geworden ist. Hat manchmal einen leicht obsessiven Charakter.

Bücher nach meinem Geschmack zum Wegbeamen:
Der Name der Rose - Umberto Eco
Allerseelen - Cees Nooteboom
Per Anhalter durch die Galaxis - Douglas Adams
Deutsches Haus - Annette Hess

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Absolut :adxs_friends: das Buch muß für mich in die Zeit passen, zumal ich auch immer zwei Bücher lese, eins für die Seele und eins für den Geist :adxs_grins:

Nach einem Sachbuchkapitel mag ich gerne in etwas weniger nüchternes abtauchen :adxs_wub:

Jaaa, och schön, sowas passiert mir auch :adxs_friends:

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Ohja, und wie! Ich dachte immer, ich wäre eher allein damit … wie bei so vielem… aber ja, solche Bücher nehmen mich absolut ein. Und ich wage mal, zu behaupten, dass das sogar ein etwas ungesundes Maß an Hyperfokus ist, haha. Da ich aber auch schon früher sehr, sehr stark im Tagträumen verortet war, ist es kein Wunder, dass es dann auf Bücher oder Serien projiziert wird.

Ich merke dann auch total eine emotionale Beeinflussung dahingehend, dass, wenn das Buch plötzlich anders als erwartet abläuft, ich entweder super positiv oder super negativ gestimmt bin. Auch habe ich eine genauen Geschmack an Buch- und Schreibstil, der erfüllt sein muss, damit ich happy mit dem Buch bin.

Zuletzt muss ich aber auch sagen, dass ein Buch für mich nicht statisch ist. Geht es Dir/Euch auch so, dass ein Buch eigentlich wie ein Film abläuft? Im Grunde genommen ist nämlich ein gutes Buch für mich ein 6h Adrenalin Dopaminüberschuss Film. :smiley:

Diese, ähm, Obsession zeigt sich übrigens auch bei den Autoren. Karen Rose hat mich wahnsinnig in den Bann gezogen, danach Steve Cavanaugh. Und mein erster fluffiger Romcom, den ich gelesen habe, hat mich sowas von positiv überrascht, dass ich ihn noch einmal angefangen habe, zu lesen… das ist auf dem Seltenheitslevel ungefähr genauso hoch wie das Nichtvergessen meines Haustürschlüssels…

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Ich habe mir die anderen Antworten noch nicht durchgelesen (kommt gleich - will aber erst einmal nur mein Erleben schildern)

Ich bin Mitte der 80er geboren worden und habe eine Kindheit fast ohne Fernsehen und eine Jugend ohne Internet erlebt.
Ich habe mir das Lesen kurz vor der Schule selbst mithilfe der Fibel meiner Schwester beigebracht und innerhalb kürzester Zeit schon die ganz dicken Leseriesen verschlungen.

Ich bin spätdiagnostiziert und habe eine sehr belastende Kindheit/Jugend gehabt (Elternhaus, Mobbing und alles was daraus so folgte), in Büchern habe ich eine Welt gefunden, die all das bot, was ich vermisst habe. Allen Büchern, die mich gefesselt haben, war eins gemein… Die Protagonisten sind erst irgendwo unglücklich gewesen und haben dann einen Ort oder eine Person gefunden, wo sie angenommen wurden, wie sie waren und/oder zum dringend benötigten Helden wurden…
Ich war (!) Ronja Räubertochter, Momo, Angehörige eines jeden indigenen Volkes. Und jedes erdenkliche Phantasiewesen mit übermenschlichen Kräften.

Egal wieviel Ärger ich bekommen habe oder wie müde ich war… Ich habe nachts heimlich gelesen, bis mir die Augen zu gefallen sind…
In der vierten oder fünften Klasse habe ich ein Buch, welches ich aus der Bibliothek hatte, erst einfach nicht wieder abgegeben und Mahnungen aus der Post gefischt und als es aufflog, behauptet, dass ich es verloren hätte und aus Angst vor Ärger halt nichts gesagt habe. Scheiß auf die Prügel und auf das Taschengeld der nächsten Jahrzehnte…

Kurz darauf wurde die Bibliothek geschlossen und aufgrund dessen, dass ich Bücher generell oft irgendwo in meinem Zimmer verschlampt habe oder wochenlang im Ranzen durch die Gegend geschleppt habe und dadurch ständig Mahngebühren ins Haus flatterten, hat mir meine Mutter auch keinen neuen Bibliotheksausweis mehr für die nächstgelegene Bibliothek ausstellen lassen.

Also habe ich mit etwa 12 Jahren angefangen die Bücher meiner Mutter zu lesen und dort eine andere coping-strategie entdeckt: je, schlimmer die Schicksale waren, umso weniger schlimm kam mir mein eigenes Leid vor… Dieses Thema zog sich meine gesamte Jugend sowohl durch die Bücher als auch durch die Filme, die ich spannend fand.

Und immer war da mein unstillbares Verlangen danach die Welt und Menschen zu verstehen. Also las ich alles, was ich in die Finger bekam über „Gott und die Welt“…
Ich hatte immerhin das Glück, dass meine Mutter ein relativ gebildeter und interessierter Mensch war und selbst ein Bücherwurm, wodurch ich ziemlich regelmäßig Nachschub bekam… Phantasy für mich, Autobiografien und Romane von ihr, und mehrere Zeitschriften von Bravo und Wendy zu Geo/national geographic/p.m.
Und wenn alles ausgelesen war, hatte ich ja meine Evergreens…

Als ich mit 16 zuhause raus bin, bin ich in ein ziemliches Loch gefallen - emotional, finanziell und überhaupt… Bis dahin von regelmäßigen Fernsehen abgeschnitten, habe ich dann ungefähr ein Jahr lang mich durch das gesamte Privatfernsehen gezappt um festzustellen, dass ich letztlich irgendwie doch bei arte und Co lande…
Ungefähr da habe ich angefangen gezielt Bücher und Zeitschriften in Arztpraxen sowie Bibliotheken und Läden zu stehlen.
Und während ich mir früher mit Ladendiebstahl vor allem meinen Zigeretten- und Drogenkonsum finanziert hatte, habe ich dann vermehrt das Geld für die Videothek und Kino ausgeben oder die Fahrt in die nächste Großstadt davon bezahlt, wo ich mir dann mithilfe von aus Grabbelboxen (Abverkauf und preisreduzierte Mängelexemplare) und Ladendiebstahl meinen „Stoff“ besorgt habe… (das Scheibenweltuniversum hatte mich in seinen Bann gezogen und die Angestellten in der Bibliothek bei mir in der Zwangigtausend-Einwohnerstadt hatten nicht mal seinen Namen gehört).

So nach und nach kam ich besser mit dem Leben zurecht… Ich habe neben der Schule gearbeitet (so dass ich aus der prekären finanziellen Lage raus war), war in Therapie um meine Kindheit aufzuarbeiten, habe den Drogenkonsum irgendwann größtenteils beendet und vor allem erstmals Menschen kennengelernt, die so waren wie ich, so dass ich immer weniger Grund hatte vor der Realität zu fliehen… Nach dem Abi bin ich dann in die Großstadt gezogen und habe mit meinem Studentenausweis das erste Mal regelmäßig Kulturangebote wahrnehmen können, ohne mich damit in finanzielle Abgründe zu stürzen.

Und dann kam das Leben… Ich wurde Mutter und mit der Doppelbelastung zwischen alleinerziehend und Vollzeitstudium, dem Tod eines mir nahenstehende Menschen und zu guter Letzt einer hochgradig toxischen Beziehung landete ich im Burnout…
Monatelange schwere Depression brachten mich dazu wieder in Phantasiewelten zu flüchten und dann war da dieser Moment, in dem ich realisierte, dass ich selbst fliehen, aber nicht mein Kind dorthin mitnehmen konnte, wo „alles besser war“. Das war der Moment, in dem ich mir schwor, keine Bücher mehr anzufassen, die mich in andere Welten entführen, solange dort dieser Mensch ist, der mich im hier und jetzt braucht.

Und dann wurde erstmals Internet zuhause für mich erschwinglich; oh, du abgrundtief geliebter Kaninchenbau!

Mit dem Internet begann meine Reise zu mir selbst - zuvor war ich durchaus immer mal wieder über einzelne Bücher oder Filme gestolpert, die mich gefesselt und gleichzeitig Stück für Stück befreit haben,.aber da war mit einem mal eine schier unendliche Fülle von Input. Zugleich hatte ich Zugang zu Fachliteratur und konnte gezielt nach Menschen suchen, mit denen ich mich genau auf dem Level austauschen konnte, auf dem ich gerade bei einem Thema bin…

Ich bin fern von einem gesunden Umgang mit dem Internet und von außen betrachtet könnte man auf die Idee kommen, dass ich nur eine Sucht gegen die andere ausgetauscht habe, aber neben all den Momenten der Flucht und des Prokrastinierens ist es doch trotzdem das Werkzeug, was mir dabei hilft, gezielt daran zu arbeiten, dass ich gesund oder zumindest gesünder werde. Ob es mir gelingt, kann ich nicht sagen, aber ohne dieses Medium wäre ich bis heute nicht diagnostiziert und würde immer noch unkontrolliert zwischen Selbsthass, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit pendeln… So habe ich die vorsichtige Hoffnung, dass ich irgendwann in einer Zukunft leben könnte, in der ich wieder Zeit habe mich ohne schlechtes Gewissen in ein Buch fallen lassen zu können… =)

Nach diesem wall of text (der selbstverständlich geschrieben wurde, obwohl ich genügend anderes zu tun hätte) vielleicht noch ein Gedanke zum Schluss…

Der mind fuck, der mich nie wieder losgelassen hat und vermutlich nie seine Aktualität verlieren wird, ist mir übrigens nicht in einem Buch über den Weg gelaufen oder in einem von Kritikern gefeierten Film, sondern in einer Folge einer Serie, die ich eigentlich nur zur seichten Unterhaltung geguckt habe…
Ein (einmaliges) Gerät, dessen Besitzer für sich und eine zweite Person die Zeit anhalten kann… Stellt euch vor, dass ihr tatsächlich alle Zeit der Welt hättet, wenn ihr sie braucht… Bitte, gerne! ;•)

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Die mahngebühren kenne ich sehr sehr gut. Ich hab da ohne mist hunderte von euro verloren-.