Schock des Tages: Note Mangelhaft wegen Rechtschreibung

Ich würde mal behaupten, dass mein Sohn 12, 6…Klasse die wichtigsten Rechtschreibregeln verinnerlicht hat. Mittlerweile hat er vermutlich auch die Wortbilder im Kopf, da er doch recht viel liest. Aber wenn es zügig gehen muss und sein Fokus auf dem Inhalt liegt - oder wo auch immer, vergisst er selbst die Groß-und Kleinschreibung- Dabei ist es ihm klar und von ihm verinnerlichtes „Wissen“,-so dass es doch eigentlich automatisiert und vor allen Dingen mit mph abrufbar sein müsste? Zumindest waren das die Rahmenbedingen der oben erwähnten Klassenarbeit.
Jetzt in der 6. Klasse wird die Rechtschreibung bewertungrelevant.
Natürlich waren seine häufigen Fehler schon in der 5. Klasse aufgefallen. (Seine ADHS ist den Lehrern nicht bekannt und sein letztes Zeugnis okay!) Der Test auf Legasthenie war dann unauffällig- keine Wunder- er weiß ja alles- er kann es nur nicht zuverlässig abrufen. Deshalb bringt ja auch zusätzliches Üben wenig- vll sollten wir eher üben dies in "stressigen Situationen"hinzukriegen= sollen wir üben auf Inhalt und Rechtschreibung gleichzeitig zu achten+ mit Zeitdruck eine Klassenarbeitssituation simulieren? Quasi als Gewöhnung und besseren Umgang mit Stress? Bringt das was? Hat jemand Erfahrungswerte mit unserer Problematik?
Danke:-)

Ich kenne nun Deinen Sohn und euch als Familie nicht, aber dass er es mit seiner ADHS bislang geschafft hat schulisches Wissen (wohlgemerkt das nicht primär seinen eigenen Interessen entspricht) zu verinnerlichen finde ich schonmal toll und alles andere als selbstverständlich! Mit dem Schreiben an sich haben sehr viele ADHSler Probleme auch ohne nachgewiesene Legasthenie. Das gehört quasi zum Lieferumfang dazu. Die Automatisierung findet viel später, wenn überhaupt, statt.

Hier greift eigentlich der Nachteilsausgleich, da er in puncto Rechtschreibung auch tatsächlich einen handfesten Nachteil gegenüber seinen Mitschülern hat, aktuell aber wie alle anderen bewertet wird.

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Ja hier macht der Nachteilsausgleich Sinn- aber ich kenne in einem anderen Zusammenhang einen Jungen , der sich laut seiner Mutter anscheinend sehr darauf ausruht…
Und für uns keine Option- da wir nicht offen mit ADHS umgehen, da wir die Folgen durch Stigmatisierung an einem Gymnasium als gravierender einschätzen. ADHS hat einfach einen superschlechten Ruf…

Ich hatte selbst zu diesem Alter Rechtschreibung bis auf Zeichensetzung und einzelne Wörter schon automatisiert- allerdings habe ich auch immer extrem viel gelesen…

Wie gesagt, ohne euch zu kennen. Sicher ist der Druck und die Leistungserwartung auf dem Gymnasium recht hoch, vielleicht steckt da auch ein Stück Überforderung drin? Danach hattest Du nicht gefragt. Aber ich möchte doch einmal dafür plädieren, die Messlatte beim ADHS Kind nicht ebenda anzulegen, wo sie für neurotypische Kinder (auf dem Gymnasium) liegt. Wenn es funktioniert, ist es schön, allerdings muss eben auch nicht jedes begabte Kind auf einem Gymnasium sein, um sein Potential zu entfalten.

Das „sich-darauf-ausruhen“ kann ich so nicht bestätigen und finde die Aussage auch sehr abwertend. Zumindest in unseren Bundesland bedeutet der Nachteilsausgleich: mehr Zeit und ruhigere Umgebung für Klassenarbeiten, ggf. andere Lernmaterialien, die individuell verschiedene Lernzugänge von ADHS besser adressieren, bei Schreibschwierigkeiten einen anderen Stift nutzen dürfen. Da gibt’s nicht viel zum Darauf-Ausruhen, da die Tests und Klassenarbeiten exakt gleich sind und die Benotung auch nicht „entgegen kommen“ darf.

Konkret zu euch: ich würde nicht dazu raten, die Rechtschreibung auf Tempo zuhause zu trainieren. Das erzeugt enorm viel Druck und unter Druck lernt niemand. Gegebenenfalls sind in der frühen Grundschulzeit Lernlücken in der Rechtschreibung entstanden, das könnte eine Lerntherapie gut rausfinden und auch bearbeiten.

Das sehe ich auch so, aber meine Gedanken gingen in diese Richtung: in diesen Situationen im günstigen Fall lernt mit dem Stress besser umzugehen.
Ich weiß wir verlangen „viel“ von ihm- aber wir übertreiben auch nicht.
Ich würde nicht sagen, das jedes Gymnasium für ihn geeignet ist, dieses aber schon, da er und wir uns mit derSchule identifizieren können, da vieles dort auch sehr angenehm und sympathisch ist.

Aber den Nachteilsausgleich (Rechtschreibung anders zu bewerten) bekommt man doch erst, wenn LRS festgestellt wurde, ansonsten bekommt man nur mehr Zeit, was in diesem Fall nichts bringt. Also zumindest ist es bei uns so.

Hier ist es ähnlich. Mein Sohn kennt alle Regeln und schreibt in Ruhe einzelne Wörter richtig. Bei einem Diktat oder eben Text geht die Rechtschreibung unter.

Mein Sohn liest auch sehr viel, es hilft ihm aber nicht beim Schreiben. Irgendwie denkt er einfach nicht an Rechtschreibung, wenn er sich auf den Inhalt konzentriert.

Das ist ganz sicher von Bundesland zu Bundesland verschieden. Bei uns ist im Nachteilsausgleich ohnehin keine Andersbewertung vorgesehen, da gibt es keine Erleichterungen. Im Eingangspost ist aber von „wenn es zügig gehen muss“ in Zusammenhang mit der betreffenden Klassenarbeit die Rede, da könnte etwas mehr Zeit doch schon mal hilfreich sein um auch noch die Rechtschreibung hinzukriegen.

Ich dachte es gibt auch ein Nachteilsausgleich bei diagnostzierter Adhs- nur mit Teilleistungsstörungen? Macht ja auch Sinn- aber schwer festzustellen,was jetzt wovon kommt…

Mir wurde von der Grundschule gesagt, dass die Schule über jeden Nachteilsausgleich individuell entscheidet und auch darüber entscheidet, welche Diagnose wie berücksichtigt wird. Wir würden wohl mit ADHS ohne LRS auch zB die Befreiung von Noten schlechter als 3- in Deutsch bekommen, solange sie im Förderunterricht ist und die Förderlehrerin das empfiehlt. Wir sind in Niedersachsen.
Es wurde aber auch schon darauf hingewiesen, dass es an der weiterführenden Schule ganz anders laufen kann, eben weil die Schulen das intern entscheiden.

Doch, damit das verstandene Wissen durch stetige Wiederholung gefestigt und langfristig automatisiert werden kann. Denn wenn es irgendwann automatisiert ist, kann er es auch in stressigen Situationen abrufen, ohne sich bewusst darauf konzentrieren zu müssen.
Dass bei einer Fokussierung auf inhaltliche Aspekte die Rechtschreibregeln nicht zuverlässig angewandt werden können, spricht meiner Ansicht nach dafür, dass er in der Verwendung noch nicht sicher genug ist. Das benötigt stetige Übung. Sollte er primär Wortbilder im Kopf haben, kann es auch sein, dass er diese auswendig nutzt, die Regeln dahinter aber nicht verstanden hat. Du sagst ja aber, dass ihm die Regeln bekannt sind und er grammatikalisch korrekt schreibt, wenn er sich darauf konzentriert?

Davon rate ich ab, da es Druck potenziell verstärkt, beim eigentlichen Problem jedoch nicht hilft.

Du nennst in Bezug auf seine Rechtschreibfehler Groß- und Kleinschreibung. Was sind denn sonst noch wiederkehrende Fehler? Wenn ich mehr Infos habe, kann ich mir eventuell eher ein Bild davon machen, welche Aspekte warum noch schwierig für ihn sein könnten, wo man ansetzen könnte und was für Unterstützungsmöglichkeiten sinnvoll sein könnten.

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Das kann sein, muss aber nicht. Hier sollte man wirklich einzelfallabhängig und sorgfältig abwägen, was ihr ja aber wahrscheinlich getan habt. :slightly_smiling_face: Wenn er an sich gut mitkommt, dann okay. Wenn es ihn aber jetzt oder später einiges an Kompensationsstrategien kostet, kann das auf Dauer sehr anstrengend und auslaugend für ihn sein. Natürlich spielt auch die Offenheit der Lehrkräfte eine Rolle. An meinem Gymnasium wussten es zum Beispiel nur die Klassenlehrkräfte und ich hatte aufgrund des Wissens über die Diagnose keine Nachteile. Allerdings (bis auf eine genauere Diagnostik) auch keine Vorteile.

Und so eine Schule wünscht man sich für das Kind?
Eine stigmatisierende Schule mit veraltetem homogenen Weltbild…
Es gibt auch andere Wege, bspw. Gemeinschaftsschule/Gesamtschule (je nachdem wo man wohnt)

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Glaub mir, wir haben uns monatelang mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ich selber war Gesamtschülerin und bin von dem Konzept überzeugt. Leider gibt es keine geeignete in der Nähe…

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