Selbstliebe/Selbstakzeptanz trotz oder gerade wegen ADHS?

Mehrere Jahre lang wurde ich von meinem Umfeld (Schule, Lehrer, Sportverein), manchmal auch von Freunden und meinen Eltern, kritisiert, gemobbt und niedergemacht, und meine Fähigkeiten und meine Intelligenz wurden in Frage gestellt.

Wie ich seit meiner Diagnose im Alter von 28 Jahren weiß, lag das nie wirklich an mir oder meiner Persönlichkeit, sondern an meinem nicht diagnostizierten ADHS und der unzureichenden Unterstützung von außen.

Wenn ich jetzt mit meiner Therapeutin spreche, sagt sie mir, dass ich mir selbst gegenüber übermäßig kritisch, gemein und verurteilend bin, dass meine innere Stimme manchmal sadistisch ist und dass mein einziger Weg zur Heilung darin besteht, mich so zu akzeptieren, wie ich bin, und mir zu vergeben.

Wie soll ich das schaffen, wenn all meine (vermeintlichen) Fehler, „schwierigen“ Charaktereigenschaften und mein Überfordertsein für andere Menschen, mein inneres Erleben durch diese negativen Erfahrungen einfach komplett verinnerlicht wurde und meine Sicht auf mich selbst dadurch fast zu 100% negativ geworden ist?

Ich habe es immer als schwierig empfunden, enge, intime Beziehungen zu anderen Menschen zu haben, Freundschaften zu schließen und vor allem zu pflegen oder endlich jemanden zu finden, der mich so liebt und akzeptiert, wie ich bin, und dem ich vertrauen kann - das hatte ich noch nie und außer meinen Eltern und meiner Schwester gibt es niemanden, der mich wirklich liebt.

Wie soll das funktionieren?

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Hallo @RaffaelFerrante

So ging es mir gestern nach der Therapie auch. Kompletter Meltdown. Ich wollte mich auch schon im Forum abmelden und nie wieder kommen.

Ich wurde als Kind auch massive gemobbt. Mein Vater ist ein richtiger Nazisst der mich überall fertig gemacht hat wo er nur konnte. Er hat alles an mir kritisiert was er finden konnte. Und wenn er nichts mehr hatte, hat er sich halt was neues gesucht.

Du bist Arbeitslos - Arbeit gesucht - Guck mal wie dick du bist - Abgenommen - Du bist viel zu dünn! - Zugenommen - Zu fett! Achso und such dir eine neue Therapie. Die bringt nichts seit du da erst seit 2 Wochen bist! - Neue Therapie - Nein, das ist auch scheiße.

Mit 18 hab ich den Kontakt dann abgebrochen. Das hat mir wirklich sehr gut getan. Ich konnte mich endlich entfalten.

Erstmal ist es wichtig sich von allem was toxisch ist zu trennen. Ich weiß das viele Angst vor dem einsam sein haben. Aber glaub mir, Einsamkeit ist ein scheiß gegen jemanden der dich Täglich runter macht.
Vielleicht fängst du damit in kleinen Schritten an und trennst dich von Leuten mit denen du eh nicht so oft Kontakt hast. Blockieren. Nummer Löschen. Weg.

Es wird schwer werden das durchzuziehen. Aber du bist nicht jedermanns Trottel!

Auch haben andere Leute doch keine Ahnung davon wie es dir geht. Lass dir Gefühle nicht absprechen. Du fühlst wie du fühlst. Es gibt kein richtig und falsch. Es gibt nur DEIN richtig. Was ist für dich richtig? Das zählt!

Wenn du es richtig findest jemanden aus deinem Umfeld zu werfen dann war es eine verdammt richtige und wichtige Entscheidung!

Niemand hat das recht über dich zu bestimmen, dich blöd anzumachen und dir einzureden wie du zu sein hast!

Selbstliebe ist ein langer Weg. Ein harter Weg. Du musst ihn anfangen zu gehen. Am Anfang wird es dir schwer fallen. Aber in 1 Jahr guckst du nochmal in diesen Thread und fragst dich, wieso du so lange Kontakt zu Leuten gehalten hast die nie wirklich für dich da waren.

Ich hatte einen besten Freund. 3 Jahre lang. Es war extrem toxisch und ich hab die Reißleine gezogen. Es tat sehr weh. Ich hab viel geweint. Aber mittlerweile kann ich wieder frei atmen.
Auch zu einer Freundin die ich seit 20 Jahren Kontakt hatte hab ich den Kontakt abgebrochen. Sie hatte mich immer nur auf das kleine Mädchen was sie aus dem Kindergarten kannte reduziert. „Weißt du noch früher…?“ Das war in der Zeit als ich gemobbt wurde und oft drüber nachgedacht habe mir das Leben zu nehmen. Ich wollte mich nicht mehr darauf reduzieren lassen! Blockiert. Nummer gelöscht. Und es hat gut getan. Ich bin nicht mehr das kleine Mädchen von damals. Ich bin jetzt eine Erwachsene Frau die weiß was sie möchte. Und sowas nicht.

Trau dir ruhig mehr zu! Deine Entscheidungen sind richtig. Deine Gefühle sind richtig. Du bist richtig.

Es ist scheiß egal was andere sagen. Willst du wirklich auf Meinungen von Menschen hören die dich nicht kennen? Die dein inneres nicht kennen? Wieso solltest du?

Du kannst das! Fang an! Es ist wie mit dem Pflaster. Zieh es ab, es tut kurz verdammt weh aber dann bist du froh das es weg ist!

Kopf hoch @RaffaelFerrante
Du bist ein toller Mensch!
Und vorallem bist du nicht alleine. Es gibt viele wie dich und mich.
Menschen die zum Opfer anderer Menschen werden.

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Hallo @RaffaelFerrante :slightly_smiling_face:

Herzlichen Glückwunsch zu deiner Diagnose und deinem Therapieplatz. Schön, dass du nach all der Zeit Hilfe erfährst!

Was du berichtest, kann man durchaus als „typisch ADHS“ bezeichnen :confused: wir erfahren MASSIV mehr Kritik, Ablehnung, Mobbing etc. aufgrund der Symptome von ADHS und den Kompensationsmechanismen, die wir uns gezwungenermaßen aneignen. Deine Schilderungen kmmen mir auch sehr bekannt vor - vor allem in der weiterführenden Schule wurde ich gefühlt kollektiv von allen Altersstufen massiv gemobbt. Komischer Kautz, stark übergewichtig, eigenartige Hobbies, individueller Kleidungsstil, uncoole Hobbies. Man kann Teenagermädchen auch dafür mobben, dass sie aufgrund fehlender Oberweite keinen BH tragen :dotted_line_face:

Natürlich verinnerlicht man all die Kritik, vor allem wenn sie auch aus dem Elternhaus kommt!

Hat deine Therapeutin dir denn Vorschläge gegeben, wie du deinen inneren Kritiker angehen sollst? Oder hat sie einfach nur gesagt, dass du das ändern musst? :thinking: ich habe Jahre vor meiner Diagnose angefangen dutzende Selbsthilfebücher zu lesen, weil ich wusste, da passt was nicht. Meine persönlichen Favoriten bezüglich dem „inneren Erleben“ sind „your head is a houseboat“ von Campbell Walker (leider nur auf Englisch erhältlich) und „Therapie to go“ von Sacha Bachim (deutsch). Falls lesen oder Hörbuch hören etwas für dich ist, lege ich dir die beiden ans Herz.

Ein Trick, den ich mag und der zumindest für mich funktioniert ist folgendes: wenn ich merke, ich habe einen negativen Gedanken über mich (man merkt das ja oft auch gar nicht, was man so vor sich hin denkt - aber manchmal eben schon) dann sage ich mir selbst: BEWEISE ES!

Klar kann man dann auch Hinweise finden für den schlechten Gedanken, aber mir hilft es zu sagen: „Ich kann gar nicht beweisen, dass ich völlig sozial unfähig bin. Ja, ich habe keine engen Freunde, aber scheinbar gibt es Menschen, die ab und an gerne Zeit mit mir verbringen/sich freiwillig mit mir unterhalten/die nett zu mir sind. Das verstehe ich vielleicht im Moment nicht, aber es ist die Wahrheit, und deshalb kann es gar nicht stimmen, dass ich sozial unfähig bin.“

Ich hoffe, das ist verständlich.

Dieser Satz könnte 1:1 von mir kommen! Ich hatte in der Schule einen kleinen Freundeskreis und eine beste Freundin. Letztere hat mich zum Ende der Schulzeit total hintergangen, angelogen und ausgenutzt, das hat meinem so schon sehr zurückgezogen, introvertierten Charakter einen großen Knacks gegeben - und mir die erste depressive Episode.

Seitdem habe ich oberflächliche Bekanntschaften durch die Arbeit oder die Arbeit meiner Frau (die für mich immer noch ein Wunder ist, die aber auch massiv darunter leiden musste, dass ich eben massive Probleme mit emotional-intimen Beziehungen habe). Und selbst für diese Bekanntschaften habe ich „gearbeitet“ (Buchtipp: Wie man Freunde gewinnt, Dale Carnegie). Man unterhält sich nett wenn man sich trifft, geht alle paar Monate mal in größerer Runde irgendwo essen… aber da ist niemand, dem ich mich ganz öffnen würde. Oder könnte. Ich sein kann ich kaum mir selbst gegenüber, kann ich kaum meiner Frau gegenüber. Wie soll ich also jemals eine tiefe Freundschaft finden? Ein Satz, der mich kürzlich sehr angesprochen hat, weil er voll ins Schwarze trifft: Nur wer dich voll und ganz kennt, kann dich voll und ganz lieben.

Jetzt hab ich wieder einen Roman geschrieben. Kurz: ich verstehe genau was du meinst, es ist sch*** schwer, man muss an sich arbeiten, um da irgendwie rauszukommen, und es braucht Zeit. Vielleicht bin ich schon ein, zwei kleine Schritte weiter, denn ich habe das Gefühl: es geht. Irgendwie.

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Aber das ist doch schon mal eine ganze Menge!
Auch Eltern und Geschwister sind nicht verpflichtet, einen zu lieben, also finden die doch schon mal liebenswertes an Dir!

(Ich bin, das ist leider die harte Wahrheit, meiner Herkunftsfamilie völlig egal.
Die kommen höchstens zu mir, wenn sie irgendwas brauchen
Da diese Familie, aber ziemlich dysfunktional ist und ich das schwarze Schaf, das als erste versucht hat, durch Therapie GenerationsTraumata zu überwinden, sehe ich das Problem eher bei den anderen Mitgliedern als bei mir.)

Und es ist auch nicht Deine Aufgabe, fremde Menschen von deinem Wert zu überzeugen.
Freundschaften entstehen oft mehr oder weniger zufällig
Es gibt Studien darüber, aus welchen Situationen Freundschaften entstehen, und das sind oft die Situationen, wo man zunächst mal unfreiwillig Zeit miteinander verbracht hat
Erst dadurch lernt man sich überhaupt gut genug kennen, um eine Freundschaft aufzubauen
Also, ich wüsste keinen einzigen Fall, wo irgendjemand einen anderen Menschen nur mal so gesehen hat und gesagt hat: „Hey, den mag ich, den will ich als Freund!“
Zugehörigkeitsgefühle entstehen aus gemeinsamen Erlebnissen und nicht auf irgendwelchen subjektiv empfundenen Eigenschaften, die man dem anderen Menschen vielleicht zuschreibt.
Und auch eins der wichtigsten Dinge, die Freundschaften ausmachen, nämlich das Vertrauen, braucht lange, um zu entstehen

Freunde zu haben und gemocht zu werden qualifiziert einen Menschen auch nicht unbedingt als tollen Menschen.
Von daher finde ich so etwas als Kriterium für Selbstliebe und oder Selbstakzeptanz ziemlich ungeeignet

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Das fühl ich so sehr! Ich hatte noch nie eine Freundschaft, in der ich wirklich über mich und über meine Gefühle gesprochen habe. Allgemein bin ich nach außen hin immer der fröhliche Mensch, obwohl es innen ganz anders aussieht. Auch hatte ich in meinem Leben noch nicht viele Freundschaften und mir fällt es oft schwer, Konversationen überhaupt am Laufen zu halten, wenn es nicht ein gemeinsames Interesse etc. gibt, über das sich gerade ausgetauscht wird. Einerseits hätte ich manchmal gerne mehr Freunde, mit denen ich mich treffen und etwas unternehmen kann. Andererseits habe ich dafür irgendwie auch keine Kapazitäten und vor jeglichen Treffen überlege ich, ob ich nicht doch absagen soll. :frowning:
Würdet ihr sagen, dass das irgendwie „typisch ADHS“ ist? Mein Ergotherapeut hatte auch gesagt, dass diese sozialen Probleme Richtung Autismus gehen könnten.

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