Ständiger Kampf - und Verteidigungsmodus

Ich kenne Ablehnung. Ich habe viel Ablehnung in der Kindheit in Form von Mobbing aufgrund meines Status, meines Aussehens (Übergewicht) und meiner Art erhalten.
Ich habe auch viel gekämpft, habe mich gewehrt, habe deswegen Ärger bekommen, noch mehr Ablehnung erfahren.
Ständig war ich in Bereitschaft mich zu verteitigen (psychisch, teilweise sogar physisch), überall rechnete ich mit Ablehnung. Habe mich innerlich schon darauf eingestellt, wenn ich neue Menschen kennengelernt habe.
Habe gelernt, je weniger ich von mir preisgebe, desto weniger werde ich abgelehnt. Auf Kosten meiner Bedürfnisse.
Wenn andere mich schlechtmachen, dann drehe ich den Spieß doch einfach um: ich mache sie schlecht! Suche ihre Fehler und betone diese. Böse Menschen. Ich mag lieber Tiere. Außerdem bin ich eh ein Einzelgänger, richtig? Ich bin nicht schuld, die anderen sind schlecht. So konnte ich innerlich wenigstens eine Schlacht gewinnen und diese furchtbare Zeit irgendwie überstehen. Aber:

So bin ich ein harter Richter geworden und so gehe ich in die Welt.
Und so erwarte ich, dass auch über mich gerichtet wird. Umso besser muss ich mich vorbereiten, wenn ich auf andere treffe. Schließlich werde ich abgelehnt werden.

Mit diesen Erfahrungen ging es in eine neue Lebensphase.
Treffe ich nun auf Menschen, die (zurecht) Kritik an mir äußern ist dies für mich eine Kriegserklärung bzw. es ist mit heftigen innerlichen Emotionen verbunden.
Andersherum kann ich Kritik nicht angemessen äußern, weil ich davon ausgehe, dass andere Kritik so wahrnehmen wie ich es tue. Zudem bin ich dabei übermäßig emotional.
Also lasse ich es sein, ignoriere meine Bedürfnisse und irgendwann eskaliert es. Natürlich dann besonders emotional. Alle machen große Augen: warum hast Du denn vorher nichts gesagt, dass es dich stört? Ja, warum nicht?

Ich diskutiere so gerne, aus anderer Leute Standpunkte kann man so viel lernen. Dabei bin ich aber zu impulsiv und zu emotional. Das schwächt meine Standpunkte, weil man durch die Affektivität die Rationalität und den Überblick verliert - Details werden vergessen.
Es gibt immer nur 0 oder 100. Es gibt kein 50, 30, 77 oder 99.

Erlebe ich Situationen wo ich Anerkennung erfahre, bin ich überfordert und spiele es herunter. Schließlich kenne ich das nicht. Das Programm wurde mir in der Kindheit nicht mitgegeben.

Wie muss es Menschen ergehen, die nicht ständig in diesem innerlichen Kriegsmodus sind und friedlich durchs Leben gehen?

Könnt ihr Euch auch mit dieser Innenwelt identifizieren?

Grüße,

Irrlicht

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Ich kenne das auch. Allerdings ist es bei mir durch die zwei Jahre Verhaltenstherapie VOR der Diagnose schon deutlich besser geworden. Mit Diagnose und Behandlung nochmal mehr.

Ich kann Dich dahingehend beruhigen, dass ich als Kind viel gelobt wurde. Hat auch nichts gebracht, ich habs entweder nicht geglaubt oder es war mir egal weil ich mich grade mal selbst toll fand. Normal war da nix. Das ist die Wahrnehmungsstörung und m.E. weniger das Umfeld.

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Danke für deine Erfahrung.

Ich bin zzt an einem Punkt, dass ich einfach keinen Bock mehr auf meine Emotionen habe.
Ich will einfach mal normal reagieren.

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Ich denke es ist schon ein großer Gewinn, dass ich mir dessen bewusst geworden bin.

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@Irrlicht

Du bist nicht alleine!
Ich habe deinen Text gelesen und bei jedem Satz dachte ich mir „Das bin ich“. Zudem glaube ich die Komplimenten und den Lob nicht wenn ich sie kriege. Ich habe immer das gefühl das man mich verarschen will.
Eine Lösung für das Problem habe ich leider noch nicht gefunden, vlt können wir beide uns ja gegenseitig helfen wenn der andere eine Strategie entwickelt hat :slight_smile:

Liebe Grüße!

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Was ich versuche:

Selbstgespräch: „halt den Ball flach“ und „es ist bestimmt nicht so wie du schonwieder denkst“ :D:D

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@Irrlicht

Dabei wäre ich dann im Dauer Gespräch mit mir selbst :joy: was auch der Fall ist, ich versuche es manchmal doch vergesse es danach direkt wieder oder nach dem xten Mal nervt es mich nur noch es nicht ansprechen zu können :roll_eyes:

Wenn mich was stört, dann denke ich solange nach wie ich es nett rüber bringen kann und am Ende verletzte ich mein Gegenüber damit wobei ich mir dann denke „Hätte ich bloß meine Fresse gehalten.“ Aber was soll ich denn da sagen, shit happends und wir können nicht immer unsere Bedürfnisse hinten anstellen :woman_shrugging:t3:

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Ich versuche so bloß immer den ersten Impuls zu unterdrücken, weil ich weiß, dass der meist drüber ist xD

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Natürlich kenne alles, aber mit den Medikamenten ist es sehr viel besser geworden. Ich bin fast diplomatisch geworden, hätte mir das einer vor zwei Jahren gesagt, hätte ich ihn ausgelacht.

Natürlich habe ich immer noch Phasen, wo ich mich nicht beherrschen kann, diese sind aber deutlich weniger geworden. Und ja, jetzt kenne ich 50,60,70 etc.

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Das ist meine große Hoffnung. Ich erhoffe mir eine Art emotionale Abschirmung durch die Medikamente.

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Kenne ich auch von mir. Solche Gedanken sind soweit ich weiß typisch für Depressionen. Mir hilft folgendes ganz gut:

  • Psychotherapie
  • Methoden schwarz-weiß Denken + andere „Denkfehler“ zu erkennen. (Gedankentagebuch ala Beck und „wie viel Prozent ist es so und wie viele Prozent anders“)
  • Diese Methoden auch konsequent anzuwenden, also die Gedanken als Unsinn zu entlarven statt sie in meinem Kopf endlos zu diskutieren.
  • Bupropion

Ich glaube das Bupropion hilft mir am meisten.

Hallo
Das kenne ich auch alles.
Erziehung der Eltern: Traue niemanden und jeder hat was Schlechtes
Du kannst nicht genug
Wir sind alle Außenseiter

Dann als Kind immer wegen der sehr ruhigen und ängstlichen Art Außenseiter gewesen

Später immer Rollen gespielt aber auf Dauer nicht halten können

Festbeißen an Fehlern anderer und Angst vor Reaktionen
Immer anders sein
Anderes sehen wie andere

Ich bin sehr warmherzig aber gleichzeitig auch so verurteilend

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Anlässlich eigenen Erkenntnisgewinns (Genervtheit über mich selbst): Ja, das Clan-Denken ist eine gute, selbstwertdienliche Strategie.
Sie ist aber giftig, weil sie die Arbeit an sich selbst ebenso verhindert wie die Einordnung eigenen Verhaltens.
Gemeinsames Raisonnieren und eine gemeinsame Wir-gegen-Alle-Haltung schaffen halt auch Gemeinschaft und Zugehörigkeit, auch aber nicht nur in der Familie… so vererbt sich das …
Natürlich! wird man ausgegrenzt. Aber das werden andere auch.
Nur grenzen wir uns halt zusätzlich selbst aus, durch pauschales Maulen, Mosern, Abwerten anderer und künstliches Aufwerten von uns selbst.
Stattdessen könnte man auch einfach mal nur „Sein“ und andere mal „sein lassen“ wie sie sind. Freundlich.
Dieser grantelige, permanent hadernde Bewertungsmodus ist ähnlich sinnvoll, wie sich in regelmäßigen Abständen mit den Hammer auf den kleinen Zeh zu hauen und sich dann darüber zu beschweren…

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Bist Du auch schon in dem Karussell „Genervtheit über Genervtheit über sich selbst“?

Finde Eure Gedanken sehr richtig und unbedingt anstrebenswert.

Gleichzeitig frage ich mich: Wie viele Leute kennt ihr, die so leben - im Sinne von „einfach sein“/ leben lassen?

Mir fällt spontan eine Person ein, von der ich - und das in einem Coaching-Setting - die Haltung kenne und abschauen kann: Such das Verbindende, nicht das Trennende. Konzentriere Dich auf das Positive, Konstruktive. Umgib Dich mit Leuten, die das auch tun. (Wenn ich weiterdenke, kommen noch ein, zwei Altersweise hinzu. Von einer davon weiß ich genau, dass sie früher sehr anders war. )

Und dieses „Verbindendes suchen“ ist für mich wirklich ein Game-Changer im persönlichen Erleben.

Aber „normal“ (und das nur im Sinne von „robust“ und „alltagstauglich“) scheint mir das auch nicht.

Und da versuche ich schon einzubeziehen, dass mein Umfeld 1. Ordnung aufgrund der biosozialen Kiste auch nicht zum Modell-Lernen taugt und sich dann auch später noch Gleiche und Gleiche zueinandergesellen… Aber ein paar Unselektierte toben da eben doch auch rum. Und die maulen und mosern doch auch und werten auch ab und sind eher im Kampfmodus, wenn ihnen nicht alles irgendwie egal ist.

Der Hauptunterschied scheint mir, dass die das in der Teeküche machen können und dann wieder an den Rechner gehen und ihren Kram erledigen… Und das Mosern und auch bemühtes Nicht-Mosern nicht so schnell überwertig wird und das „einfach Sein“ überwuchert.

Mit Reisestart in Neurodiversien scheint mir das alles zunehmend wie ein „Volkshochschulkurs in Muttersprache“ … Ein Widerspruch in sich, gefühlt.

Daher fürchte ich, das ist schon wieder von einem Extrem ins andere … und daher so schwer durchzuhalten und so riskant, wieder zurückzupendeln.

Als war das ganze Diagnose-Zeug das Öffnen der Büche der Pandora. Ich frage mich gerade (hoffentlich hinreichend on topic, gerade noch?) häufiger, was damit wirklich besser geworden ist. Oder ob das, was nicht klappt, nur bewusster nicht klappt und sich das Scheitern besser - und neurobiologisch unterlegt und störungsbildbedingt - erklären lässt… Aber vielleicht war es auch „alternativlos“. Keine Ahnung.

Womit wir wieder bei „genervt von sich selbst“ wären… Ich habe genervtheitsbedingt nicht mal mehr Lust, mich verständlicher zu machen.

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Das ist der springende Punkt.
… und als Ziel, das steuern zu können.

Der Kampf-, Nörgel- und Verteidigungsmodus ist sehr sehr anstrengend und macht einen Gutteil unserer Belastung aus.
Das passt auch zur Büchse der Pandora:
Wir haben wenigstens die Chance, das Rad der Wiedergeburt insoweit zu unterbrechen, dass wir den anerzogenen, sozialisierten Anteil davon ablegen. WEIL wir wissen, dass das mit unserer speziellen Wahrnehmung zusammenhängt, praktisch ein Teil des Symptombilds ist.
Tatsächlich ertrage ich dieses Verhalten bei meinen Altvorderen überhaupt nicht mehr…
… und bei mir genausowenig.

… wozu auch kein Anlass besteht…

Ach ja:

Genug.
Eigentlich alle, die nicht extren neurotisch rüberkommen :sunglasses::rofl:

Cool. Dann gutes Gelingen beim Modell-Lernen auf das Ziel hin.

Vielleicht hänge ich immer noch zu narzisstisch ausgelenkt an der Illusion posttraumatischen Wachstums: Ich fand die unneurotischen Teeküchen-Moserer nie ein anziehendes Vorbild.

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… die Moserer nicht, die Strategie schon…

Mich selbst finde ich … frustriert und vergeblich mich in eigenen Gedankenschkeifen verheddernd … auch nicht wirklich sympathisch.

Schimpfen, mosern, nörgeln, das machen doch alle, nicht nur die von hinten, in der Bier und Spirituosen Pinte, nein auch die in der Tee und Kaffee Pause, oder die, die in der Kantine schmausen.

Einfach nur Sein oder Sein lassen, das klingt zu schön, um wahr zu sein, so bin weder ich, noch bist es Du.

Wenn es nur so einfach wäre, warum klappt es dann nicht, das höhere Mass, warum nicht bei mir, warum nicht bei Dir.

Weil wir kompliziert sind, für Kompromisse oft nicht bereit sind, wir nicht sehen wollen, das es viel einfacher sein könnt.

Wir aber, suchen immer weiter, nur um wieder, erneut zu scheitern, denn „einfach“ ist uns zu schwer, wir brauchen den „schweren“ Weg, die Steine, den Schmerz, die Endlosschlaufe, kennen anscheinend keinen Ausweg, auf unserem Weg, der oft so endlos scheint.

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Bitte nicht verallgemeinern - ich brauche das nicht, ganz im Gegenteil. Und es prägt auch nicht mein Leben. Da gab es schon ganz andere Tiefschläge, auf die ich keinen Einfluss hatte. Hier kann ich was tun, auch wenns nicht einfach ist.

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Nein liebe @Hibbelanna , war nicht so gemeint, war vielleicht blöd, weil aus dem Bauch raus. :wink::heart:

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