Starkes Schwitzen durch Methylphenidat AL / Ritalin - Abwarten, Wechsel oder Akzeptieren?

Hallo ihr Lieben,
vorweg, ich weiß, dass es schon einige Beiträge zu dem Thema hier gab. Ich konnte allerdings keinen wirklich aktuellen Eintrag dazu finden, daher nochmal ein neuer Anlauf zur Thematik Schwitzen unter Medikation.

Kurzer Hintergrund. Ich nehme seit ca. 2 Monaten Methylphenidat für meine ADHS. Nach anfänglichen Unsicherheiten, fühle ich mich inzwischen sehr wohl mit meiner 20-20-10 Dosierung. Ab morgen werde ich sogar noch einmal die erste Dosis auf 30 erhöhen, um der eingetretenen Toleranz entgegen zu wirken.
Als Präparat verwende ich derzeit:

  • 20mg - Methylphenidat AL (Kapseln)
  • 10mg - Ritalin adult (Kapseln) - wurde aufgrund von Lieferengpässen bei AL ausgegeben

Leider überschattet das starke Schwitzen viele der positiven Fortschritte. Zuerst dachte ich, dass die innere Hitze nur beim Rebound eintreten würde. Inzwischen nehme ich sie dauerhaft wahr. Der Effekt zeigt sich schon bei der geringsten körperlichen Belastung vor allem unter den Achseln und am Rücken - was mir sehr unangenehm ist. Bei einem kürzlichen Konzert konnte ich fühlen, wie ich selbst in ruhigen Momenten regelrecht auslaufe, obwohl niemand um mich herum sichtlich schwitzte.. Auch nehme ich war, dass das Schwitzen nach der Belastung noch recht lange anhält, sodass ich bspw. bei einem kurzem Sprint zur U-Bahn noch 15 Minuten danach schwitze…

Neben dem allgemeinen Schamgefühl ist natürlich auch der permanente Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten ein Problem. Aktuell dusche ich öfter zweimal am Tag, was meine Haut natürlich gar nicht prickelnd findet…

Meine Psychiaterin wirkte hier nicht überrascht und meinte, dies wäre leider eine bekannte Nebenwirkung von ADHS Medikamenten. Angeblich ließe sich dies auch nicht wirklich durch einen Wechsel vom Wirkstoff beeinflussen, da das Schwitzen durch das Dopamin begründet wäre (sehr vereinfacht ausgedrückt). Auch wollte sie mir keine große Hoffnung machen, dass sich die Angelegenheit mit der Zeit von selbst beruhigt.

Nun überlege ich natürlich, was meine Optionen sind, damit umzugehen. Hat noch jemand Erfahrungen mit dieser äußert nervigen Nebenwirkung gemacht und mag deren Erfahrungen mit mir teilen? Ich hatte schon vereinzelnd gelesen, dass sich dies nach mehreren Monaten „beruhigen“ könne. Ganz besonders würde mich auch interessieren, welche Erfahrungen ihr beim Wechsel von Wirkstoffen beobachten konntet.

Falls jemand darüber hinaus noch ein paar Kniffe für den Alltag hat, ebenfalls gerne her damit. :smiley:

Vielen, vielen Dank schonmal :slight_smile:

Hier wirds grob erklärt, was da im Körper abläuft.

https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11695350/

https://dermnetnz.org/topics/drug-induced-hyperhidrosis

Ursachen der stimulanzieninduzierten Hyperhidrose
  1. Zentrale und periphere Katecholaminwirkung
    Methylphenidat (MPH) und Amphetamine hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Dopamin im ZNS, erhöhen so die zirkulierenden Katecholaminspiegel und aktivieren β-Adrenerge Rezeptoren an ekkrinen Schweißdrüsen – was die Schweißproduktion steigert .

  2. Thermoregulationszentren im Hypothalamus
    Überhöhte Noradrenalin- und Serotoninspiegel verschieben den Soll-Temperaturbereich des Hypothalamus nach unten. Der Körper beginnt früher zu schwitzen, ähnlich der „Fight-or-Flight“-Reaktion .

  3. Verstärkte cholinerge Neuroeffektorübertragung
    Einige Psychostimulanzien hemmen Acetylcholin-Esterasen oder fördern ACh-Freisetzung an ekkrinen Synapsen, was die Schweißdrüsen zusätzlich reizt .


Praktische Tipps zur Alltagsbewältigung

1. Lebensstil und Kleidung

  • Atmungsaktive Textilien (Mikrofaser, Merinowolle) fördern Verdunstung.

  • Raumklima bei 18–22 °C halten; Ventilator oder gekippte Fenster nutzen.

  • Lauwarmes Abduschen nach Sport/Stress; Feuchtigkeit rasch abtupfen.


2. Topische Antitranspirantien

  • Aluminiumchlorid-Hexahydrat (15–20 %)
    OTC- oder verschreibungspflichtig (z. B. Drysol). Anwendung 3–4 Nächte hintereinander, dann nach Bedarf .

  • Glycopyrronium-Tuch (2,4 %)
    Besonders im Gesicht/Kopfbereich; kürzere Wirkdauer, aber gute lokale Effektivität .


3. Physikalische Verfahren

  • Iontophorese
    Elektrischer Strom verschließt Drüsenausgänge, v. a. an Händen/Füßen; auch als Heimgerät verfügbar .

  • Kältetherapie
    Kühlpads oder Eispackungen senken lokal die Drüsendurchblutung und Schweißrate.


4. Invasive/Systemische Optionen

  • Botulinumtoxin A intradermal
    Blockiert ACh-Freisetzung, Wirkdauer 4–8 Monate – Standard bei axillärer Hyperhidrose .

  • Orale Anticholinergika (Oxybutynin, Glycopyrrolat)
    Zweite Wahl bei Versagen topischer Maßnahmen; Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Hitzestau) beachten .


5. Medikationsanpassungen

  • Formulierung
    Wechsel von kurz wirksamen (IR) zu Retardpräparaten (ER) kann Peaks und damit Schweißspitzen mildern.

  • Dosissplitting
    Mehrere kleine Gaben statt einer großen Dosis reduzieren Katecholamin-Spitzen.

  • Timing
    Einnahme mit leichtem Snack (z. B. Joghurt) kann die Resorptionsgeschwindigkeit modulieren.


Die Hyperhidrose unter ADHS-Stimulanzien resultiert aus verstärkter sympathischer und cholinerger Stimulation der ekkrinen Drüsen. Neben nicht-medikamentösen Maßnahmen spielen antitranspirative Topika und physikalische Verfahren die erste Rolle; in hartnäckigen Fällen kommen Botulinumtoxin oder orale Anticholinergika infrage. Vor invasiven oder systemischen Behandlungen sollte stets eine interdisziplinäre Risiko-Nutzen-Abwägung mit dem behandelnden Arzt erfolgen.

Jut, die Tipps weiter unten sind natürlich in diesem Fall nicht wirklich hilfreich, aber hab sie mal dringelassen.

2 „Gefällt mir“

Vielen Dank für die Links. Das ist schonmal sehr spannend, die Hintergründe besser zu verstehen. :slight_smile:

Nicht dafür :slight_smile:

Bedeutet wahrscheinlich aber leider, dass es immer so sein wird (oder zumindest dosisabhängig mal mehr / mal weniger ausmacht) :confused:

Aktuell bei Temperaturen von 25+ bis 32 Grad ist es natürlich besonders ätzend. Auch mit dem anderen Wirkstoff :man_shrugging:

Am Sonntag musste ich mich z.B. den ganzen Tag in schlecht durchlüfteten Räumlichkeiten aufhalten (bzw. es gab da trotz weit geöffneter Türe keinerlei spürbaren Luftzug).

Hatte aber ein kleines Handtuch dabei, weil ich es schon erwartet habe. Mir lief es permanent einfach nur runter.
Im Windkanal wäre es angenehmer.

Du wirst da wohl eine Zeit lang durch müssen, fann eird es besser und dann irgendwann deutlich besser, aber es ist normal mit jedem Stimulanz. Nach einem Jahr Ritalin nonstop ich glaube 10 Monate oder 11 alleinig und irgendwann mit 60 bis 80 mg täglich. Trotzdem irgendwann wurde es deutlich besser. Mit Elvanse ist es nicht unbedingt besser, trols erfriere ich auch bei 30 grad und beim Anfluten zerlaufe ich dann.

Es gibt aber viel schlimmere Nebenwirkungen und mir war es das wert und ist es auch immernoch