Ein spontaner Gedanke und meine Erfahrung:
Kann es sein, dass unsere bloße Existenz viele andere Menschen provoziert? Weil man Dinge hinterfragt, eigenständig/ungewöhnlich denkt, etc…
Teilt gerne mal eure Erfahrungen, würde mich interessieren
Ein spontaner Gedanke und meine Erfahrung:
Kann es sein, dass unsere bloße Existenz viele andere Menschen provoziert? Weil man Dinge hinterfragt, eigenständig/ungewöhnlich denkt, etc…
Teilt gerne mal eure Erfahrungen, würde mich interessieren
Du sprichst hier ein… sehr empfindliches Thema bei mir an
Das ist eine Erfahrung bzw. eine Schlussfolgerung, welche ich für mich selber auch schon gezogen habe: Meine Anwesenheit provoziert scheinbar sehr viele Leute.
Ich denke nicht, dass es davon kommt, dass wir Dinge hinterfragen oder eigenständig (das tun andere schon auch!)/ ungewöhnlich denken. Zumindest glaube ich nicht, dass das bei mir der Fall war/ist. Kann natürlich bei dir so sein, wer weiß?!
Ich kann hier natürlich nur für mich sprechen. Das Gefühl, irgendwie anders zu sein, kennen hier ja viele. Und ich habe ab der Jugend gemerkt, dass ich wohl viele Mitmenschen irritiere (nett ausgedrückt). Ich muss schon nur anwesend sein. Das reicht. Ganz schlimm bei anderen Frauen
Ich weiß bis heute nicht genau, woran es liegt. Dass ich komisch bin, wurde mir ja auch schon ein paar mal ins Gesicht gesagt… Tja, woher kommt wohl, dass mein Selbstvertrauen praktisch nicht existent ist…?!
Meine Anwesenheit hat ganz sicher schon immer provoziert.
Als Kind war’s noch okay. Als Teenie gabs dann schon einige, die sich mit mir scheinbar unwohl gefühlt haben. Hauptsächlich Gleichaltrige.
Und auch mit den meisten anderen Frauen war/ ist es schwierig.
Und irgendwann provozierte meine Anwesenheit schon, seit ich vegan lebe und dann nochmal mehr, weil ich nicht mehr trinke.
Die herrliche kognitive Dissonanz
Wenn ich jetzt noch damit hausieren gehen würde, dass ich als Erwachsene plötzlich ADHS haben soll….
Bin ja schon ewig ein Sonderling für mein Umfeld.
Soziale Kontakte sind sowieso schon mau.
Also so what
Ich glaube „anders“ oder ein Sonderling sein wie ihr hier schreibt muss nicht zwingend dazu führen dass man wenig soziale Kontakte hat.
Dann ist man vielleicht generell eher introvertiert oder hat einfach noch nicht die richtigen Leute getroffen
Ich für meinen Teil habe Leute gefunden die mich genau DESWEGEN mögen. Aber den Rest der Menschheit provoziere ich halt nur😂
Nur mal als kleiner positiver Denkanstoß an euch beide, weil das alles so negativ klang^^
Ist ja auch negativ, wenn du dein Leben lang Masking betreibst, um dazuzugehören. Eine Ehe eingehst und einen gemeinsamen Freundeskreis hast und die einen nur als „Partner von“ sehen.
Also ich hatte „Freunde“ solange ich mich angepasst habe.
Und auch im Sport, war ich zwar Teammitglied, aber wirkliche Freundschaften gabs da auch nie.
Ich hatte ne langjährige beste Freundin, die mich nur ausgenutzt hat und die toxischste Person in meinem Leben war. Als ich nicht mehr funktioniert habe, wie sie das wollte, war ich abgeschrieben. Es hat lange gedauert, das zu erkennen und genauso lange, darüber wegzukommen.
Und mit 45 die richtigen Leute finden, ist halt nicht mehr, wie mit 20.
Aber ich bin jetzt fein damit. Ich hab eine richtige Freundin, die ich schon lange Jahre habe und die immer da ist. Und wir können wochenlang nix voneinander hören, trotzdem passt das gut so für uns. Sie war immer da, auch wenn ich das erst spät richtig wahrgenommen habe.
Ja, das ist so bei Neurodiversität. Wir schauen hinter die Kulisse, sind initiativ und gehen neue Wege.
Meine Frau sagt, wir haben immer versucht das zu machen (beruflich, in Vereinen, Kirchengemeinden oder unserer Partei), was 15 Jahre später Mainstream ist. Aber wir werden ausgebremst und scheitern, und wenn es dann viel später alle gut finden, denkt keiner mehr daran, wer das schon damals wollte.
Ich glaube, neurodivers eröffnet Fähigkeiten, die andere nicht haben. Das ermöglicht Einblicke und Erkenntnisse, die anderen schwerer fallen.
GLEICHZEITIG
Beinhaltet neurodivers auch Bedürfnisse und Begrenzungen, die andere Menschen nicht haben, was Einblicke und Erkenntnisse erschwert, die nondiversen Menschen möglich sind.
Daraus folgt die erste Erkenntnis: neurodivers ist anders. Weder besser, noch schlechter. Nur anders.
Aaaaaaaber:
Es ist ein psychologischer Fakt, dass jede Gruppe ihre Normalnullwerte anhand der Mehrheit aushandelt. Das ist in der Regel auch gar nicht schlecht. In diesem Forum sind ADHSler leicht in der Mehrheit (wirklich nur gaaaaanz leicht ;-))). Und ich gehe davon aus, dass auch das zu einer Verschiebung des Normalnulls führt. Zum Beispiel ist hier wenig wohlgelitten, wer kein akzeptierendes Verständnis für Neurodiversität hat. (Bessere Beispiele sind willkommen).
Neurodiverse sind auch „nur“ eine Gruppe. Ich bezweifle, dass neurodiverse Menschen per se besser sind.
(Mit einem kleinen Bonus dafür, dass ich Menschen bevorzuge, die einmal die Erfahrung gemacht haben, anders zu sein. Weil das mehr Verständnis dafür schafft, dass Menschen anders sein können, ohne deshalb schlechter zu sein. Deshalb mag ich Homosexuelle recht gerne, ohne dass ich ihre sexuelle Orientierung teile).
Und in der Gesamtgesellschaft sind neurodiverse in der Minderheit.
Daher werden die Regeln der Gesamtgesellschaft nicht auf sie abgestimmt. Die Erweiterung der Regeln der Gesamtgruppe kann aber ausgehandelt werden, das ist eine politische und soziale Aufgabe. Drum: Mund auf. Nur bitte, ohne zu erwarten, dass die Regeln neurodiverser Menschen „richtiger“ wären.
Dafür sollte es ebenfalls genug Beispiele geben: können neurodiverse Menschen die Regeln und Bedürfnisse, die Gruppen haben, mit den neurodiverse nicht ständig in Berührung kommen, leichter berücksichtigen (über das Maß hinaus, das die einmal gemachte Erfahrung anders zu sein, eröffnet)?
Falls ihr Beispiele dafür oder dagegen wüssten, fände ich es spannend, ob sich meine Sichtweise bewahrheitet oder widerlegen lässt.
Nach meiner Hypothese wäre auf die Frage
meine Antwort; JA.
Aber nicht, weil neurodivers in einer bestimmten Weise anders sit, sondern einfach nur, weil es anders ist.
Ich vermute, dass neurodiverse von Menschen, die genauso weit von nondiversen Menschen entfernt sind, aber nicht neurodivers sind, genau so sehr provoziert werden.
Weil neurodivers anders ist, aber nicht besser.
Nimm das besser noch in das Info-Fenster bei der Anmeldung auf. Sicher ist sicher.
Ich merke es auch daran, wenn mich ein neurodiverser Mensch nicht nervt während andere davon Schrott genervt sind.
Hier im Forum geht es sehr entspannt zu.
Dagegen sind ADHS- und Homo-Communitys auf Reddit echt intolerant und toxisch. Selbst in der homosexuellen Realität ist das so. Vielleicht eine Trauma-Reaktion, gut um Alan Downs „The Velvet Rage“ zu zitieren: Overcoming the pain of growing up gay in a straight man’s world
Da wurde auch viel maskiert und mit Perfektionismus überspielt. Viele Homos streiten dies natürlich ab. Schwäche zeigen gilt gesellschaftlich als schwach.
Meine typische Frage war lange Zeit
„Wieso machen wir das so und nicht so?“
oder
„Soll das Sinn machen?“
Idealerweise zu einer höherrangigen Person (Chef) vor anderen. Die Person war dadurch in Ihrem Ego angegriffen.
Da kommt dann das soziale Konstrukt ins Spiel und die anderen schleimen sich bei der Person ein. Da wird der Chef mit seiner Idee gebauchpinselt auch wenn sie alle bescheiden finden. Hab‘s lange nicht verstanden was los war. Heute weiß ich es. Teilweise nutze ich diesen Mechanismus gern als kecke Provokation. Ich versuche immer noch zu lernen mich authentisch dumm zu stellen.
Ja!
Ich mache ständig die Erfahrung, dass Andere sich insgesamt von mir provoziert fühlen.
Ich kann nichts tun, „weil man es tut“.
Ich kann nichts akzeptieren, „weil das nunmal so ist“.
Ich gebe mich nie mit einseitigen Perspektiven oder eingeschränktem Rahmen zufrieden.
Ich bin denke immer schon zehn Schritte weiter.
Ich spüre keine Bindung aufgrund gesellschaftlicher Hierarchien oder traditioneller Familienverhältnisse.
Ich hinterfrage prinzipiell, was jemand sagt und tut.
Ich reagiere allergisch auf Ungerechtigkeit.
Ich führe einen ungewöhnlichen Alltag, in dem ich immer wieder versuche, meine eigenen Bedürfnisse zu beachten.
Ich vergesse, was man mir erzählt.
Ich höre nicht zu.
Ich unterbreche.
Ich bin unruhig.
Ich bin unstetig.
Ich kann sehr schnell Richtungen wechseln, wenn ich zu dem Schluss komme, dass das notwendig ist.
Ich bin schwer einzuordnen und für Viele unberechenbar.
Ich werde sogar rebellisch, wenn ich bemerke, dass jemand mich in eine Schublade quetschen möchte.
…
Ich könnte die Liste lange weiterführen.
Eine Freundin hat mir kürzlich erklärt, dass ich meinen Kollegen Angst mache. Ich denke weit und möchte viele Prozesse ändern. Meine Kollegen sehen den nächsten Schritt und dass sie dort etwas ändern sollen und wissen dann, dass sie weitere Dinge ändern werden müssen, ohne bereits sehen zu können, was das ist. Und das macht Angst.
Ich weiß, dass es Viele verunsichert, dass ich nicht einfach so loyal bin, zum Beispiel weil jemand in meinem Team oder in meiner Familie ist. Sondern ich bin dann loyal, wenn ich überzeugt bin, dass jemand moralisch handelt. Besonderes Ansehen oder eine starke Bindung muss man sich bei mir inhaltlich verdienen und wird nicht durch einen oberflächlichen Status hergestellt. Erstens verunsichert das viele Menschen, die meisten verstehen es nicht und einige macht es regelrecht aggressiv. Einen oberflächlichen Status zu erreichen ist für sehr viele Menschen das Lebensziel und sie erwarten dementsprechend Anerkennung dafür, die ich nicht aufbringen kann.
Moralisch handelnde Menschen werden von vielen Menschen wie ein wandelnder Vorwurf erlebt, warum auch immer. Oft werde ich als arroganter „Gut-Mensch“ betrachtet. Und ich denke dann: Was kann ich dafür, dass es dir zu anstrengend ist, mal um die Ecke, einen Schritt weiter oder aus einer anderen Perspektive zu denken? Und warum muss ich perfekt sein und die Weltprobleme lösen und du dir nicht mal Mühe geben?
Tatsächlich bin ich, glaube ich, sehr anspruchsvoll. Aber viele Menschen übersehen, dass meine Messlatte an mir selbst noch höher ist.
Mein Mann (auch ADHSler) hat regelmäßig seine Ausraster wegen der Beschränktheit vieler Menschen. Er kann die Formulierungen, die er tief verachtet, gut wiedergeben:
„Dann muss man aber auch…“ - Ernsthaft? Kreativer bist du nicht?
„Endlich sagt‘s mal Einer…“ - Really? Was Alle sagen?
„Der immer mit seinem…“ - Komm schon! Denk wenigstens diesmal drüber nach!
…
Ich fühle das jedesmal so sehr, wenn er sich aufregt! Ich glaube, das typische Out-of-the-box-Denken von ADHSlern bringt viele Leute so richtig auf die Palme, erst recht, wenn sie es nicht verstehen. Und für Viele ist es auch wirklich nicht nachvollziehbar, warum man das tut. Schließlich wird niemand dafür von Anderen belohnt. Es ist eine rein intrinsische Angelegenheit.
Intrinsische Motivation ruft auch bei vielen Leuten Neid hervor, habe ich festgestellt.
Und viele Leute verwechseln Out-of-the-box-Denken mit hohem IQ oder guten Bildungs-Leistungs-Ergebnissen. Aber das ist damit nicht gemeint. Mein Mann und ich haben seit vielen Jahren enge Freunde, die ganz sicher nicht mit hohem IQ beschenkt sind. Aber die haben einen moralischen Kompass, hinterfragen und nehmen irgendwelchen oberflächlichen Schwachsinn nicht als gegeben hin. Es muss kein Doktor dabei rauskommen und kein perfekter Mensch. Ein moralisch authentischer Mensch reicht vollkommen aus.
Meine Mutter hat mich meine ganze Kindheit lang runtergemacht, nachgeäfft und beleidigt, weil ich unerträglich für sie war. Dahinter steckte eine tiefe Angst, dass ich ihre Fassade zum Bröckeln bringe. Ich bemerke diese Angst bei sehr vielen Menschen, mit denen ich zu tun habe.
Also ja - Ich habe täglich den Eindruck, andere Menschen zu provozieren, nur durch meine Anwesenheit.
Dafür muss ich aber sagen, dass ich ganz wundervolle Freunde und auch ganz tolle Familienmitglieder habe. Nicht viele, aber sehr wichtige! Zwar sehe ich oft dieses Stirnrunzeln, wenn ich etwas erzähle, was für mich ganz normal ist. Aber sie sind neugierig und fragen dann nach und freuen sich, Teil an meinen Gedanken zu haben. Und ich liebe es an ihren anderen Gedanken teilzunehmen und ihre Welten zu entdecken, die zwar ganz anders als meine sein können, aber auf ihre individuelle Art schön und spannend. Und ich mag es sehr, dass diese Menschen meine Dinge hinterfragen und kritisieren und ich gleichzeitig weiß, dass sie das tun, weil sie sich darauf verlassen können, dass ich empfänglich dafür bin und mein Gegenüber dafür schätze. Diese Personen sind alle entweder neurodivergent oder haben andere Behinderungen / Erkrankungen.
Das hast du super ausgedrückt!
Aber ich bin davon überzeugt, und ich denke, da werden mir viele zustimmen, dass jede Gruppe, jede Ausprägung in der Gesellschaft ihren Nutzen und ihre Berechtigung hat.
Es braucht immer die Leute, die am bestehenden festhalten und die Dinge am Laufen halten, aber auch die, die Out of the Box denken und sich neue Wege überlegen.
Leute mit dem erhobenen Zeigefinger und die mit den offenen Armen.
Macher und Bewahrer, Poeten und Pragmatiker, Eroberer und Beschützer
Und sogar die unmoralischen und Selbstsüchtigen haben ihren Zweck, denn sie können immer noch als schlechtes Beispiel dienen und den Rest zum zusammenhalten bewegen.
und wenn die eine Gruppe in der anderen durch ihre Taten, ihre Meinung oder ihre bloße Existenz in der anderen Gruppe Unbehagen erzeugt, dann ist auch das für etwas gut
Nur, wenn mir Unbehaglich ist, bin ich bereit, mich mit irgendwas auseinander zu setzen.
In der Komfortzone und Harmonie entwickelt man sich üblicherweise nicht weiter, weder als Person noch als Gesellschaft
Was mich betrifft: JA, einige Menschen fühlen sich in der Tat irgendwann von meiner bloßen Anwesenheit provoziert. Zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Sagen wir so, die Entwicklung hin zum roten Tuch für jemanden kann ich oft schon im Stadium des Kennenlernens erahnen, es hängt also auch vom Gegenüber ab. Meine Antennen sind nach vielen leidlichen Erfahrungen scharfgestellt.
Habe oft nach Gründen dafür gesucht. Ich erkläre mir das Ganze mit meinen oft impulsiven Äußerungen, mit denen ich hin und wieder - wirklich ohne böse Absicht - vor den Kopf stoße, auf den Schlips trete, empöre. Wie ein Elefant im Porzellanladen. Je nach Grad des innerlichen Gleichmuts kann mein Gegenüber dann damit umgehen oder nicht. Beide Varianten sind legitim.
Ich bin mit dem Alter umsichtiger geworden, versuche, nicht mehr so oft anzuecken, wohlgefälliger zu erscheinen. Und frage mich bisweilen, ob ich das eckige und kantige Ich nicht doch lieber mag, als mein angepasstes. Was die einen stört, finden andere ja durchaus reizvoll und herausfordernd.
@Autumnly Ich muss ehrlich gestehen, in deinem Kommentar kommt mir eindeutig zu oft das Wort „Moral“ vor. Ich empfinde das als kritisch. Bitte denke daran, dass Moral von Menschen, Gesellschaften, Religionen, Nationen usw. definiert werden. Die Taliban haben ihre Moral, die Nazis hatten auch ihre Moral, Mao Zedong und seine Truppe ebenso… und sich selber das Attribut, moralisch zu handeln/ denken so stark zuzuschreiben finde ich jetzt irritierend
Gerade so etwas finde ich schwierig:
Das hier finde ich wiederum interessant, hat es doch soeben eine Erinnerung in mir geweckt:
Das habe ich auch schon über mich gehört, dass ich anderen Angst mache. Vor allem dem anderen Geschlecht, in meinem Fall also den Männern. Die hätten Angst vor mir und würden sich nicht an mich herantrauen
Ich habe hier irgendwo im Forum mal einen verlinkten Bericht von irgend so einer ADHS-Ikone gelesen und da stand was interessantes drin. Der zeigte „normalen“ Menschen Videoaufnahmen von Menschen mit Depression und ADHS (fragt mich nicht genau, was er gezeigt hat). Wenn die Menschen die Personen mit Depression sahen, fühlten sie sich auch traurig und schlecht. Wenn sie eine Person mit ADHS sahen, haben sie vermehrt aggressiv auf diese Person reagiert. Er konnte sich das nicht erklären…
Magst du das Wort „Moral“ nicht? Und wenn man es anders nennst?
Ich verstehe Moral wie bei Kant: Es geht darum, Gutes zu wollen, Andere nicht als Zweck zu sehen, sich nicht von persönlicher Neigung leiten zu lassen, sich aus freien Stücken selbst zu verpflichten, entsprechend zu handeln. Vielleicht wäre es dir sympathischer, wenn man es anders nennen würde?
Nach Kant sind Kultur und Tradition empirische Aspekte, die nicht für Alle gelten können. Demnach hat eine politische Einstellung auch nichts mit Moral zu tun. Jemand, der Anderen Leid aufgrund der Politik in seiner Region zufügt, handelt nicht moralisch.
Ich finde das eigentlich gar nicht irritierend. Wenn ich Menschen kennenlerne, die in der Lage sind, ihre Entscheidungen, die auch Andere betreffen, danach zu fällen, ob sie nicht nur gerade subjektiv für einen selbst Sinn machen, bin ich immer begeistert und ordne das als moralisches Handeln sein, auch wenn es nicht perfekt sein kann. Ich sehe mich da mit allen Menschen gleich. Es macht nie einen Unterschied, wo man herkommt oder was man beigebracht bekommen hat. Es erfordert lediglich, selbst zu denken und offen zu sein und halt viel Übung. Je mehr ich mich mit solchen Menschen austausche, desto mehr kann ich ja auch darüber lernen, ob ich selbst moralisch handle. Die Absicht ist wesentlich. Es geht wie gesagt nicht darum, dass es einem immer gelingt. Aber man darf keine Ausnahmen in der Absicht machen. Ich sehe moralisches Handeln als meine Verpflichtung und nicht als etwas, was ich vielleicht gerne mal erreichen möchte. Daher finde ich es nicht irritierend.
Mir ist aber durchaus bewusst, dass diese Kant-Prägung durch meine kulturelle Herkunft da ist. Und das widerspricht natürlich dem, dass kulturelle Prägung keine Grundlage für Moral sein kann. Daher bin ich gerne offen für andere Philosophien oder Ansätze. Ich lerne immer gerne dazu und verbessere damit meinen Sichtausschnitt auf das, was womöglich universell ist.
Edit:
Aber so jemand wie Kant hätte mir vermutlich auch gesagt, dass ich Bescheidenheit und bessere Kommunikation lernen muss.
Mir ist gerade eingefallen, dass die Kinder meiner Schwester Angst vor mir hatten
Ich war die große, laute, schwarze Frau
Hab damals wohl recht viel schwarz getragen und war schon immer ein Kopf größer und deutlich breiter als meine kleine, zarte Schwester mit der leisen Stimme
Neben ihr (die 9 Jahre älter ist als ich) wirkte ich immer noch mehr wie der laute unbeholfene Trampel, als der ich mich ohnehin schon fühlte
Ich bin auch kein Fan des Wortes Moral. Es macht den Eindruck einer Universalität.
Besser finde ich das Wort „Werte“ bzw. genauer „Wertvorstellungen“. Man könnte es auch als „Prioritäten des Lebens“ benennen.
Ich bin zum Beispiel auch schlecht im Lügen und sage dann oft entweder die Wahrheit oder Halbwahrheit. Würde Dinge auch nie beschönigen dann sage ich lieber gar nichts. Ich glaube die Wahrheit steckt nicht jeder so gut weg (ich ja auch nicht). Vielleicht wirkt auch das nochmal provokant und evtl. unhöflich, dass man es wagt ehrlich zu sein?