Heeo alle, ich bin noch nicht so lange hier im Forum - falls ich die falsche Kategorie gewählt habe oder es das Thema schon irgendwo gibt, sagt mir gerne Bescheid. Das hier ist mein erster Thread
Bin eigentlich wegen einer langanhaltenden depressiven Phase die sich mittlerweile als Dythimie herausgestellt hat letztes Jahr endlich in Therapie gelandet. Nach ein paar Sitzungen sagte meine Therapeutin mir, dass sie stark davon ausgeht dass ich auch ADHS (unaufmerksam) habe. Seitdem versuche ich herauszufinden, was das heißt. Schaue jetzt auch ein bisschen anders auf Probleme, die mich schon länger begleiten, und frage mich, ob das auch mit ADHS zusammenhängt. Eins davon, was mich besonders belastet, ist die soziale Erschöpfung.
Im Moment habe ich wieder so eine Phase, in der ich mir einfach wünsche, die Zeit würde stehenbleiben und ich könnte ein paar Tage schlafen, ohne mit jemandem reden zu müssen. Ich kann zwar arbeiten gehen und wenn ich zuhause bin weiß ich eigentlich auch, was ich machen könnte, damit es mir besser geht - mal den Haushalt machen oder Sport. Aber ich fühle mich komplett blockiert davon, dass „ständig jemand was von mir will“. Wenn mir jemand schreibt und fragt, wie es mir geht oder noch schlimmer, mit mir telefonieren will, bin ich sauer. Ich bin nicht in der Lage dranzugehen, und mein Kopf ist total leer wenn ich versuche etwas zu finden was ich zurückschreiben kann, weil ich absolut kein Bedürfnis danach habe, mich auszutauschen oder zu reden - wahrgenommen zu werden eigentlich. Mich ärgert, dass die Person jetzt merkt, dass ich nicht zurückschreibe. Dann habe ich nur noch die Wahl, etwas zu tun, was mir widerstrebt oder auszuhalten, dass meine Rückzug wahrgenommen wird. Und der Rückzug fühlt sich nicht mehr gut an, wenn er wahrgenommen wird. Ich will alleine sein, weil ich mich selbst dann nicht so sehr wahrnehme: ich bin mir keine Rechenschaft schuldig und darf aufstehen und gehen, abbrechen und neu anfangen was ich will. Was ich als nächstes mache, muss keinen Sinn ergeben. Meine Stimmung kann sich von jetzt auf gleich ändern. Es ist egal was ich anziehe und wenn mir lange genug langweilig ist, habe ich genug Inspiration für Projekte oder Ideen, die ich dann bereit bin nach außen zu tragen. Zwischendurch bin ich dankbar für reality Checks und andere Perspektiven, aber im Grunde nehme ich das Alleine sein als Freiheit wahr. Sobald ich mir aber bewusst bin, dass sich anderer meiner bewusst sind, zum Beispiel an mich oder über mich nachdenken während ich nicht da bin - das kotzt mich an, dann kann ich diese Freiheit nicht genießen sondern muss die Absurdität meines Verhaltens - mich selbst im Kontext der Welt betrachten. Und dann werde ich erst recht wütend auf mich selbst, dass ich mich nicht einfach freuen kann, dass es diese Verbindungen gibt. Ich bin ja gerne mit meinen Freunden zusammen, aber ich brauche so viel mehr Zeit für mich. Zu wissen, dass die Erwartung da ist, mal zurückzurufen, was zu unternehmen, nen Daumen hoch zu geben, während ich schon verzweifelt bin, dass ich nur den Feierabend für mich habe und am nächsten Tag wieder raus muss. Zu hören, dass andere Leute im Haus sich bewegen und Geräusche machen, und dass diese Leute wahrnehmen, dass ich das nicht tue, dass ich leise da bin, dass sie jeden Moment an die Tür klopfen könnten macht mich wahnsinnig. Ich bin sauer, dass dieser Druck auch durch den Rückzug nicht aufhört. Ich wünschte ich würde nicht nach und vor jedem sozialen Ereignis in Tränen ausbrechen, wenn ich nur darüber nachdenke meine Zeit mit anderen Menschen verbringen zu müssen. Ich will ja eigentlich, aber am meisten will ich einfach alleine sein und dazu ist nie genug Zeit. Also auf dem Level wie es jetzt ist, kenne ich mich eigentlich gar nicht. Sonst hab ich mich gefühlt, als ob es trotz dieser Phasen noch einen „normalen Modus“ gibt, in dem ich zwar nicht im Mittelpunkt und mit Pausen trotzdem okay damit bin unter Leuten Ich selber zu sein, gesehen zu werden. Aber jetzt kann ich, selbst wenn ich mich dazu zwinge, garnichts aus meinen Kontakten ziehen. Es macht mir keine Freude und ich fühle mich wie eine Lügnerin, weil das People Pleasing dann extrem anspringt, wenn doch jemand unangekündigt vorbeikommt oder Feiern und Termine anstehen, die ich nicht vermeiden kann . Finde auch keinen Weg vernünftig drüber zu reden, weil ich glaube ich immer so sehr maskiere oder einfach zu weit entfernt von meinen eigenen Bedürfnissen bin, dass dann niemand etwas damit anfangen kann wenn ich offen sage „Sorry dass ich mich die ganze Zeit nicht gemeldet habe, ich habe mich total leer gefühlt“ oder „Sorry, dass ich zu spät bin, musste aus irgendeinem Grund weinen und konnte mich nicht aufraffen“. Im besten Fall wird das ratlos übergangen, im schlimmsten Fall als Ruf nach Mitleid und Aufmerksamkeit gedeutet. Schon passiert, dass einem dann Essen vorbeigebracht wird oder man hört wie im Flur die Kinder ermahnt werden, leise zu sein weil @Jagwar gehts ja nicht so gut - Oder jemand hat ein offenes Ohr und Zeit für dich. Dann sitze ich das aus weil ich nicht unhöflich sein will und bedanke mich, und am Ende bin ich so frustriert und traurig über die verlorene Zeit, über das Missverständnis, dass das gut getan hätte, und dass es so weitergehen wird. Ich bin momentan auf der Warteliste für einen Klinikaufenthalt und merke, dass ich mich am meisten darauf freue, eine Ausrede zu haben anstrengende Beziehungen abzuschneiden. Meine Phantasie war es schon immer, alleine auf einem Berg zu leben - irgendwo, wo niemand hinkommen kann und niemand weiß wo ich bin, und nur runterzukommen, wenn mir danach ist.
Wenn man mit ADHS schneller mal reizüberflutet ist, dazu neigt, Dinge anders zu machen und sich nicht in Schubladen stecken lassen will, liegt ja auf der Hand, dass man öfter mal Zeit für sich braucht. Oder dass die Bedingungen, sich unter Leuten wohl zu fühlen und mit seinen ganzen Eigenheiten akzeptiert zu werden (gerade ohne - oder mit später Diagnose) nicht so einfach sind. Mich hat irgendwie immer gestört, dass von der Depression als Anfangspunkt und dem Rückzug als Folge geredet wurde. Jetzt frage ich mich, ob ich nicht eher traurig bin, dass weder dieses Zurückziehen noch das unter Leuten sein richtig klappt, weil bestimmte ADHS Symptome eben immer da sind.
Kennt ihr solche Phasen? Wenn ja, wie geht ihr damit um?
Denkt ihr, das hängt mit der Kombi ADHS+Depression zusammen, oder ist es doch noch etwas für sich (Stichpunkte Soziale Phobie, Demand Avoidance, Burnout, „Fear of being perceived“… ) ?