Hallo Peter, ich kann deine Verzweiflung gut verstehen. Unbekanntes kann einen manchmal ganz schön machtlos fühlen lassen. Aber vllt hilft dir meine Perspektive, davon ausgehend, dass er neurodivergent ist:
Ich wurde erst mit 40 diagnostiziert, mein Sohn mit 20. Ich „kenne“ also quasi die Zukunft, wenn dein Sohn ohne Diagnose weiter so tut, als wäre er neurotypisch (also als hätte er zb. kein ADHS).
Er entwickelt immer mehr Maskierungsstrategien und weiß irgendwann nicht mehr, ob er selbst gewisse Dinge fühlt oder ob es die Gefühle seines neurotypischen Avatars sind. Ständige Paralysen, Burnout, Selbstzweifel, weil man sich selbst gaslighted, Depressionen etc. Denn wenn man nicht weiß, dass das eigene Gehirn anders funktioniert als das der anderen, tut man so, als wäre man wie die anderen…Das kann natürlich nicht funktionieren.
Was auch immer der „Mainstream“ für Vorurteile haben mag, es ändert nichts an der Tatsache, dass man neurodiverse ist. Genauso wenig wie es etwas daran ändern würde, wenn man nicht laufen kann. Es zu verstecken hilft nicht, damit umzugehen und zu akzeptieren und zu lieben, wer man ist. Wie in meinem Beispiel mit dem Laufen. Wenn man nie geübt hat, mit anderen Fortbewegungsmitteln von A nach B zu kommen, wird es mit 40 viel schwieriger sein.
Ein ADHS Hirn ist strukturell, funktionell und neurochemisch anders, im Vergleich zum neueotypischen Hirn. Zu verstehen, was für tolle Aspekte es auch hat und auch welche Schwierigkeiten man in bestimmten Situationen haben kann und zu entdecken, wie man dennoch zb Prioritäten setzen kann, oder unliebsame Dinge schafft zu erledigen, ist elementar in meinen Augen.
Man ist, wer man ist. Ein Buchstabenfoge auf einem Zettel ändert nichts an seinem, sehr sicher, tollen Wesen. Aber wenn ihr alle wisst, wie sein Hirn funktioniert, könnt ihr seine Umgebung entsprechend gestalten, statt es zu kaschieren. Ich glaube so kannst du dich sicher auch wieder machtvoller fühlen, denn in meinen Augen lähmt nur die Ungewissheit. Es gibt so viele erfolgreiche ADHS‘ler und wenn man sich mehr in dieser Bubble aufhält, merkt man nicht mehr, dass es auch die Quatscher gibt
Es gibt ADHS Verbände wo du Kinderärzte findest, die Diagnosen erstellen. Ich empfehle, die Bewertungen zu lesen, vllt findet man Hinweise darauf, dass die Praxis von neurodivergenten Ärzten geführt wird. Ich für meinen Teil finde es befremdlich, mit neurotypischen Therapeuten über ADHS zu sprechen. Und für mich ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose geringer. Aber das ist meine sehr persönliche Meinung und ist sicher streitbar.
Ergo-Therapie kann ich zu 100% empfehlen. Gerade wenn er noch jung ist.
Liebe Grüße und euch viel Erfolg