Hallo und guten Morgen zusammen,
ich muss mir gerade vielleicht etwas Frust, Resignation von der Seele schreiben. Vielleicht habt ihr eine Idee - ich weiß irgendwie gerade nicht mehr weiter. Die Geschichte ist verzwickt und irgendwo weiß ich auch nicht wo ich gerade stehe. Entschuldigt bitte die Länge, es ist so kompliziert. Und keine Ahnung ob ich in einem AD(H)S-Forum richtig bin; ich weiß nicht was ich habe.
Ich bin seit 8 Jahren in psychiatrischer Behandlung, wurde bis Mitte 2021 mit verschiedenen SSRI/SNRI behandelt. In einer 50-stündigen tiefenpsychologischen Therapie wurde ich mit einer (komplexer) PTBS diagnostiziert. Ich war und bin nicht depressiv, allerdings habe ich Probleme im Sozialen, das heißt, dass ich dabei ständig - wirklich ständig - „weg“ bin. Auf Arbeit (IT, Entwicklungsprojekte) bin ich leistungsstark (nicht lange, aber ich kann das in Phasen kompensieren), versage aber in Meetings - sobald sie nicht-fachlich sind - vor allem im Smalltalk. Ich kann „das“, bin Freunden nach sehr sozial-angebunden oder man käme mit mir schnell in Kontakt, aber all das ist gefühlt fast immer reaktiv, rational, unruhig, punktuell zusammen-geflickt. Ich höre die Worte, verstehe sie aber nicht. Ich versuche mitzubekommen, wann ich angesprochen werde und in dem Moment „rekonstruiere“ ich die Worte und versuche passend zu antworten.
Soziales nervt, langweilt, Ich warte immer „bis es vorbei ist“ und anschließend geschlaucht. Anfangs konnte ich das mit intensiven Sport-Verhalten vor sozialen Kontakten und literweise Kaffee-Trinken kompensieren - das hielt aber nicht lange. Ich fing an Drogen zu konsumieren, Amphetamine. Immer wenn ich Freunde traf. Und dann war ich „da“. Das fing vor etwa 5 Jahren an. 2020 steigerte sich das, also habe ich 2021 den Entschluss gefasst mit Drogen aufzuhören. Anfangs war das kein Problem, ich vermied soziale Kontakte und „wartete“. Filme, Bücher - all das konnte ich noch nie. Ich verbrachte meine Tage damit zu warten, zwang mich zu Joggen, oder begann einfach Unmengen zu essen um die Gedanken ruhig zu kriegen. Manchmal probierte ich Freunde zu treffen und es war wieder genauso: Ich war nur „weg“, es schlauchte einfach immer den Gesprächen zu folgen. Nach 3 Monaten aber war ich am Ende: Ich konnte nichts mehr machen. Zwar klappte es für mich genommen konzentriert zu entwickeln; aber die vielen Meetings waren zerrend. Erschöpfend. Nach 3 Monaten habe ich also einen Abend nochmal Amphetamine konsumiert und konnte mich wieder mit einem Freund treffen. Ich dachte, dass alles „besser“ werden müsste wenn ich Drogen aufhöre, aber Woche für Woche wurde mein Leben unfähiger Dinge anzugehen. Ich schämte mich so Drogen genommen zu haben. Ich ging zu meinem Psychiater und erzählte ich von der Erschöpfung, der Unfähigkeit etwas zu machen. Ich war mir sicher: „Ich habe mir mit Konsum mein Gehirn zerschossen“ und wir entschieden dass ich stationär in die Psychatrie gehen sollte. Ich erzählte dort ich von meinen Konsum und kam auf die Entzugsstation.
Drogen wegzulassen fiel mir nie schwer, die Einschränkungen waren nur furchtbar. Man ging mit mir alles durch und kam zu der Aussage, dass - entgegen meiner Erwartungen - ich nicht süchtig wäre, aber Missbrauch betreibe. Da ich wegen Erschöpfungszuständen und der Unfähigkeit in „wenig anspruchsvollen Aufgaben“ Freude zu empfinden eingewiesen wurde, fragte man mich ob ich 150mg Venlafaxin absetzen und stattdessen Methylphenidat probieren wolle. Ich lies mich darauf ein. Und es war unglaublich, denn - und ich kann nicht beschreiben was das für mich bedeutet - am zweiten Tag der Einnahme bekam ich Besuch von einem Freund: das empfinde ich normalerweise als Belastung, als Pflichtaufgabe, obwohl ich diesen Freund so sehr mag; aber Smalltalk, anstrengen da zu bleiben. Und - oh man - wir konnten 3 Stunden reden. Ich war einfach „da“. Rückblickend weiß ich natürlich auch, dass das wohl die Honeymoon-Phase und wohl eher nicht das Medikament war. Wir steigerten weiter die Dosis. Ich war auf einmal in der Lage in der Gruppe von Patienten zuzuhören. Ich dachte ich spinne: Ich konnte Gruppengesprächen nie folgen. Alles verworren, ich bin immer zu spät wenn ich antworten will. Und ich bin eh irgendwie in mir, oder in so einer Leere. Und jetzt kommt noch ein Hammer: Ich konnte auf einmal einen Film anschauen. Ohne zu essen. Ohne am Tablet zu sein. Einen Film! Ich hab gut 10 Filme die ich anschauen kann und das alle Jahre aufs Neue. Aber keinen neuen Film. Ich erzählte dass den Arzt und da kam das erste mal auf, dass das irgendwie nicht ganz zu Depression, vielleicht aber mit ADS passen könnte. Ich wurde in knapp zwei Wochen von 10 auf 40mg IR, dann auf 40mg Retardiert dosiert worden und wurde entlassen. Im Arztbrief wird zwischen den Zeilen der Verdacht auf ADS geäußert, prinzipiell aber die Weiterempfehlung 40mg Methylphenidat auf den Behandlungserfolg basiert.
Status Quo, mir geht es auch weiter gut. Und ich entdecke Seiten, die ich nicht kannte. Ich kann reden. Selbstbewusster. Ich bin „da“, auch in Meetings. Ich lese und merke nicht erst nach einem Kapitel dass ich nicht da war. Ich schlafe so gut wie Jahre nicht mehr, abends falle ich einfach ins Bett. Kopf aus.
Alles gut? Was interessiert mich jetzt noch was genau ich eigentlich habe? Eigentlich gar nichts, … eigentlich. Wäre da nicht diese eine Wirkung, die so widerlich ist: Diese schei* Apathie! Gefühlt kann ich gerade das machen, was ich nie machen konnte; ja sogar Freunde treffen. Und was passiert? Ich liege völlig apathisch, lustlos, aber selbstzufrieden rum, und mache nichts. Gar nichts. Ist es Methylphenidat? Ist es weil ich Antidepressiva abgesetzt habe oder bin ich wieder in der gleiche Lage wie vor einem halben Jahr, nur checke durch diese Selbstzufriedenheit nicht, wie leer ich eigentlich bin?
Und jetzt kommt meine Verzweiflung: Was mache ich? Kommt es von dem Medikament? Selbst wenn, was ist die Alternative? Mit Medikinet (Adult) habe ich keine Lust auf Konsum (ich dachte Anfang 2021 ein Junky zu sein; wenn Freunde vor mir konsumieren widert mich das heute eher an). Aber genau wie die Lust auf Konsum verschwunden ist, ist auch die Lust auf jede andere „Belohnung“/„Glücksempfinden“ weg. Egal was. Selbst in meinen lethargischsten, lustlosesten Phasen konnte ich mich wenigstens zum Joggen motivieren, was cool war. Jetzt liege ich rum, probiere es und merke: „Das ist es nicht wert“. Ich bin ganz zufrieden, aber ich könnte gefühlt gerade Jahre auf meiner Couch liegen, warten und es wäre irgendwie auch „okay“. Und wenn ich das mir begreiflich mache, dann merke ich wie kaputt diese Situation ist, und dann macht es mich unglaublich traurig.
Was mache ich jetzt? Das Leben mit Drogen am Wochenende war so viel vielfältiger. Heute fühle ich nichts mehr. Ich funktioniere in allen Situationen, bin „zufrieden“, aber ich hab mein Gesicht verloren - obwohl ich mich so viel mehr „Ich selbst“ fühle als jemals zuvor. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Ich will so nicht leben, aber so wie mein Leben war, so will ich noch viel weniger leben.
edit: Mein Psychiater weiß Bescheid, leider hat er wenig Erfahrung mit ADS. Da ich irgendwie morgens schon „Interessierter an der Welt“ bin, zumindest etwas, habe ich ihn gefragt ob man vll. ein Präperat probieren könne, das langsamer wirkt. Da wollte er sich informieren. Außerdem habe ich bei anderen Einrichtungen nach einer Diagnose angefragt (weil am Ende des Tages kann es alles sein, gerade Leere ist ja kein ADS-Leitsymptom, und irgendwie hatte ich diese Taubheit abgeschwächter auch schon öfter), dort gibt es allerdings lange Wartezeiten. Ich bin halt extrem unsicher, ich denke irgendwie auch nicht dass ich ADS habe, aber das Medikament hilft mir „normaler“ zu werden, oder mich (zumindest für mich) „näher an mir“ zu fühlen. Also irgendwie ist das die richtige Richtung. Außerdem habe ich mich um eine erneute Psychotherapie gekümmert, die im September beginnt.