Vergesslichkeit auf der Arbeit - Training gegen die Vergesslichkeit?

Hallo liebes Forum,

ich würde hier einmal mein Problem beschreiben und die Frage stellen und darunter - für alle, die es interessiert- ein wenig Hintergund bereitstellen.

Zum Problem:

Auf der Arbeit passiert es mit sehr oft, dass ich um etwas gebeten werde, das in einer Stunde/im Laufe des Tages passieren wird. Zum Beispiel daran zu denken einem Klienten in zwei Stunden die Medikamente mitzugeben (ich arbeite in der Heilerziehungspflege). Oder einem Kollegen wenn er in ein paar Stunden kommt eine bestimmte Info zu geben. Das vergesse ich fast IMMER.Aber auch wenn man mich bittet an etwas in 10 Minuten zu denken rutscht es fast immer durch. Das ärgert und belastet mich sehr, weil ich möchte, dass man sich auf mich verlassen kann.

Meine Frage:

Kann ich sowas irgendwie trainieren? Mir wäre wichtig diese Fähigkeit wirklich aufzubauen anstatt auf Zettel oder Erinnerungen am Handy zurückzugreifen.
Hat das etwas mit dem Kurzzeitgedächtnis zu tun? Oder funktioniert eher die Aufnhame ins Langzeitgedächtnis nicht?

Hintergund:

Ich (M,30) wurde mit Mitte zwanzig mit ADS (ohne Hyperaktivität) diagnostiziert. Auf der Arbeit hatte ich es immer ziemlich schwer. Probezeiten wurden nicht überstanden, es gab oft massiv Ärger und Unzufriedenheit seitens der Chefs, obwohl alles was ich eigentlich nur wollte gut zu arbeiten war. Das lag daran, dass ich immer extrem unkonzentriert war und ständig Dinge vergessen habe. Anweisungen konnte ich wegen der kurzen Konzentrationsspanne kaum folgen. Eigentlich leisten zu wollen, aber ständig daran zu scheitern hat über die Zeit zu einem kolossal schlechten Selbstwertgefühl geführt und der Annahme „Ich bin unfähig“.
Medikamente (Medikinet, Strattera) haben aus verschiedenen Gründen nicht geholfen.

Was erstaunlicherweise geholfen hat war Meditation. Über die Jahre konnte ich eine durchschnittliche Konzentrationsspanne aufbauen und mein (Arbeits-) Leben hat sich stark verbessert. Plötzlich konnte ich besser als vorher arbeiten und Anweisungen folgen etc.
Von Außen wurde mir rückgemeldet mich mit der Zeit stark zum positiven verändert zu haben.
Die ADS Testung bei meiner Therapeutin hat einen Rückgang der Symptome ergeben.

Seitdem versuche ich Symptome hauptsächlich durch Tarining und skills zu bewältigen, da es über die Medikation nicht geklappt hat.

Liebe Grüße,
Mathias

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Nun, ja, Medikamente könnten da erheblich helfen.
Trainieren ? Schwierig. Ohne Medis ? Kaum… Wenn, müsste erst die Lernfähigkeit durch Medis wiederhergestellt werden.

Ich arbeite in der Pflege.

Trainieren geht nicht - man braucht Copingstrategien.

Alles aufschreiben. Ich habe immer einen Zettel in der Tasche. Zusätzlich Erinnerungsfunktion von Handy oder Smartwatch nutzen.

Anders wäre ich verloren. Zudem kommt ja die Zeitblindheit dazu.

Ich benutze ein „brainsheet“ zum aufschreiben. Das hilft mir auch bei der Übergabe.

Medis helfen mir da auch nicht. Ich bin vielleicht sortierter - aber ich muss immer alles aufschreiben. Ich gehe manchmal von einen Raum in einen anderen und hab schon vergessen, was ich da wollte.

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Dein Gehirn (bzw Arbeitsspeicher) muss einfach zu viele Daten verarbeiten durch die Reizoffenheit. Die Zeitblindheit kann man sich auch nicht abtrainieren. Ich habe kein Gefühl für „10 Minuten“. Aus den Augen, aus dem Sinn“. :woman_shrugging:t2:

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Ich möchte behaupten, dass ein Training da bestimmt eine winzig kleine Verbesserung bringen kann - du willst ja aber auf deiner Arbeit wichtige Informationen und Aktivitäten unter Kontrolle halten.
Insofern wirst du um das Aufschreiben nicht herum kommen.

Ich bin, wenn ich genug geschlafen und gegessen habe, mit Medikinet weniger vergesslich.

Da ich das Essen aber zu oft vergesse und nicht immer genug schlafe, kann ich mich darauf nicht verlassen und schreibe mir alles auf.

Meine Kolleginnen und ich müssen an so viel denken, dass wir uns oft auch gegenseitig erinnern. Bei uns geht es aber nicht um Medikamente. Wenn ich vergesse, den Tadel für Jacob aus der 6b abzuschicken oder der Schulleitung Bescheid zu geben, dass wir nächste Woche einen Termin im Theater haben, ist das blöd.
Aber nicht potentiell lebensbedrohlich.

Darum würde ich dir sehr ans Herz legen, weiter aufzuschreiben.

Das Kurzzeitgedächtnis umfasst etwa 20-50 sec, wenn ich mich richtig erinnere.
Also geht es bei dir ums Langzeitgedächtnis.

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Der Transport vom KZG ins LZG ist gestört, da das Arbeitsgedächtnis überlastet ist.

Es gibt dann auch noch Schwierigkeiten, die Sachen aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen - zur richtigen Zeit. Es ist ja oft nicht völlig „vergessen“ - aber man hat die Dinge nicht zur richtigen Zeit auf dem Schirm.

Es macht auch viel aus, ob man genug geschlafen und gegessen hat. Vor allem Schlafmangel ist bei mir fatal. Aber ohne aufschreiben und Handyerinnerung geht es nie. Ich brauche das allein schon zur Absicherung und um meinen Kopf zu entlasten.

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Wie Justine schon sagte.

Das Arbeitsgedächtnis arbeitet dysfunktional aufgrund der falschen Menge an Dopamin. Erst der Neurotransmitter sorgt dafür, dass Informationen richtig aufgenommen werden, kurzzeitig geparkt werden können um dann langfristig ins Langzeitgedächtnis über zu gehen.

Also ist permanent Stau im Arbeitsgedächtnis, weil irgendwie alles reinkommt, aber dann nicht richtig da ankommt, wo es ankommen soll. Die Folge sind übermäßige Vergesslichkeit und schlechte Anwendbarkeit von Gelerntem.
Es geht also quasi einfach schon im Arbeitsgedächtnis verloren, ehe wir überhaupt die Möglichkeit haben, es abzuspeichern.
Wir können gar nicht so viele Infos aufnehmen und zeitgleich richtig einsortieren. Das kriegen unsere Hirne schlicht nicht hin.

Also ohne Medikamente wirst du viele Copingstrategien anwenden müssen und vorallem nicht um deine Hilfsmittel herum kommen.

„Lernen des Erinnerns und Lernens wegen“, funktioniert eher schlecht als recht.

Was war denn das Problem mit den Medikamenten, wenn ich mal fragen darf?

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Dem kann ich leider nur zustimmen.

@Mathias
Was mir früher geholfen hatte, war, dass ich Anweisungen teilweise wiederholt habe um sicherzugehen dass ich die korrekt verstanden habe.

Und was die Zeitblindheit angeht…
Da helfen leider nur Timer, Wecker, reminder usw…
Zumindest solange man die nicht einfach wieder abstellt und dann vergisst :wink:

Ansonsten wirklich nur aufschreiben.

Wenn dir die Meditation hilft, dann mach bitte weiter damit.

Aber auch von mir an der Stelle die Frage: Warum sollen dir Medikamente nicht helfen (können)?

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Das mache ich auch so.
Mündliche Anweisungen sind ganz ganz schwierig.

Ich habe immer ne Liste mit allen Dingen die ich am Tag machen muss am Arbeitsplatz liegen. Für wichtige Sachen die in zB 10min erledigt werden sollen hab ich nen Wecker in der Kitteltasche. Zudem laufe ich bevor ich nach Hause gehe nochmal ne Runde durch die Arbeit und schaue ob alles weggeräumt, alles aus, alles komplett erledigt und nicht nur angefangen ist. Auch lege ich mir oft Dinge die ich machen will vor die Tastatur am Arbeitsplatz, dann sehe ich es, bin genervt weil es im Weg rumliegt und erledige es. Also ich denke auch dass es da Copingstrategien braucht.

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Zum Glück habe ich bei der Arbeit meistens „fast immer“ total tadellos „funktioniert“, war sogar „perfektionistisch“, habe dort „selten“ etwas vergessen, im Gegenteil, war ich immer eine von denen die andere an etwas erinnern konnte.
Nur „zuhause“ hat das bis heute bei mir irgendwie nicht „funktioniert“, dort versinke ich dann komischerweise in meinem „eigenen Chaos“. :wink::sweat_smile:

Faszinierend. Ich kannte den Ausdruck gar nicht. Scheint ja primär im Pflegebereich verbreitet, ausgehend von den Online-Formularvorlagen, aber da kann man sich bestimmt viel von Euch abgucken.

Die Idee habe ich eigentlich in jedem 2. Zoom-Call, mir Projekt-Übersichten mit Zahlen, Daten, Fakten zu schreiben. Aber vor lauter sägen kommt man ja wieder nicht zum Sägeschärfen…

In Deutschland ist’s auch nicht so bekannt. Man hat ja meist ein Schema „im Kopf“ (hab ich aber oft nicht so parat)- ich habe mir eine Vorlage erstellt und das hilft mir sehr.

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Ich habe mir für die Arbeit auch solche Formulare gemacht, quasi zur „Übergabe“ mit mir selber, weil ich so vergesslich bin und nicht jeden Tag arbeite.

Sowas kann man sich ja in Word einfach zusammenstellen und sich ausdrucken und in die Hosentasche stecken.

Das könnte ein Feld für Notizen sein, ein Feld nach Stunden, in das Du Dir reinschreiben kannst, weshalb der Wecker dann und dann klingelt… ein Feld, in das du vielleicht Details, wie es wem heute geht, eins mit Verbesseungsideen , oder was Du morgen oder später bedenken musst… und sowas…

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