Wie das so richtig haargenau abläuft, weiß ich auch nicht, aber die Arzneimittel Zulassungsverfahren kann man sich online durchlesen, wie das funktioniert und welche Auflagen Hersteller zu erfüllen haben.
Der Hersteller eines Originals hat natürlich deutlich mehr Kosten durch Forschung, Patente und Nachweise, die zu erbringen sind, bevor es zugelassen werden kann.
Hersteller von Generika haben da schon mal deutlich weniger Kosten.
Was die Kapsel selbst und Füllstoffe angeht, die das Auflösen der Kapsel von innen heraus beschleunigen sollen, da sollten die Unterschiede zwischen den Herstellern theoretisch sehr gering sein und nur minimal für eine unterschiedliche Freisetzung nach Kontakt mit der Magengflüssigkeit sorgen.
Je nach Dicke der Kapsel dürfte es hier vielleicht einen Unterschied von nur wenigen Minuten ausmachen.
Sobald aber ein Loch in der Kapsel ist, sollte es wurscht sein.
Also, beim sofort freisetzenden Anteil des Wirkstoffs würde ich annehmen, dass es keine signifikanten Unterschiede geben dürfte.
Beim retardierten Anteil des Wirkstoffs kommt es dann halt auf die Zusammensetzung an, wie schnell und in welchem Abschnitt der Magen-Darm Passage der Wirkstoff in welcher Menge freigesetzt wird.
Also, welches Coating und welche Bestandteile wurden verwendet und wie dicht wurden diese ggfs. verpresst.
Wenn man die Wirkkurve von Medikinet Retard / Adult und Ritalin LA / Adult vergleicht, wird es da schon mal deutlich erkennbar, dass hier völlig unterschiedliche Retardtechniken verwendet werden.
Bei Medikinet Retard / Adult ist die Auflösung der retardierten Pellets eben abhängig vom pH-Wert, der in der Regel erst im Dünndarm erreicht wird.
Abhängig von der Zusammensetzung des Nahrungsbreis der vorher eingenommenen Mahlzeit, kommen die retardierten Pellets entweder früher oder später im Dünndarm an.
Bei Ritalin LA / Adult sind die retardierten Pellets anders überzogen. Hier löst sich das Coating nicht pH-abhängig, sondern aufgrund der Zusammensetzung erst nach Zeit X auf.
Nun ist es ja aber mit der Magenentleerung in den Dünndarm nicht so, dass die retardierten Pellets von Medikinet Retard / Adult oben auf dem Magenbrei schwimmen und gemütlich darauf warten bis der Magen sich entleert und sie in den Dünndarm rutschen.
Die Zusammensetzung des Magenbreis bestimmt zwar die Verweildauer im Magen, aber trotzdem ist es substanzabhängig. Fette, Kohlenhydrate, Proteine werden ja auch unterschiedlich schnell verdaut und weitergeschickt.
Die retardierten Pellets werden also auch nicht erst nach exakt 3h weitergeschleust. Eher ist es ein kontinuierlicher Prozess und es kommt über die Stunden hinweg immer ein bisschen davon im Dünndarm an, wo es sich dann auflöst und Wirkstoff freisetzt. Das geht dann halt solange bis der Magen vollständig entleert wurde.
Wenn man sich die Grafik der Wirkkurven anschaut, dürfte das oben genannte die deutlich steilere Wirkkurve von Medikinet Retard / Adult erklären. Die steigt ja kontinuierlich an bis zum Peak und fällt dann aufgrund der kurzen Halbwertszeit und MPH typischen Eliminierung rapide ab.
Während man bei Ritalin LA / Adult nach ~3h diesen Knick und leichten Abfall der Kurve nach der ersten Wirkspitze sieht. Dann werden nach Zeit X die retardierten Pellets aufgelöst und die Kurve steigt wieder an bis zur zweiten Wirkspitze bevor auch hier die Kurve rapide abfällt.
Wenn jetzt Hersteller von Ritalin LA / Adult Generika andere Bestandteile / ein anderes Coating verwenden (sie müssen lediglich eine sehr ähnliche Bioverfügbarkeit zwischen 80-125% nachweisen, um es bioäquivalent nennen zu dürfen), dann kann es auch zu leichten zeitlichen Unterschieden bei der verzögerten Freisetzung kommen.
In der Packungsbeilage unter „Pharmakodynamische Eigenschaften“ werden in der Regel die Cmax, Tmax und T1/2 Werte angeben, also nach welcher Zeit in der Bioverfügbarkeitsstudie welche Plasmaspiegel erreicht wurden.
Da sieht man im direkten Vergleich dann schon mal leicht unterschiedliche Werte.
Die sind zwar in der Regel gering, aber könnten bei empfindlichen Patienten eben schon einen wahrnehmbaren Unterschied im Wirkempfinden ausmachen.
Wahrscheinlich ist das alles noch wesentlich komplexer und auch abhängig vom Metabolismus des Patienten (und nochmal komplexer bei möglicher Unverträglichkeit eines bestimmten Trägerstoffs), aber grob und laienhaft dürfte es die möglichen Unterschiede zwischen den Generika und zum Referenzpräparat erklären, denke ich.