Verliebt in ADS Jungen - es ist so schwierig

Hallo liebes Forum,

schön, dass es dieses Forum gibt. Ich habe schon viele hilfreiche Dinge hier gelesen.

Ich bin 15 Jahre alt und in einen Jungen aus meiner Parallelkasse verliebt. Er ist 16 Jahre alt und hat ADS. Es ist für uns beide das erste Verliebtsein. Wir sind (noch) nicht zusammen, aber wir wissen, dass wir ineinander verliebt sind. Er ist sehr, sehr schüchtern (vor allem in Bezug auf mich - er versucht manchmal sogar mir aus dem Weg zu gehen, um sich vor mir nicht zu blamieren bzw. nichts doofes vor mir zu sagen), hat große Angst vor Zurückweisung und kann mir nur schwer vertrauen. Daher braucht es wohl noch etwas Zeit bis wir zusammen kommen können.

Ich habe schon viel gelesen über ADS. Er hat mir selbst gesagt, dass er ADS hat, und dass er derzeit Probleme mit den Medikamenten hat. Die Medikamente nimmt er am WE nicht und in den Ferien kaum. Unter der Schulzeit nimmt er sie (eigentlich s.u.) immer.

Wenn er seine Medikamente genommen hat, ist er so wunderbarer. Er sucht meine Nähe, schenkt mir viel Aufmerksamkeit, flirtet mit mir (dezent, aber trotzdem eindeutig) und hat einen ausgeprägten Beschützerinstinkt mir gegenüber. Es könnte so schön sein …

Wenn er die Medikamente nicht nimmt, weiß ich nie was mich erwartet.

Manchmal ist er extrem ‚wild‘ auf mich und schießt mit seinen Aktionen deutlich über das Ziel hinaus. Da schickt er mir z.B. Bilder von sich, die mir zwar sehr gefallen (er sieht echt super aus), die aber einfach zu freizügig sind und die einfach unpassend sind. Es ist ihm bestimmt später auch peinlich, dass er mir sowas geschickt hat.

Manchmal ist er dann aber auch extrem verletztend. Z.B. versucht er mich dann mitbanderen Mädchen eifersüchtig zu machen. Wenn er dann wieder seine Medikamente nimmt, tun ihm seine Aktionen leid - das merke ich. Teilweise macht er auch Dinge die wirklich peinlich sind - nur um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Die anderen machen sich teilweise lustig über ihn, was mir sehr leid tut, denn eigentlich will er immer unbedingt sehr cool rüberkommen.

Und das Dritte das mich erwarten kann, wenn er keine Medikamente nimmt ist, dass er mich einfach vergisst. Das fühlt sich richtig schlimm an. Das geht schlagartig von einem auf den anderen Moment. Es ist als wäre ich komplett aus seinen Gedanken verschwunden. Er meldet sich dann garnicht oder kaum, schreibt nicht zurück, taucht komplett ab - ich mache mir dann immer furchtbare Sorgen. Ich habe dann auch immer Angst, dass er sich von mir dauerhaft distanziert und das Interesse verliert.

Meine ersten Fragen daher an Euch:

Ist es normal, dass die Unterschiede so extrem sind also zum einen zwischen ‚Medikamente genommen‘ und ‚Medikamente nicht genommen‘ (es kommt mir teilweise vor als hätte ich es mit zwei unterschiedlichen Menschen zu tun) und auch innerhalb der Phase ‚Medikamente nicht genommen‘ (ich weiß nie was mich an den WE und in den Ferien erwartet).

Wie sollte ich mich verhalten? Was wäre gut für ihn? Ich möchte ihm gerne signalisieren, dass ich Verständnis habe, dass er mir nichts beweisen muss, und dass er sein darf wie er ist. Ich würde mir wünschen, dass er mich nicht mehr verletzt, sondern das Gespräch mit mir sucht, wenn er verunsichert/verärgert ist, und dass er mir erklärt wie sich das alles für ihn anfühlt - stelle mir das furchtbar anstrengend und verwirrend vor.

Wie fühlt es sich für Betroffene an - seid Ihr auch mal gerne ohne Medikamente oder fühlt Ihr Euch mit Medikamenten wohler?

Und hier meine letzten Fragen an Euch:

Vor einiger Zeit hat er seine Medikamente abgesetzt. Ein Freund hat mir dann erzählt, dass das Absetzen der Medikamente ungeplant war. Grund sei die Verliebtheit in mich - kann es da wirklich einen Zusammenhang geben?

Wenn er keine Medikamente genommen hat, sehe ich ihm das immer sofort an. Seine Gesichtszüge, seine Körpersprache … einfach alles ist völlig anders an ihm. Ist das bei anderen auch so extrem?

Neigen Menschen mit ADS häufiger/leichter zur Eifersucht? Habe das Gefühl, dass er sogar auf meine Familie und Freundinnen eifersüchtig ist und nicht nur auf andere Jungs.

Herzlichen Dank fürs Lesen - ich freue mich über jede Antwort.

Ich glaube es ist deutlich geworden, dass ich ihn wirklich sehr mag und bereit bin einiges auf mich zu nehmen. Wüsste ich nichts von seiner Besonderheit hätte ich ihn definitiv schon in den Wind geschossen wegen seinen Aktionen, aber so kann ich das nicht und will es auch einfach nicht.

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Hallo,

ich glaube ehrlich gesagt,dass man sein Verhalten nicht gänzlich auf die Medikamente oder ADS projizieren kann/sollte. Es wird zum Teil mit reinspielen aber nicht ausschließlich.

Ich denke,er ist sich manchen Bereichen unsicher, möchte cool sein, sich vor seinen Freunden behaupten und dann sind ja noch die Hormone, die Karussell fahren .
Jungs in dem Alter sind ja bekanntlich noch unreifer als Mädchen in der Alterskategorie.

Du wirkst doch sehr reflektiert und reif aus deinen Beschreibungen heraus. Deine Rücksichtnahme ist toll aber vergiss dich darüber hinaus nicht. Wenn dein Gefühl sagt,dir sind manche Aktionen to much oder du bist angestrengt, ist durchaus richtig und wichtig das zu kommunizieren und Grenzen zu setzen. Klar,du bist auch verliebt und man will das Gegenüber nicht verprellen. Aber signalisiere ihm ruhig,wenn er Dinge tut die dich verletzen, verunsichern oder anstrengen. Das kann man ja sehr wertschätzend machen.

Ich weiß nicht,wie teeniehormone in Kombination mit Medikamenten wirken . Vielleicht gibt es da tatsächlich andere Mechanismen als bei Erwachsenen aber ich kann von mir aus nir berichten,dass ich nicht ein komplett anderer Mensch bin,wenn ich meine Medikamente vergessen habe oder sie am WE mal nicht nehme.

Liebe Grüße Frieda

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Leider habe ich grade keine Zeit groß was zu schreiben . Möchte dich nur wissen lassen , dass ich deine Anfrage und wie du die Situation äußerst sehr reflektiert, reif und auch mutig finde.

Wir Menschen mit ADHS benötigen natürlich Verständniss aber auch klare Rückmeldung, Orientierung und Grenzen, dass gibt Sicherheit.

Ich komme am Besten mit Menschen klar wo ich weiß dass ich eine Rückmeldung bekomme oder erspüre, wenn ich drüber bin.

Deine Grenzen und Bedürftigkeiten sind genau so wichtig wie seine.

Beziehung bedeutet auch immer ein ausloten beider der Grenzen.

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Vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung.

Meine Eltern meinen auch, dass ich mich und meine Bedürfnisse nicht vergessen darf.
Komisch ist eben, dass ich mich mit ihm teilweise - wenn er seine Medikamente nicht genommen hat und er dann so unkalkulierbar handelt - nicht wirklich gut fühle, aber ohne ihn fühle ich mich erst recht nicht gut. Und jedes Mal wenn ich dachte „so, jetzt kann ich nicht mehr - das ist jetzt genug“, dann kommt er plötzlich total süss daher und all meine Vorsätze sind vergessen und ich bin einfach nur glücklich. Aber leider hält das maximal bis zum nächsten WE an. Momentan sind Ferien und da ist es besonders hart, da die Zeit endlos erscheint ohne Medikamente.

Interessant, dass Du keine so großen Veränderungen an Dir feststellst bei der Medikamentennahne so wie ich sie an ihm feststelle. Ggf. liegt es an der Pubertät (den Hormonen) oder das ADS ist vielleicht wirklich garnicht die Hauptursache.

Ich glaube wir sollten mehr miteinander reden - dann kann ich ihn vielleicht besser verstehen und er mich auch.

Vielen Dank, dass Du trotz Zeitnot geschrieben hast.

Bislang habe ich ihm nie eine direkte Rückmeldung gegeben bzgl. seinem Verhalten. In erster Linie deshalb, weil ich ihm dadurch signalisieren wollte, dass ich Verständnis für ihn habe.

Das werde ich jetzt behutsam ändern - vielleicht ist er dann auch etwas vorsichtiger und weniger verletzend, wenn ihn etwas verunsichert/verärgert hat.

Er ist sehr stolz und sieht vieles gleich als Angriff … da muss ich vorsichtig vorgehen, aber vielleicht gelingt es mir.

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Ich möchte mich dem, was @Friedaline und @Nelumba_Nucifera vor mir geschrieben haben, anschließen.

Ob sich jetzt alle Verhaltensweisen nur auf ADHS und ob er gerade Stimulanzien genommen hat zurückführen lassen, möchte ich nicht sagen.
Ich denke da kann was dran sein, aber man kann das sicher nicht verallgemeinern.

Was ich mir zumindest vorstellen könnte ist,

da ja in Lebensabschnitten wo stärkere Hormonumstellungen im Körper stattfinden, das auch einen stärkeren Einfluss auf die ADHS Symptome hat.

(gerade ADHSlerinnen, die Kinder bekommen haben und vllt auch schon durch die Wechseljahre sind, können da mit Sicherheit mehr als ein Lied davon singen. Viel mehr als ich es könnte.)

dass evtl. der Unterschied dann manchmal mit Stimulanzien und ohne stärker wahrnehmbar ist.
(Ich weiß es aber nicht.)

Maybe haben die Stimulanzien auch einen sehr deutlichen Einfluss auf die bei ADHS stärker vorhandene Rejection Sensitivity (also die Angst vor Zurückweisung) bei ihm und die Medikamente helfen ihm dabei. Bei mir älterem Semester ist das auf jeden Fall so. Vllt kann er das mit Medikamenten auch besser kontrollieren, im Sinne von, dass sich bei einigen ADHSlern die Reaktion auf empfunde Zurückweisung stärker nach außen zeigt und durch für Außenstehnde nicht nachvollziehbaren extremen Reaktionen zeigt.
Die andere Form ist dann, dass der ADHSler die empfunde Ablehnung eher nach innen trägt und dann eher Schüchtern ist. Beides kann bei der selben Person vorhanden sein.
Die starke externe Reaktion war bei mir als Kind definitiv deutlicher wahrnehmbar als sie das heute sind. Ich habe aber auch schon Erwachsene ADHSler kennengelernt wo beide Formen stark vorhanden waren.

Die Medikamente können natürlich auch dabei helfen die starke Impulsivität etwas besser zu kontrollieren.
Was zumindest eine Erklärung dafür wäre, warum er Dir nur dann Fotos von sich schickt, eben weil da schnell ein Gedanke da ist und der wird dann gleich ausgeführt ohne langes Nachdenken.

Das mit dem Vergessen ist auch so eine Sache die bei ADHS mehr oder weniger stark vorkommt. So nach dem Motto „aus dem Augen aus dem Sinn“.
Ich denke das hat weniger damit zu tun, dass man andere Menschen vergisst oder sie einem egal wären, viel mehr spielt da die Zeitblindheit eine Rolle. Menschen mit ADHS haben eine andere Wahrnehmung bzw. können schlecht einschätzen wie viel Zeit vergangen ist oder wie lange etwas das sie nicht schon öfters gemacht haben, dauern wird. Das schmalere Arbeitsgedächtnis hat damit auch sehr viel zu tun.
Bspw. können wir deshalb oft nicht mehrere Dinge gleichzeitig im Kopf behalten, also kurzfristig.

Anderen Leuten ins Wort fallen und ihre Sätze beenden, hat damit auch zu tun.

Wenn ich meine ToDoListe nicht für mich sichtbar vor mir liegen habe, dann vergesse ich, dass ich noch die und die Aufgaben zu erledigen habe.
Mein Chef braucht mir garnicht erst mehrere Aufgaben zwischen Tür und Angel zuzurufen. Ich kann mir dann nur einen Teil merken. Meist was er am Ende gesagt hat. Also muss ich mir das immer alles einzeln aufschreiben.
Gibt man einem ADHSler zwei Bögen Papier und die Aufgabe einen Papierflieger zu falten und in 15 Min. einen zweiten Papierflieger und dann aus dem Raum geht, dann wird der ADHSler einen Papierflieger falten und im Anschluss den Zweiten. Er hat keine gute Vorstellung davon wieviel Zeit vergangen ist.
Wenn zwei ADHSler sich seit längerer Zeit nicht mehr gesehen haben, ist es für sie oft so, dass sie einfach dort weiter weiter machen wo sie miteinander aufgehört haben. Also man sich vllt erst vor zwei Wochen das letzte Mal gesehen hat und nicht vor einem halben Jahr…Die müssen nicht das langsame wieder mitendere warm werden, dieses ChitChat soziale Vorspiel durchmachen. Mit nicht ADHSlern geht das halt nicht so, aber für den ADHSler fühlt es sich oft so an, als ob kaum Zeit vergangen wäre.

Oh mein Gott, das kann ich echt hart nachfühlen!

Wie die Anderen schon geschrieben haben, ist es wichtig, dass Du auch klar kommunizierst, wenn Dich sein Verhalten verletzt, aber auch wenn Du etwas gut findest. Für deinen (vllt bald) Freund gilt das aber genauso. Denn man ist sich oft dem überhaupt nicht bewusst und geht einfach davon aus, dass es bei anderen Menschen genauso sein muss wie bei einem selbst.
Das gilt natürlich für Menschen allgemein, aber gerade wenn man nicht neurotypisch ist, ist die eigene Wahrnehmung doch so manches Mal, noch etwas anders.

Wie dem auch sei, ich wünsche Dir von Herzen alles Gute!

Vielen Dank auch für Deine ausführliche Antwort.

Der Gedanke mit der Zeitblindheit hilft mir - genauso kommt es mir bei ihm vor. Er hat sich am WE kaum gemeldet, ich habe mir übelst Gedanken gemacht um dann festzustellen, dass er am Montag so weiter macht als wäre nichts gewesen - für ihn war wohl einfach auch nichts. Er fand es auch garnicht komisch, dass wir am WE kaum Kontakt hatten.

Vielleicht sollte ich versuchen einiges weniger persönlich zu nehmen - zumindest bei der Sache mit dem wenigen Kontakt während den medikamentenfreien Zeiten würde mir das - denke ich - auch gelingen. Da hätte ich schon mal weniger Sorgen und er wahrscheinlich auch weniger das Gefühl was falsches gemacht zu haben.

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@SchwerVerliebt so wie Du Deine Texte hier schreibst, fällt es mir schwer zu glauben das Du erst 15 Jahre alt bist, hätte ich nicht darauf geachet, hätte ich vermutet das Du mindestens 5 Jahre älter, wenn nicht noch mehr, sein könntest.

Und wenn Du das erste Mal verliebt bist, dann scheinst Du ja zumindest schon ziemlich gut zu wissen was Du von Deinem potenziellen Partner alles erwartest.

Also ich weiss nur eins, ich in Deinem Alter war dahingehend jedenfalls noch nicht so weit um in solchen „Beziehungsfragen“ schon so reif zu sein, wie Du mir persönlich hier erscheinst.

Vielleicht erwartest Du auch einfach ein bisschen zuviel von einem 16 jährigen Jungen?.

Ich kann Dir jedenfalls nur empfehlen das ganze so entspannt wie möglich anzugehen und dem Jungen genügend Zeit zu geben um herauszufinden was er eigentlich will.

Vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Ja … ich möchte ihm genug Zeit geben. Druck möchte ich auf keinen Fall aufbauen. Es muss auch nicht alles perfekt sein und natürlich ist mir klar, dass die erste Verliebtheit wohl nicht ewig hält. Aber er ist mir sehr wichtig und ich bin mir sicher, dass ich ihm auch wichtig bin - deshalb möchte ich nichts unversucht lassen w.z.B. der Post hier im Forum.

Ich habe viel mit meinen Eltern gesprochen wegen den Problemen/Besonderheiten mit ihm und ich habe sehr viel gelesen dazu. Vielleicht bin ich deshalb etwas reifer/abgeklärter bei diesem Thema. Vor ein paar Wochen wusste ich dazu kaum etwas und hätte er mir nichts vom ADS gesagt, hätte ich es (wie gesagt) bereits aufgegeben mit ihm.

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