Hallo Forum,
mir ist kürzlich dank der Beschäftigung mit der ADHS-Symptomatik etwas bewusst geworden.
Ich merke, dass ich meine Bedürfnisse nicht richtig artikulieren kann. Wenn mir etwas nicht passt, dann sage ich es nicht - aus Angst der Person gegenüber auf den Schlips zu treten.
Wenn ich etwas von jemandem möchte, dann biete ich gleich einen Lösungsvorschlag mit an.
Ich bin immer sehr höflich und zuvorkommend. Teilweise weil ich das sicherlich auch bin, aber auch, weil ich möglichst keinen Stress mit anderen haben möchte.
Oder wenn ein Kollege total gestresst ist und in einem unmöglichen Ton (mit mir) redet, dann schaffe ich es nicht ihn darauf hinzuweisen.
Das ertrage ich dann teilweise Wochen oder Monate bis mir die Hutschnur platzt.
Anstatt zu sagen: „Ey, ich weiß, dass du gerade voll getresst bist, aber dafür kann ich nichts, pflaum mich bitte nicht so an.“
Eine Kollegin kam letztens in den Raum und hat gesagt, dass wir was vergessen haben und beim nächsten Mal doch bitte daran denken sollen. Ich dann: „Ah, ok, wir denken beim nächsten Mal daran.“
Schon allein, dass sie das so gesagt hat wäre für mich eine riesen Hürde. Und da habe ich gemerkt, dass ich da echt ein Problem habe.
Die Situation ging aber noch weiter: neben mir saß meine andere Kollegin, die wohl das Gesicht verzogen hat und sich ertappt gefühlt hat.
Dann hat die Kollegin direkt gekontert: „Nimm das doch nicht gleich so persönlich, wenn ich dir was sage. Es geht doch nur um die Arbeit.“
WOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOW!!! Ich will das auch können. Das ist so cool. Ich merke, dass ich das überhaupt nicht hinkriege. Ich habe sie in dem Moment echt bewundert.
Ich verbiege mich so extrem. Ich mache mir auch ständig Gedanken wie etwas ankommen könnte.
Das kostet irre viel Kraft sich ständig zurückzunehmen. Hinzu kommt ja natürlich eine extreme Anstregung für die Improvisationsfähigkeit meinerseits, wenn ich kurzfristig mal wieder etwas ändern muss, weil die andere Person nun andere Vorstellungen hat.
Das ist auch der Grund warum ich viele Menschen als so forsch wahrnehme. Weil ich eben 0 so bin. Dabei ist das eigentlich gesund. Klar, manche übertreiben es sicherlich auch.
Aber es dient eben auch dem Selbstschutz.
Ich bin eine erwachsene Frau und kann mich nicht behaupten. Obwohl ich relativ selbstbewusst wirke (es wird mir zumindest so gesagt) ist das eine Fähigkeit, die ich absolut nicht besitze.
Wenn man Differenzen hat, dann sollte man das einer anderen Person respektvoll und vernünftig sagen können. Nun gibt es aber Charaktere, die dann auf ewig beleidigt sind und sich wie ein kleines Kind verhalten.
Deswegen mache ich es oft nicht. Das habe ich meinem Freund gesagt und er meinte dann: „Schatz? Das ist doch nicht DEIN Problem, wenn die so sind.“
Recht hat er oder?
Kennt Ihr diese Situationen? Kann man das lernen? Ich habe da wirklich ein Problem und es schränkt mich ganz massiv ein…zudem kostet es unglaublich viel Kraft. Ich übernehme mich teilweise deswegen. Anstatt zu sagen: ich brauche Hilfe, sage ich: jaja, kann ich auch noch machen, schaffe ich. Und ich schaffe es ja auch meist, ich bin gut darin.
Ich habe so viel Kraft, aber ich verpulvere sie für die falschen Sachen!!! Ahhh, es ist zum Haare raufen!
Vorteil:
Durch das ständige Antizipieren habe ich eine sehr stark ausgeprägte Empathiefähigkeit, die mir in anderen Situationen wieder nützlich ist. Die muss ich ja nicht verlieren, wenn ich das andere lernen könnte oder?
Ich bin gespannt auf Eure Erfahrungen
Viele Grüße!