Vorstellung: ADHS und/oder Frühtraumatisierung bei Adoptivkind

Hallo Roseline,

ja, adoptierte Kinder haben weit überrepräsentativ ADHS, weil es ja stark erblich ist und Eltern, die nicht in der Lage sind, ihr Kind selbst aufzuziehen, häufig ADHS haben. Teenagerschwangerschaft ist selbst ja schon ein überdeutlicher Hinweis auf impulsives Verhalten.

Und was FASD betrifft, da ist der Zusammenhang ja noch plausibler. Wer in der Schwangerschaft nicht Alkohol vermeiden kann, kann sehr häufig auch nicht für das eigene Kind sorgen.

Was nicht heißt, dass alle adoptierten Kinder ADHS und/oder FASD haben, aber erstaunlich viele. Und vor allem früher wurde sehr viel auf Frühtraumatisierung geschoben, weil es das Naheliegendste zu sein scheint. Schlimmer noch: Nicht selten wurden die Adoptiveltern selbst beschuldigt, denn wenn so viel schief geht, kann es ja zu Hause nicht richtig laufen.

Was FASD betrifft, wäre es schon gut eine Diagnose anzustreben. Aber selbst wenn man die nicht hat, falsch macht man mit einer ADHS-Behandlung nichts, denn auch bei FASD werden Stimulanzien verordnet.

FASD ist in mancher Hinsicht eine Super-ADHS, man kann sagen, ADHS-ler brauchen viel länger als andere Menschen, aus Erfahrung zu lernen, FASD-ler sind fast gar nicht in der Lage, aus Erfahrung zu lernen, sie bleiben sehr naiv und sind dadurch auch leicht zu etwas zu verleiten.

Das sollte man dann schon wissen, sonst tut man ihnen leicht unrecht und überfordert sie.

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Hallöchen (:

Ich kann deine Verzweiflung und deine Unsicherheit wirklich gut verstehen. Bei mir hat es zwar mich selbst betroffen, aber ich glaube das macht keinen besonders großen unterschied.

Ich wurde in der dritten Klasse ebenfalls auf ADHS getestet. Das war allerdings Anfang der 2000er. Der Kinder- und Jugendpsychologe hat einige Tests gemacht und hat meiner Mutter im Abschlussgespräch wortwörtlich gesagt: „Ihr Kind ist einfach dumm. Das kann nicht mehr“. Also nicht besonders aufbauend. Für sie nicht. Und besonders für mich nicht. Ich war auch ein Kandidat der die Mitarbeit in der Schule immer verweigert ist. Hausaufgaben waren ein Graus. Was für eine Schulform besucht er denn?

Ich war damals auf einer ganz normalen Gesamtschule. Rückblickend hatte eine andere Schulform als der klassische der Lehrer steht vorn und redet Kram besser funktioniert. Gerade mit adhs wollen wir das machen, was uns interessiert. Und naja, machen wir uns nichts vor. Die meisten Sachen in der Schule sind nicht nur langweilig, sondern auch völlig sinnbefreit. Mit adhs nimmt man das noch mal ganz anders wahr. Man muss verstehen wieso gewisse Dinge wichtig sind. Sonst sieht man keinen Sinn darin sie zu machen. Das adhs Gehirn will verstehen. Und vor allem will es beschäftigt werden.

Ich kann dir aber aus meiner persönlichen Laufbahn berichten: man findet seinen Weg. Ich hab letztes Jahr meinen Master in Architektur abgeschlossen. Also nichts mit dumm. Ihr müsst einfach nur einen Weg finden, wie ihr ihn motiviert halten könnt. Und vielleicht wäre tatsächlich eine gewöhnliche Schulform einfach nicht das richtige. Vielleicht könnte man noch mal darüber nachdenken da etwas anderes auszuprobieren.

Aber auf jeden Fall: nicht den Mut verlieren! Er ist noch jung. Er muss jetzt kein Überflieger sein. Und selbst wenn sein Abschluss später nicht bombastisch ist, ist das auch kein Weltuntergang. Wichtig ist, dass er den Spaß wieder findet und motiviert bleibt.

Und vielleicht ist das auch noch ein Tipp: Vergleich ihn nicht mit den anderen. ADHS Kinder und Erwachsene sind anders als der Rest. Wir funktionieren anders. Und das ist gut so.

Liebe Grüße (:

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Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Das hilft sehr. Ich kann inzwischen sagen, dass die Medikation tatsächlich etwas bringt. Ob Frühtraumatisierung oder nicht - ein ADHS ist wohl tatsächlich gegeben. Wir hätten schon viel, viel früher nochmals nachhaken müssen. Er merkt wohl auch selber, dass es ihm hilft. Er nimmt die Medis ganz ohne zu Murren und fragt auch selber danach. Das finde ich positiv. Er braucht zwar immer noch Begleitung beim Lernen, aber es fällt ihm jetzt viel leichter. Keine Turnübungen mehr auf dem Stuhl und Boden, es geht auch mal einfach Sitzen und Schreiben. Schwierig ist noch der Morgen (wie bringe ich das Kind am Besten aus dem Bett und zum Frühstück und in die Kleider und vor die Zahnbürste und aus dem Haus?) und teilweise am Abend, wenn die Wirkung wieder weg ist. Aber ich bin nach all den Jahren positiv gestimmt. Sein emphatisches und liebenswertes Wesen rückt jetzt ganz weit nach vorne und das ist schön!

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Danke dir! Wie schön, dass du deinen Weg gefunden hast! Das ist ja fürchterlich, wenn man einem Kind (und den Eltern) sagt, dass es einfach dumm ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das für das Selbstwertgefühl bedeutet. Schrecklich! Den Eltern einer Schulkameradin von mir haben die Lehrer gesagt, dass aus ihrer Tocher wohl nie etwas wird. Sie haben es ihr erst viel später einmal gesagt - inzwischen war sie Ärztin.
Ich bin auch überzeugt, dass er seinen Weg machen wird. Es ist einfach manchmal so schwierig dabei zuzuschauen, wie er sich selber im Weg steht. Ich möchte einfach, dass er glücklich wird und etwas findet, dass ihm Spass macht und an dem er dann dranbleibt.
Er geht seit drei Jahren in eine Privatschule. Dort hat es kleinere Klassen. Allerdings ist es sehr streng und ich frage mich manchmal, ob es die richtige Schule für ihn ist. Er möchte aber unbedingt bleiben im Moment. Er hatte lange keine Freunde, jetzt aber bei zwei Mädchen Anschluss gefunden. Das ist super schön und baut ihn auch auf!
Danke für den Tipp. Das muss man sich wohl tatsächlich immer wieder in Erinnerung rufen. Danke!

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Eine strenge Privatschule kann ich mir als schwierig vorstellen. Ich kann natürlich auch nur von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen, aber für mich hat Schule (und auch Studium) immer am besten funktioniert, wenn ich Freiheiten hatte, meine eigenen Wege und Lösungen zu finden. Strenge Vorgaben haben nie gut funktioniert.

Ein Beispiel was ich da wiedergeben kann: meine Deutschlehrerin war von der alten Schule. Schreibschrift war ein Muss. Sonst wurde entweder gar nicht oder mit Notenabzug bewertet. Für jemanden wie mich, der Probleme mit der Schreibschrift hatte/hat, war das natürlich ein absoluter Graus. Ich kann das weder lesen noch schreiben. Ich hab trotzdem einfach geschrieben wie ich eben geschrieben hab, weil ich eben auch gar keine andere Möglichkeit hatte. Meine Noten sahen dann auch dementsprechend aus. Und das nur, weil die Vorgaben zu streng waren.

Strenge in kleinen, liebevollen Maßen ist natürlich was ganz anderes. Aber das erwarte ich dann doch eher Zuhause als in der Schule. Natürlich ist immer schwierig abzuwägen, ob ein Schulwechsel nicht mehr schadet als hilft. Das kann man von außen aber auch sehr schlecht beurteilen. Aber ich bin mir sehr sicher dass du dein bestes gibst und dass ihr einen Weg für deinen Sohn findet, bei dem keiner zu kurz kommt. (:

Das tönt doch super!

Leidet er unter Appetitlosigkeit? Falls nicht, wäre es ev. eine Möglichkeit, dass er die Medis gleich nach dem aufwachen noch im Bett einnimmt.

:heart_eyes:

Ich würde sagen, wenn er unbedingt bleiben möchte kann es nicht so schlimm sein, oder? :blush:

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Wir geben unserem Sohn seine Tablette (Attentin - mit Medikinet Retard geht das so nicht) morgens im Bett zusammen mit etwas Wasser und einem Keks eine halbe Stunde vor (!) dem Aufstehen. Er kann danach noch etwas dösen.

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Er bekommt Concerta wenn ich das oben richtig sehe. Dann wäre das vielleicht mit unretardiertem MPH eine Option? Oder einfach das Concerta schon im Bett geben.

Bei uns würde das allerdings nicht gehen, da der Appetit dann schon vor dem Frühstück weg ist…

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Hallo Liebe @roseline , ich persönlich denke das adoptierte Kinder instinktiv wissen das ihre Lebenssituation nicht die einer „normalen Familiensituation“ entspricht, sondern das sie sich in ihrem Leben, so vermute ich persönlich, vermutlich mehr oder weniger als „nicht wirklich zugehörig“ empfinden, auch wenn sie sich selbst dieses Gefühl sehr lange in ihrem Leben nicht wirklich „erklären können“, so „wissen sie instinktiv das etwas in ihrer Lebensgeschichte „anders“ als bei anderen Kindern innerhalb einer Familie ist“.

Und genau dieses Gefühl das solche Kinder instinktiv „meistens wissen“, sorgt dann dafür das sie vermutlich ihr Leben lang nach „der Wahrheit“ ihrer Abstammung suchen werden, heisst heraus finden möchten WER seine „echten Eltern sind“, und WARUM ihre „echten Eltern sie nicht haben wollten“.

Und dieses Gefühl begleitet solche Kinder vermutlich ihr ganzes Leben lang, heisst sie möchten erfahren warum sie ihre „echten Eltern“ NICHT ANGENOMMEN HABEN, sondern sie „weg gegeben haben“.

Zumindest kann ich mir persönlich diese Gedanken die so ein Kind schon in seinem Kleinkindalter haben muss, eben weil es Instinktiv spürt das etwas in seinem Leben „nicht stimmt“, ziemlich gut vorstellen und auch absolut gut verstehen.

Denn meistens werden solche Kinder um die wahren Gründe ihrer Lebenssituation sehr oft und sehr lange in ihrem Leben „im Unklaren gelassen“, heisst in Wirklichkeit nicht über die wahren Umstände WARUM sie bei einer anderen Familie „untergebracht worden sind“ in Kenntnis gesetzt.

Zum einen weil man dadurch vermeiden möchte um diesem Kind die nackte Wahrheit ins Gesicht zu sagen, weil man denkt das es diese Wahrheit nicht verkraften wird, zum anderen um zu verschleiern das man selbst nicht „die wahren Eltern sind“, um sich selbst vor unliebsamen Fragen schützen zu können.

Von daher, ja kein einfaches Thema, und trotz allem ist meine persönliche Meinung dazu, dass man gegenüber Kindern immer ehrlich sein sollte, und das man die Intelligenz von Kindern nie unterschätzen sollte.

Denn wenn man Adovtivkindern die Wahrheit verschweigt, so werden sie die Wahrheit früher oder später in ihrem Leben vielleicht doch herausfinden, da ihre innere Stimme und ihr Bauchgefühl nicht immer mit den ihren erzählten Geschichten zufrieden sein werden, sondern sich dann selbständig auf die Suche begeben werden, und oft so lange, bis sie ihre Antworten auf ihren Ursprung endlich gefunden haben.

Und ob diese Problematik von solchen Kindern dann wirklich nur auf ADHS reduzieren zu sind?, ich weiss es nicht, da ich keine Psychiaterin oder Psychologin bin, aber mein persönliches Bauchgefühl sagt mir selbst zumindest das dass alles „nicht so einfach ist“, heisst ob es „genügend ist“ wenn man so einem Kind dann Stimulanzien gibt, und hofft das dadurch alle Probleme für das Kind und einen selbst gelöst werden könnten, sondern das in solchen Fällen einiges mehr an Hilfestellung für Adovtivkinder nötig ist.

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Vielen Dank für deine Gedanken, die ich sehr schätze und auch teile. Dass ein Kind adoptiert ist, sollte nie verschwiegen werden. Das ist vermutlich etwas vom Schlimmsten, das man ihm damit antun kann. Unser Sohn ist mit dem Wissen darum, dass er adoptiert wurde, aufgewachsen. Wir können ihm Teile seiner Geschichte erzählen und auch die Gründe, die zur Adoption führten, aber sicher nicht alles, weil wir nicht alles wissen. Er kommt damit zurecht, aber er fühlt sich, wie du richtig sagst, mitunter anders als andere Kinder und manchmal ist er auch sehr traurig. Er wird seit vielen Jehren psychologisch begleitet und das hilft ihm. Aber seine Geschichte wird ihn immer begleiten und wohl auch immer bewusst oder unterbewusst beschäftigen. Wir sind da und unterstützen ihn. Seine leiblichen Eltern können wir nicht ersetzten, aber wir können versuchen ihm trotzdem gute Eltern zu sein.
Lange habe ich geglaubt, dass sein Verhalten einzig auf seine Geschichte zurückzuführen ist. Inzwischen bin ich aber überzeugt, dass eben trotz allem auch ein ADHS dazukommt. In diesen Hinsicht können ihm die Stumulanzien eine grosse Hilfe sein. Dass dadurch alle seine Probleme einfach weggewischt werden, glaube ich hingegen nicht. Seine Geschichte ist seine Geschichte und sie wird ihn immer begleiten, ob mit oder ohne ADHS.

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Video zum Thema, hat nicht direkt was mit den voran gegangenen Beiträgen zu tun,
aber ist bestimmt trotzdem von Interesse einfach damit man mehr infos hat,
besser mit Leuten diskutieren kann

Erziehung ist nicht die Ursache von adhs

(im Zweifel Übersetzungsfunktion benutzen)

Meine Nichte hat einen Vater, der leider nicht mal für sich selber sorgen kann (schlimmer als ich, sehr viel schlimmer)

" Na Schlubbi, was is los, alles klar?"
"Paaaa - uuuuullll, Der OPA ist mein Freuuuu - eeeunnnd. "
„Wenn Opa das sagt, dann gilt das für immer.“

(in kindersprache vorstellen)

Die Illusion hatte ich leider auch. Haben viele, auch eltern, auch Patienten hier im forum.

Alles was passiert ist, ist daß ich die fähigkeit bekommen habe, an mir zu arbeiten, also, mit viel mehr fokus, kein Alkohol der dazwischen grätscht, keine bekloppten Ideen wie ich anderen meine Selbstwert beweisen kann, keine Ablenkungen, keine Bekloppten Gefühlsdinger, die für Monate anhalten, und alles durcheinander bringen.

Die kapieren nicht, daß nicht die kurzeit wirkung das wichtige ist, sondern die Langzeitwirkung, also, dieses Phänomen daß man sich emotional & kognitiv schlichtweg besser entwickelt, und dieser effekt wirkt auch ohne Stimulanz.

Kann sein daß mit 20 stimulanzien, oder gar mit 16, eine sehr gutes Investment gewesen sein könnten.

zum Beispiel wäre ich dann sowohl profi schlagzeuger als auch profi Guitarrespieler.

naja, vor traumata schützen Stims nicht, aber man kann sie viel besser wegstecken, glaube ich.

Damit meine ich nicht Lebenslang Stims nehmen, aber in dem einen oder anderen Jahr hätte die Medikation mir viel beibringen können, ich kann einfach so viel besser über mich nachdenken…

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Liebe @roseline vielen Dank für Deine Antwort, ich freue mich sehr darüber das ihr so offen mit eurem Adobtivkind über alles redet, ich bin mir sicher das Deine Familie eine sehr liebevolle Ersatzfamilie für euer Adobtivkind seid. :people_hugging: :heart:

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Hallo!
Bitte mach dir keine Vorwürfe! Woher hättet ihr es wissen sollen, dass es vielleicht doch ADHS ist? Ihr habe euch schließlich gekümmert und informiert und dann Aussagen von Fachkräften dazu bekommen. Ihr habt alles getan, was ihr tun konntet!

Dass du jetzt eine andere Sicht hast hängt ja auch damit zusammen, dass ihr mehr Zeit zur Beobachtung und Bewertung der Situation hattet. Ihr habt also nochmal neu bewertet und entsprechend eine neue Richtung eingeschlagen. Mit Erfolg!
Ihr könnt euch also selber anerkennend auf die Schultern klopfen und sagen, dass ihr gute Eltern seid, die sich für ihr Kind einsetzen und damit erfolgreich sind.

Ich denke übrigens auch, dass das gehäufte Auftreten von ADHS bei Adoptivkindern durchaus damit zu tun haben könnte, dass die leiblichen Eltern ADHS haben. (Bin kein Experte, ich denke nur laut nach) Das wäre mal eine gute Forschungsfrage. Aber wir sind ja massiv unterdiagnostiziert. Unter 1 % der Erwachsenen sind diagnostiziert, dabei sollten es etwa 4% sein, mit Dunkelziffer je nach Quelle sogar bis zu 12%.
Selbst wenn man jetzt leibliche Eltern fragt, ob sie ADHS haben, sind sie wahrscheinlich gar nicht diagnostiziert.

Auf jeden Fall seid ihr auf dem richtigen Weg!

Hinweis am Rande:
Auch wenn das Medikament jetzt schon wirkt kann es trotzdem sein, dass ihr hin und wieder nachjustieren müsst. Es kann auch sein, dass irgendwann mal ein anderes Präparat nötig wird. Lasst euch davon nicht entmutigen oder den Wind aus den Segeln nehmen.

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