Hallo
Ich habe mich nun eine Weile eingelesen und möchte uns nun vorstellen. Ich bin die Mama eines 12-jährigen Wirbelwinds. Er ist ein Adoptivkind, kam aber schon sehr früh zu uns. Ein toller, liebenswerter, feinfühliger Junge. Aber wie die meisten hier, haben wir eine lange Leidensgeschichte. Aufgeweckt und interessiert war er immer, die Probleme fingen mit dem Schuleintritt an. Sehr impulsives Verhalten, kein selbständiges Arbeiten (Anstrengungsverweigerung), übersteigertes Kontrollbedürfnis, wüste Wutanfälle. In der 2. Klasse wurde auf Anraten der Lehrerin eine ADHS Abklärung gemacht. Das Vorliegen eines ADHS wurde danach ziemlich klar verneint. Er sei interessiert und engagiert an die Fragestellungen herangegangen und habe sich auch gut konzentriert. Seine Intelligenz sei überdurchschnittlich. Besonders gute Werte hatte er im Bereich Arbeitsgedächtnis (bei der Arbeitsgeschwindigkeit dagegen durchschnittlich; unter 100). Obwohl es Anzeichen für ein ADHS gebe, wurde es aufgrund d des Gesagten aber ausgeschlossen. Sein Verhalten wurde vielmehr mit seiner Geschichte in Verbindung gebracht. Eine Frühtraumatisierung durch die Trennung von der leiblichen Mutter kann wohl tatsächlich ähnliche oder gleiche Verhaltensmuster hervorrufen, wie ein ADHS. Ich habe mich vertieft damit auseinandergesetzt und das als gegeben angesehen. Die Probleme wurden schlimmer. Es kam eine Mobbingsituation dazu, am Ende Schulwechsel. Dort ging es leider nicht wirklich besser weiter. Schrecklicher Kampf, dass er überhaupt etwas für die Schule macht, Hausaufgaben ein Graus, es ging nicht mal selber ein Blatt einkleben. Zwei Jahre und viele Telefonanrufe mit der Schule, neue therapeutische Ansätze, etc. gingen ins Land. Besser wurde es nicht wirklich. Die Noten waren erstaunlicherweise gut bis sehr gut, obwohl er praktisch nichts für die Schule machte. Nun letzten Sommer der Wechsel in die Oberstufe: in der Schule bastelt und zeichnet er nur noch, verweigert komplett. Hausaufgaben machen: fürchterlich, Wutanfälle ebenso. Inzwischen sind auch die Noten schlecht. Mein Bauchgefühlt sagte mir: doch ADHS. Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben nun die Medikation gestartet (aktuell Concerta). Erstaunlicherweise kann er nun auch mal stillsitzen und Hausaufgaben machen (ich muss aber dabei sein). Wie es in der Schule geht, weiss ich noch nicht so recht, wir stehen ja erst am Anfang. Grad Wunder erwarte ich nicht und fürchte mich etwas davor, dass ich mir ein Besserwerden einfach einreden will, nach so langer Zeit (ich bin ziemlich an meine Grenzen gekommen letztes Jahr).
Ich habe mich nun eingehend mit ADHS und Frühtraumatisierung bei Adoptiv- und Pflegekinder beschäftigt. Es gibt vielerlei Ansätze. Frühtraumatisierung mit gleichen Verhaltensweisen wie ADHS aber kein ADHS, Frühtraumatisierung kann ADHS verursachen oder verstärken, etc. In der Adoptionsliteratur wird meistens nur auf ersteres eingegangen, also einfach gleiche Verhaltensweisen, die für frühtraumatisierte Kinder typisch sind. Andererseits lese ich nun, dass ADHS bei Adoptivkindern gehäuft vorkommt.
Ich bin momentan froh, dass wir es mit Concerta versuchen können. Es ist ein Hoffnungsschimmer. Andererseits habe ich auch etwas Angst davor, dass es langfristig wenig bringt. Ich wünsche mir so sehr, dass er seinen Weg finden kann und nicht durch die Maschen fällt.
Danke fürs Zuhören. Vielleicht hat es ja Adoptiveltern oder Pflegeeltern hier mit ähnlichen Erfahrungen. Es würde mich freuen, von euch zu hören!
Liebe Grüsse
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