Warum die ärztliche Versorgung in Deutschland so schlecht ist

  1. Die meisten heute praktizierenden Fachärzte haben in ihrer Ausbildung nie etwas von ADHS gehört.

  2. Die aufwändige Diagnostik, sowie die Behandlung „lohnen" sich nicht, bzw werden von den Kostenträgern nicht finanziert!

Psychiater haben meist nicht mehr als 25 € pro Quartal und Patient. Mit dieser Entlohnung ist keine umfangreiche Diagnostik möglich, ebenso wenig wie eine individualisierte medikamentöse Einstellung mit Begleittherapie.

Quelle: ADHS-München

Ich finde, die erklären es sehr gut! Das ist ein Thema für Herrn Lauterbach.

ADHS bei Erwachsenen - ADHS-München versorgungssituation/

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Ja leider…

Trifft auch auf andere Bereiche zu. Beispielsweise Schlafapnoe, der Patient hat schlecht einstellbaren Bluthochdruck, klagt regelmäßig über Kopfschmerzen am Morgen, fühlt sich schlapp. Arzt sagt Patient, das komme von Übergewicht und mangelnder Fitness. Patient wird mit Blutdrucksenkern, die zahlreiche Nebenwirkungen und Nachteile haben, vollgestopft.

Patient bekommt über Umwege mit, dass es Schlafapnoe gibt und bittet den Arzt um eine Überweisung. Arzt hält davon nichts und empfiehlt dem Patienten abzunehmen. Naja, wie soll das gehen ohne richtigen Schlaf?

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Wie kommst du auf 25€ pro Quartal? Ich hab hier als Richtgröße 225€ für Psychiater und 430€ für Neurologen gefunden für Patienten zwischen 16-49 Jahren für Arzneimittel in Westfalen-Lippe pro Quartal:

und in Sachsen siehts auch ähnlich aus für Neurologen:
https://www.kvs-sachsen.de/fileadmin/data/kvs/img/Mitglieder/Verordnungen/221229_Richtgroessen_Uebersicht-AM.pdf

In BW hab ich herausgefunden das es anscheinend nach Krankheit bewertet wird:
https://www.kvbawue.de/api-file-fetcher?fid=4460

Hier liegt der Richtwert für ADHS bei 151€.

Oder mache ich da irgendein Fehler und wird das anders berechnet?

Das schreibt die Ärztin selbst - beziehen sich auf die Behandlung, nicht auf das Arzneimittelbudget.

Ahh okay. Ja hast recht ich denke auch ADHS bekommt in der Facharztausbildung in Neurologie und Psychatrie einen viel zu geringen stellenwert obwohl es zu den Nervenkrankheiten gehört mit den höchsten Erfolgsaussichten, einen hohen Leidensdruck und es weitverbreitet ist.

Somit ist die Behandlung aufgrund des fehlenden Wissens oft mau oder wird garnicht erst angeboten.

Ich vermute, das wird sich künftig ändern.

Wenn die ganzen adhs Kids erwachsen werden und vor lauter Komorbiditäten dem ohnehin eingeschränkten Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen können, da sie von Klinik zu Arzt zu Reha und zurück überwiesen werden, dann wird man schnell merken, dass es langfristig teuer ist, nicht vernünftig (und barrierefrei !) zu diagnostizieren und behandeln.

Das Bewusstsein hat sich binnen der letzten 10-20 Jahre ja schon verändert, zB gibt’s die Adult Medis auch noch nicht so lange.

Früher war mit Erreichen des 18. Lebensjahres Schluss mit der Behandlung, der Patient galt als geheilt, quasi als Geburtstagsgeschenk.
Dass das Mumpiz war, ist ja auch erst später ins Bewusstsein der Ärzte gerückt.

Der Bedarf hier großzügig aufzurüsten ist enorm gestiegen und das wird sicherlich auch kommen.
Hoffen wir nur, dass es nicht wieder 10-20 j dauert :grin:

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Lea, deinen Optimismus hätte ich gerne. :grinning:

Bekanntlich werden Probleme in der Politik ausgesessen, sofern sie nicht wahlpolitisch wichtig sind. Und da sind „wir“ eben in der Unterzahl und es wird auch schwierig die Zahl an Studenten der Psychotherapie und Psychiatrie in einem absehbaren Zeitraum so zu erhöhen, dass merklich mehr Kapazitäten entstehen und auch die Anpassung der Inhalte im Studium ist ein langwieriger Prozess, gegen den sich viele auch blockieren werden.

Im Schulsystem braucht’s mehr Lehrer. Passieren tut in D gar nichts, es gibt halt mehr Quereinsteiger ohne pädagogischen Hintergrund. Lehrer sind auch eher in der Unterzahl und die Betroffenen (Schüler) sind nicht wahlberechtigt. Also wahlpolitisch uninteressant, es gibt halt Versprechungen. Passieren tut nichts.

Auch die Art der Wissensvermittlung hat sich trotz Notwendigkeit lange Zeit nicht groß geändert und die Digitalisierung erst durch eine Seuche zugenommen, während das Ausland in allen Himmelsrichtungen die notwendige Infrastruktur seit 10 Jahren hatte. Dennoch gibt es Lehrer die bevorzugt den Overhead-Projektor anschmeißen und zerknitterte Uralt-Folien hierfür zur Wissensvermittlung heranziehen. Wenn da dann ein Lehramtsstudent seine neuen Methoden mitbringt, fühlt sich die Lehrkraft überfordert und kritisiert den jungen Menschen dafür oder will die benötigten Arbeitsmittel nicht zur Verfügung stellen.

Das Bewusstsein und der Umgang mit Krankheitsbildern ändert sich meiner Meinung nach v. A. dann, wenn eine große und penetrante Lobby das vorantreibt.

Depressionen sind da m. E. ein schönes Beispiel. Da gibt es eine riesen Lobby (Patienten, Pharma, Ärzte, Angehörige,…), es werden ganze Kongresse dazu abgehalten und in den Medien wird das Thema ebenfalls gepushed. Die Erkrankung ist in den Köpfen präsent und es wurde ein Bewusstsein für den Leidensdruck der Betroffenen geschaffen. Wenn Du zum Arzt gehst, und sagst, dass es Dir nicht gut geht, weil Jemand gestorben ist, oder Du ein Problem hast, bekommst Du die Diagnose „Depression“ und die dazu passenden Medikamente schon förmlich hinterhergeschmissen, auch wenn die Diagnosekriterien gar nicht ernsthaft überprüft wurden. Und wenn Du Deine Meinung dazu äußerst, nicht depressiv zu sein, wird Dir unterstellt, dass Du es nur noch nicht kapiert hast, oder es nicht wahrhaben willst.

Direkter Vergleich dazu: Zwangsstörungen sind auch eine sehr häufige psychischeErkrankung, und sogar eine der häufigsten Gründe für Behinderungsanträge und Erwerbsunfähigkeit, Lobbyarbeit wird da aber nicht ansatzweise so stark betrieben. Geh mal zum Hausarzt und erzähle dem oder der, dass Du vier Stunden lang duschst oder 50 Mal hintereinander den Herd prüfst. Da kommt als Antwort nur ein „das ist ja total schräg – nehmen sie sich doch das nächste Mal einfach vor, nur ein Mal nachzusehen, ob alles aus ist.“

Für AD(H)S bedeutet das m. E., dass weiterhin Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden muss: in der Politik, in wissenschaftlichen Gremien, im Netz und öffentlichen Einrichtungen und vor Allem bei Ärzten. Meiner Meinung nach ist da bereits viel geschehen, es muss aber weiter gehen, und erst, wenn genug Druck von Ärzten und von Patienten aus geht, wird sich in der Politik etwas ändern – z. B. die Rahmenbedingungen für die Diagnostik und Versorgung.

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