Warum unser Gehirn nicht multitasken kann: Neue Studie erklärt den ‚mental tug-of-war‘ – und was das für ADHS bedeutet

Ich bin gerade über eine super spannende, ganz aktuelle Studie gestolpert, die im Kontext ADHS ziemlich aufschlussreich ist.

Die Kernaussage: Das Gehirn kann nicht gleichzeitig klassisch (automatische Assoziationen) und operant (durch aktives Handeln/Belohnung) lernen, weil sich diese beiden Lernsysteme im Kopf regelrecht „bekriegen“. Das heißt, sobald wir uns stark auf eine aktive Lernweise (z. B. Hyperfokus bei ADHS) einschießen, wird das automatische Assoziationslernen quasi „abgeschaltet“ – und umgekehrt.

  • Erkenntnis aus der Forschung:

    • In Experimenten mit Fruchtfliegen (Drosophila) zeigte sich, dass klassische und operante Konditionierung nicht gleichzeitig im Gehirn verankert werden können.
    • Versucht man beide Lernwege parallel zu aktivieren, kommt es zu „Verwirrung“ und es bleibt gar keine Erinnerung hängen.
  • Was hat das mit ADHS zu tun?

    • Viele von uns mit ADHS kennen den sogenannten Hyperfokus. Wenn uns etwas fasziniert, schalten wir in einen maximalen „operanten“ Modus: Wir kriegen schnelle, direkte Belohnung (Spaß, Erfolgserlebnisse) und können stundenlang dranbleiben.
    • Werden wir aber plötzlich von einem anderen Reiz aus diesem Hyperfokus gerissen (klassischer, assoziativer Reiz, z. B. laute Geräusche, „plötzliche Aufgabe“), kann das wie ein Bruch wirken. Wir müssen abrupt in einen anderen Modus wechseln.
    • Die Studie legt nahe, dass dieser Moment so unangenehm ist, weil ein dominantes Lernsystem (operant) gerade „voll am Ziehen“ war und plötzlich ein anderes System (klassisch) an die Tür klopft – das Gehirn blockiert dann den bestehenden Fokus.
  • Warum Schule oft frustrierend ist

    • In der Schule laufen Belohnungen (Noten) sehr verzögert ab und sind meist wenig greifbar. Menschen mit ADHS brauchen aber schnelle, unmittelbare Bestätigung (operantes System).
    • Zusätzlich prasseln dauernd unterschiedliche Reize (Lehrerwechsel, Fachwechsel, Lärm, etc.) auf uns ein. Das unterbricht oft jeden aufkommenden Fokus.
    • Fazit: Wenn zwei Lernsysteme gegeneinander arbeiten, wird es mühsam.
  • Was kann man daraus mitnehmen?

    1. Fokussierte Lernphasen schaffen: Versucht, euch ganz auf eine Aufgabe zu konzentrieren, bei der ihr schnelle Erfolge oder Feedback bekommt.
    2. Unterbrechungen minimieren: Je weniger Störreize, desto stabiler bleibt der Hyperfokus – und desto weniger springt das Gehirn in ein „assoziatives Störfeuer“ um.
    3. Kurzfristige Belohnungen einbauen: Gerade für Menschen mit ADHS funktioniert es besser, sich nach kurzer Zeit direkt zu belohnen, statt auf eine große Belohnung in ferner Zukunft zu warten.

Hab selten so resoniert mit einer Studie :smiley:

Übrigens erklärt diese Studie auch ganz gut, warum viele von uns mit ADHS so heftig auf traumatische Erinnerungen (klassisch konditionierte Angstreaktionen) reagieren. Wir sind oft im „operanten Dauermodus“ unterwegs, also immer auf der Suche nach schneller Ablenkung oder Belohnung, um uns von unangenehmen Gefühlen fernzuhalten. Gleichzeitig schlummern da tiefe, unbewusste Angst-Assoziationen aus der Vergangenheit, die uns plötzlich überfallen können. Es ist wie ein innerer Kampf zwischen „Ich tu schnell was, damit ich mich besser fühle“ und „Dieser Geruch, dieses Geräusch triggert mich total und jagt mir sofort Angst ein“, was uns oft hin- und herreißt. Genau deshalb kann sich Trauma so massiv auf den Alltag von Menschen mit ADHS auswirken – weil zwei „Lernsysteme“ gegeneinander arbeiten und wir permanent versuchen, das negative klassische Konditionieren mit unserem operanten „Aktionismus“ zu überdecken.

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Wilde Idee.
Ich habe extreme Probleme im Hyperfokus Pausen einzulegen. Weil es sich „scheisse“ anfühlt.

Experiment:

  • Pausen-Reize klassisch konditionieren („Mini-Rituale“)
  • Wenn wir wissen, dass ein stark operanter (Hyperfokus-)Zustand laufend das klassische System unterdrückt, kann es helfen, Pausen-Reize ganz gezielt zu „verankern“.
  • Beispiel: Jede Stunde ertönt ein bestimmtes Signal (Musik-Jingle, Timer), das immer mit einer bestimmten Mini-Belohnung gekoppelt ist (z. B. ein kurzer Stretching-Move, ein Stück Schokolade, ein paar tiefe Atemzüge).
  • Effekt: Das Signal wird mit der Zeit ein fest assoziierter Anker, der das Gehirn in den „Pause-Modus“ lenkt. Weil das Gehirn bei jedem Erklingen dieses Signals automatisch weiß: „Jetzt kommt diese kleine, angenehme Handlung.“ So überwinden wir die Hyperfokus-Blockade zumindest kurz.

Also sich dem „Unangenehmen“ bewusst sein, und direkt gegensteuern mit einer Mini-Belohnung, um im „anderen“ System zu bleiben und keinen harten cut zu haben.

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Ich habe die Studie nicht gelesen, aber darüber musste ich kurz schmunzeln :sweat_smile:
Gehen sie dabei noch über die Fruchtfliege hinaus oder werden wir direkt mit dieser ‚gleichgesetzt‘ :joy:

(Sorry, falls ich das jetzt unqualifiziert in Frage stelle - hab wie gesagt nur kurz quer gelesen…)

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