Warum wird AD(H)S erst bei manchen/vielen im hohen Alter erkannt. Wenn überhaupt?

Warum wird AD(H)S erst bei manchen/vielen im hohen Alter erkannt bzw. gar nicht und welche Subtypen eignen sich leider dazu sie zu übersehen?

Ich bin 29 (m) und wurde vor 3 Monaten als Mischtyp diagnostiziert. War aber als Kind auch in Ergo und beim Kinderpsychologen wieso ist das dort nicht aufgefallen?

Stelle eben fest wie scheiße das ist für betroffene. So unnötig einfach.

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Das frage ich mich auch schon lange.

Ich glaube hier kommen sehr viele Dinge zusammen:

  • Unwissenheit bzw. Unerfahrenheit der Ärzte
  • Symptome die auf den ersten Blick nicht „typisch“ ADHS sind (verträumt, zu still, kann sich in gewissen Situationen eben doch sehr gut konzentrieren)
  • zu gute Noten
  • Eltern, die von ihrem eigenen ADHS nix wissen oder nix wissen wollen (Neurodivergenz in der Familie noch unerkannt)
  • Masking
    etc.

Ist jetzt hier nicht hilfreich, aber du mit deinen 29 Jahren bist ja noch gut dran. Hast ein Großteil deines Lebens noch vor dir, und kannst von dem Wissen und der Therapie noch viele Jahre profitieren :blush:

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Ich glaube, es herrscht teilweise immer noch das stereotype Bild von ADHSler:innen in den Köpfen einiger (Fach-) Leute vor. Daraus ergeben sich einige Probleme: Wenn ich an den „klassischen Zappelphilipp“ denke, also an einen Jungen mit ausgeprägter Hyperaktivität, dann fallen dort automatisch viel zu viele andere ADHSler:innen raus. Dass ADHS sich nicht „verwächst“, auch bei Erwachsenen vorliegt und nicht zwangsläufig anhand einer mit Abbrüchen und Misserfolgen gespickten Biografie feststellbar ist, beziehungsweise (beruflicher) Erfolg und Co kein Ausschlusskriterium darstellen, ist manchen Fachpersonen leider immer noch nicht ausreichend präsent. (Ich empfehle an dieser Stelle den Thread „ADHS Bullshitbingo“ aus dem Forum.)

Meist fällt, gerade in der Schulzeit, das beziehungsweise der*die auf, was aufgrund von externalisierendem Verhalten (also das, was beobachtbar ist und von normativen Erwartungen abweicht) in irgendeiner Art und Weise „stört“. Der kippelnde, reinrufende Klassenkasper stört tendenziell eher als die in sich gekehrte, zurückhaltende und etwas langsam erscheinende Träumerin.

Hinzu kommen auch geschlechtsspezifische Sozialisierungen: Von weiblich gelesenen Personen werden (leider noch immer) andere Verhaltensweisen erwartet und toleriert als bei männlich gelesenen. Das ist nicht nur in Bezug auf ADHS ein Problem, aber halt auch.
Es gibt außerdem Studien dazu (ich habe gerade keine parat, ich müsste erst googeln), dass weiblich gelesene Personen bei der Schilderung ihrer Beschwerden tendenziell weniger ernst genommen werden als männlich gelesene. Ich befürchte, dass das auch beim Erkennen von ADHS mit reinspielen könnte.

Hinzu kommen individuell ausgeprägte Coping-Strategien, sprich Bewältigungsstrategien zum Kompensieren. Mit hoher Intelligenz kann man beispielsweise einiges über längere Zeit hinweg ausgleichen und somit maskieren.

Auch das Vorliegen bestimmter Komorbiditäten, zum Beispiel Autismus, kann Einfluss auf die „Sichtbarkeit“ beziehungsweise Ausprägung einiger Symptome haben. Hinzu können ebenfalls Fehldiagnosen kommen, welche einige Symptome erklären sollen.

Ebenfalls wird das Umfeld eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Bin ich in einem lernförderlichen, unterstützenden und ressourcenorientierten Umfeld, in dem meine Stärken zum Tragen kommen können und meine Schwächen nicht im Vordergrund stehen oder mir unterstützend zur Seite gestanden wird? Dann werde ich mit Glück ebenfalls nicht oder zumindest weniger an dem vorliegenden ADHS leiden.
Einige merken beispielsweise erst im Studium, dass die bisherigen Strategien nicht mehr ausreichen. Denn die Ansprüche an Selbststrukturierung und -organisation sind nicht mit Schule vergleichbar. Generell Wechsel scheinen ein gewisses Risikopotenzial zu bergen, da dann teilweise mit neuen Anforderungen und Herausforderungen umgegangen werden muss, wofür bisherige Strategien teilweise adaptiert und neue etabliert werden müssen.

Zu guter Letzt wird ADHS leider nicht immer völlig ernst genommen. Denn jede:r kennt es vermutlich, mal zu prokrastinieren, etwas zu vergessen, chaotisch zu sein oder impulsiv zu handeln. Und das macht es so tückisch, da dann mitunter von sich selbst auf andere geschlossen wird und der Leidensdruck somit womöglich nicht adäquat erkannt und sogar relativiert werden kann. (-> „Ach, ich bin auch manchmal so vergesslich. Und letztens habe ich sogar erst am nächsten Morgen die Spülmaschine eingeräumt. Dann müssten ja alle ADHS haben!“:nerd_face: „Heutzutage hat ja angeblich auch jede:r ADHS. Voll die Modediagnose.:roll_eyes:“)

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Hallo und :sparkling_heart:lich Willkommen hier!

Es reicht ja schon wenn man die ganze Zeit auf die falschen Ärzte stößt .

Lies mal im Thread Bullshitbingo nach.

Manchmal waren es auch die Eltern, die sich gegen diese Diagnose stellten.

Psychofachleute, die grundlegend nur von biografischen und traumatisierenden Auslösern ausgehen und nur dort die Ursache suchen.

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Ich denke vor allem,das es besonderes in den 80er 90 er Jahren noch gar nicht so erforscht war.
In meiner Klasse damals gab es viele verräumte Kinder aber auch manchen sehr hyperaktiven Jungen.

Solche Kinder sind entweder von der Schule geflogen,haben einen schlechten bzw. Gar keinen Schulabschluss gemacht oder haben sich die gesamte Schulzeit gequält und aufgrund der Schule auf Hobbys wie Leichtathletik und Geräteturnen verzichtet ,geschweige denn Treffen mit Freunden nur um nachher einen mittelmäßigen Realschulabschluss zu erlangen.

Ich habe meine Diagnose erst mit Anfang 50 bekommen .
Manchmal denke ich für mich ist der Zug beruflich abgefahren

Ich träume oft davon ins Jahr 1980 zurückzuteisen.
Mit Tabletten würde ich dann mein Abitur machen und entweder Architektur oder Kunst studieren ,den Ehrgeiz dazu hätte ich gehabt .

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Oder haben um ADHS zu kompensieren bzw sich zu stimulieren Hobbys und Freundschaften exzessiv betrieben um überhaupt Schule und das Leben aushalten zu können und so die Schule sehr vernachlässigt und einen schlechten Abschluss noch so eben erreicht

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Wenn es gelingt, mit passenden Eltern, Lehrern, Ausbildern, Chefs und Partnern ausreichend geeignete Strategien und Coping aufzubauen und das Lebensumfeld entsprechend zu gestalten, kann das lange gut gehen.
Und wenn die Lebenssituation sich ändert, das Umfeld nicht mehr passt, kann der Leidensdruck schnell steigen. Dann kommen Burnout, Depression oder andere Störungen, und wenn man den richtigen Arzt findet, die Diagnose.

Ich bin mir sicher, dass es eine ganze Reihe ADHSler gibt, die ohne echten ADHS-Leidensdruck sind und sich deshalb der ADHS nie bewusst werden werden. Warum auch? Für sie ist ja alles ok.

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