Was hilft euch abgesehen von Medikamenten?

Hallo,
ich habe gerade dieses Forum entdeckt und würde mich über Erfahrungen von euch freuen. Ich habe noch keine Diagnose, habe aber mit Psychologin bereits über das Thema geredet.
Meine Schwierigkeiten ziehen sich, wie bei vermutlich vielen, schon seit meiner Jugend, ich konnte sie nur nie richtig zuordnen. Irgendwie bin ich davon ausgegangen, dass es allen so geht und alles ganz normal wäre. Nachdem ich mich jetzt mehr mit dem Thema ADHS im Erwachsenenalter beschäftige, fallen mir viele Situationen der letzten Jahre auf.
Ich bin eigentlich mein Leben lang „gut durchgekommen“, habe mein Abitur, ein Bachelorstudium und bin gerade im meinem zweiten Masterstudium. Jedoch konnte ich immer nur die Aufgaben wirklich bearbeiten, die mir irgendwie „zugeflogen“ kamen, ich kam irgendwie ohne wirkliches Lernen durch und die Dinge, die mich nicht interessiert habe ich nie gepackt, konnte das aber immer ausgleichen. Ich konnte mich noch nie gut konzentrieren, hatte aber auch hier den Eindruck, dass es eigentlich ja allen so gehen müsste. Seitdem ich bewusst darauf achte fällt mir jedoch immer wieder auf, dass ich erst 10 Schleifen drehen muss ehe ich ein Thema bearbeiten kann und nicht wie andere in meinem Studium einfach loslegen kann. Ich glaub ich hab mir jahrelang einen extremen Druck gemacht „normal“ zu funktionieren, dass in meinem Umfeld nie groß was aufgefallen ist, außer der Emotionalität und jetzt in letzten Jahren diese Breakdowns, wenn ich es eben nicht mehr schaffe zu funktionieren.
Ich habe immer eine wahnsinnige Unruhe im Kopf, also der Klassiker, 10000 Gedanken gleichzeitig die wie ein Gefühlsball durch die Gegend schwirren. Ich fühle mich immer unruhig, ineffizient, nicht intelligent genug, minderwertig, als ob irgendwas nicht mit mir stimmt und irgendwie schäme ich mich dafür und will nicht, dass andere es merken.
Deswegen überkompensiere ich das, schon ewig. Ich hab neben dem Studium zwei Jobs, halse mir ewig viele Hobbies und Projekte auf, setze mich ständig unter Druck irgendetwas zu leisten, daneben noch kreativ zu sein, irgendwas zu tun, dass mir das Gefühl gibt ich bin etwas wert und genug. Regelmäßig lande ich dann in Stressspiralen und habe alle halbe Jahr sowas wie einen Breakdown, aus dem ich dann aber nicht lerne sondern sobald es geht wieder eifrig Aufgaben auf meine Liste packe. Auch meine Beziehungen waren instabil, oft hab ich es nicht zu etwas Ernsterem kommen lassen, ich bin oft umgezogen und nach circa zwei Jahren zieht es mich immer weiter, auch wenn ich jedes Mal viel aufgebe und der Neuanfang jedes Mal wieder eine Herausforderung ist und mich verunsichert. Aber irgendwas treibt mich da von innen an.
Jetzt bin ich langsam raus aus den 20ern und will so nicht mehr leben. Ich wünsch mir wirklich einfach so eine Art Ruhe, im Kopf und im Leben. Aber so vieles in meinem Leben ist eben genau das nicht. Und irgendwie ist das meine Persönlichkeit geworden und ich weiß gar nicht wer ich bin wenn ich nicht so getrieben durch die Gegend wusel.
Ich möchte erstmal keine Medikamente nehmen und versuchen anders Besserung zu finden -
Habt jemand vielleicht Erfahrungen was hier Ideen sein könnten, die helfen (mir ist bewusst, dass das sehr individuell ist) Ich hab zum Beispiel versucht meinen Tagesabläufen mehr Rhythmus zu geben, aber da ich den dann oft nicht einhalten kann geht das zum Beispiel oft nach hinten los und dann fühle ich mich noch schlechter.
Falls jemand seine Erfahrungen teilen würde, würde ich mich über den Austausch freuen.
Liebe Grüße

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Hallo Male_na,

Herzlichen willkommen!

Mir hilft immer Sport, besonders joggen. Meditation, Entspannungsübung ist auch ganz gut, muss man dann aber mindestens 3 Mal am Tag machen.

Immer kleine Pausen in den Tag einbauen in denen der Kopf mal Ruhe hat.

Mir persönlich haben diese Sachen auf Dauer nicht gereicht, hat ja nicht jeder Zeit am Tag im Büro sich zurück zu ziehen!

LG
Niklas

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Hallo @male_na und :heart: Willkommen, mir persönlich tut alles gut was positive Gedanken und Gefühle bei mir auslöst, am besten zähle ich einfach mal ein paar Sachen auf: Achtsamkeit, Dankbarkeit, Liebe und Vertrauen, Interessen und Hobbys, Familie und Freundschaften, Tiere und Natur, Sport und ausgewogene Ernährung, Humor und Spass, darauf achten nichts zu übertreiben, sich auch mal Pausen zu gönnen und sich auch mal selbst zu belohnen. :cake:

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Hi @male_na ,

mir persönlich hilft auch vor allem Sport und auch jegliche Art von Bewegung (alleine), Ruhe (Lesen, Meditieren oder einfach auch mal „nichts machen“) oder auch mal was mit Menschen zu unternehmen, die mir wichtig sind bzw. mit denen ich auch gerne etwas mache (sollte einfach kein Zwang dahinter sein).

Ich bin in einer ähnlichen Situation wie du, mache auch gerade meinen Master und war bis auf ein paar Semester über der Regelstudienzeit eigentlich auch ganz erfolgreich.

Ich kann sehr gut verstehen, dass du keine Medikamente nehmen möchtest, das ist schon auch eine Barriere, die ich lange selbst in meinem Kopf hatte.

Seit 3 Monaten bekomme ich Elvanse und muss sagen, dass es ein riesiger Unterschied ist.

Eine sehr gute Therapeutin in der Psychoedukation sagte uns immer:

"Es ist definitiv nicht das Ziel, dass Sie dauerhaft medikamentös behandelt werden.

Aber ADHS Medikamente sind mit die wirksamsten psycho-Medikamente, die es gibt und dazu auch noch Medikamente mit den so ziemlich niedrigsten Nebenwirkungen.

Und Sie haben nun Jahre lang durch das, was Sie gelernt haben viele Autobahnen in Ihrem Gehirn gebaut, die sie automatisierte Verhaltensweisen ausüben lässt.

Und sie werden diese Autobahnen auch nicht freiwillig oder langfristig verlassen wollen, weil der Weg außenrum sehr hart ist.

Daher müssen Sie langsam durch Psychoedukation, Psychotherapie und Reflexion dieser Verhaltensmuster anfangen, diese Autobahnen zu ändern.

Ob Sie die Autobahnen mit einer Schaufel und Eimer oder mir Bagger und Asphaltiermaschinen umbauen möchten, das ist Ihre Entscheidung.

Aber die Medikamente sind bei ADHS mit dem Baggern und den Asphaltiermaschinen gleichzusetzen."

Und bisher kann ich dazu nur sagen: Sie hat recht.
Auch wenn Ihre Aussagen uns nur gerade zu dazu gedrängt haben Medikamente auszuprobieren kann ich nur sagen: Zum Glück hat sie es so erklärt und ich würde es auch genauso unterschreiben.

Natürlich muss man auch dazu sagen, dass jeder ADHSler auch unterschiedlich von Medikamenten(gruppen) profitiert und Nebenwirkungen auch eine Realität sind, die man nicht außer Acht lassen kann.

Genausowenig kann ich aber außer Acht lassen, wie sehr mir die Medikamente helfen, mein eigenes Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Daher ist das eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss.
Schade finde ich es allerdings, wenn ich höre, dass ADHSler/innen durch die Stigmatisierun in der breiteren Gesellschaft was ADHS-Medis angeht aber auch durch „Halbwissen“ den Medikamenten nicht mal eine Chance geben, obwohl sie stark ausgeprägtes ADHS haben. Wie das bei Dir ist @male_na weiß ich natürlich nicht.

Abschließend würd ich noch gerne den Leitfaden für ADHS-Behandlung hier reinschicken, da steht, wenn ich mich nicht täusche auch drin, dass z.B. „leichtere bis mittelgradige“ ADHS-Ausprägungen nicht zwingend Medikamentös behandelt werden müssen.
ADXS.org - Leidfaden ADHS-Behandlung

Beste Grüße,
Beefcake

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Sport hilft - aber ohne medis kann ich mich tatsächlich meist nicht so organisieren, dass ich Zeit für Sport habe :sweat_smile:. Sport hat übrigens nach den Medikamenten die höchste Effektstärke.

Für den Umgang mit Geld war YNAB der absolute gamechanger.

Für den Umgang mit Papier die Scan Methode.

Und Body doubling finde ich sehr hilfreich! Wir haben eine Gruppe dafür im Forum.

Man kann Stimulanzien auch temporär nehmen. Die wirken ja nur ein paar Stunden - da hat man wirklich nix zu verlieren. Das ist ja nicht wie mit Antidepressiva.

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Bewegung, wandern (bin in diversen Wandergruppen), Podcast hören bei allen Haushaltstätigkeiten, versuchen genügend zu trinken, kein Zucker, frische Lebensmittel, Vollkornprodukte, Schlaf (wenn möglich) kaffee

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Ich bin in der Lage, neben meiner eigenen Diagnose auch noch mehrere Kinder mit ADHS sozialisieren zu müssen und das so ziemlich allein…hätte ich diesen „Ballast“ (der ja eigentlich auch ziemlich sinnhaftig ist und daher meist Eu-Stress ist :melting_face:) nicht, könnte ich als helfende Add-Ons sofort das nennen: Sport, Sozialleben und Austausch (!!!), Gesunde Ernährung, viel Abwechslung, Vitamin D3-Zufuhr draussen etc nennen.

Für die Mütter in meiner Situation sieht die Lage wohl je nach Betreuungslage anders aus….viele ADHSler sind alleinerziehend. Zum Glück besteht meine Ehe noch immer, und ich hoffe, das bleibt auch noch lange so. Denn durch die Auffälligkeit meiner Kinder (vor allem der Schulkinder!) kommt es einfach immer wieder zu krisenhaften Situationen. Eigentlich nahezu täglich. Fast jeder hier ist zutiefst vergesslich trotz fester Routinen….bei mir verkrasst sich das Alzheimer wenn ich mit der Dosis runtermuss….also sind dann auch die Kinder in ihren Unterricht verpeilter :sweat:…. Ich führe beinahe wöchentlich wegen der Kinder die noch keine diagnostischen Maßnahmen hatten, Telefonate mit den Lehrern. Das stresst mich wahnsinnig und ist derzeit unser Leidensdruck schlechthin.
Von daher mein Rat an Eltern mit adhs die sich noch Kids mit adhs haben: GUTE HELFER: Ärzte, eingeweihte Lehrer (solche, die ADHS kennen & es nicht als Bewegungsmangel abtun. Oder modediagnose). Ergotherapeuten helfen auch gut. Unbedingt Zucker vermeiden wo möglich.
Struktur schaffen. Jedes Familienmitglied profitiert von Kalendern und Abhak-Listen.
Ordnungshelfer im Wohnzimmer, am Schreibtisch etc.

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Achso. Vergessen….fast das allerwichtigste: Noise-Cancelling Kopfhörer! Das war kostspielig, hat mein Nervensystem aber in der Pandemie extrem gestreichelt :mending_heart:

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Ohja…die sind total wichtig! Lifechanger

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