ich (48) bin noch ziemlich neu in der "AD(H)S-Welt und bisher ja auch noch nicht wirklich diagnostiziert.
Nun habe ich einen Termin zur Diagnose bekommen, bin aber skeptisch. Ich erfuhr durch Zufall, dass die Ambulanz unserer psychiatrischen Klinik seit Neuestem auch AD(H)S diagnostiziere, dies ist aber nicht auf der Homepage veröffentlicht. Bei einem Vorgespräch sagte man mir, dass der Test auf HASE-Basis durchgeführt wird. Hat jemand von Euch Erfahrung damit/ Ahnung davon?
Was könnt Ihr für Diagnose-Methnden empfehlen bzw. wovon ratet Ihr ab? Was sollte ich ggf. (vorher) erfragen? Mein Termin ist in 2 Wochen, ich würde mich gerne darauf vorbereiten, ob ich dem Ergebnis vertrauen kann oder nicht… soweit möglich natürlich.
Der Grund, warum ich skeptisch bin ist Folgendes:
Ich war in einer Reha-Klinik (wegen Depressionen/ Burn out) und dort wurde mir auf mein Drängen ein Fragebogen gegeben, mit dem man erkennen könne ob eine zu AD(H)S vorliegt. Ich fand diesen Fragebogen sehr allgemein und fand es auch schwierig, die Fragen zu beantworten, da sie mir häufig viel zu oberflächlich und viel zu sehr „schwarz-weiß“ orientiert waren und meiner Lebensrealtität überhaupt nicht entsprachen. Es zeigte sich dennoch eine Tendenz zu AD(H)S, die Psychologin in der Klinik sah dennoch eigentlich keinen Handlungsbedarf.
Auf eigene Faust bearbeitete ich den weitaus umfangreicheren Fragebogen auf dieser Seite und auch hier wurde deutlich, dass ich durchaus ADS haben könnte.
Eine zweite Psychologin in der Reha nahm dies ernster und nun begann für mich die Suche nach einer Stelle, die eine wirklich Diagnose vornehmen kann. Dies ist nahezu unmöglich, wie ich feststelle - die meisten nehmen überhaupt niemanden mehr an, nicht einmal für die Warteliste…
Noch eine Frage: Falls ich in den sauren Apfel beißen muss und eine privatärztliche Praxis als Selbstzahler aufsuche - wird die Diagose dann von Psychiaterinnen und Psychologinnen akzeptiert ? Also falls es nötig sein sollte Medikamente zu bekommen, würde die Diagnose auch von einem privat bezahlten Facharzt ausreichen? Ich habe mal gelesen, dass es da Schwierigkeiten geben kann, daher die Frage… und natürlich habe ich Angst dass es so aussieht als hätte ich für ein bestimmtes Diagnose-Ergebnis zahlen wollen - das ist definitiv nicht der Fall…ich will nur nach Jahrzehnten endlich Klarheit und Hilfe…
Danke schon einmal fürs Lesen - es tut gut, die Gedanken zumindest einmal irgendwo rauslassen zu können - aktuell ist das hier die einzige Möglichkeit dafür für mich.
also was deine zweite Frage betrifft - das Problem hat man leider immer, ob Arzt 2 die Diagnose von Arzt 1 anerkennt. Das ist aber jedenfalls ganz unabhängig davon, ob man Arzt 1 selbst bezahlt hat oder nicht.
Du kannst immer wieder das Problem haben, dass man die Diagnose nicht anerkennt, aber wenn sie in einer psychiatrischen Ambulanz gestellt wird, dann hat es schon Gewicht.
HASE ist eins der Standard-Testmanuale. Zusätzlich sollte mindestens noch ein ausführliches Anamnesegespräch stattfinden, davon gehe ich aber aus in einer Ambulanz. Schwierig ist oft die Frage, wie gehen sie mit dem Thema Fremdbeurteilung und Symptomen in der Kindheit um. Ich würde an Deiner Stelle erstmal abwarten, wie es dort ao läuft.
Welche Diagnose-Methoden oder Tests am Besten sind, weiß ich nicht. Die meisten Diagnostiker werden wohl mit dem Material arbeiten, was ihnen am besten „gefällt“.
Mein Psychiater hat die HASE Selbstbeurteilungsbögen für Kindheit und Erwachsenenalter genutzt, mit mir das DIVA Interview durchgeackert, einen Konzentrationstest gemacht und aussagekräftige Zeugnisse hatte ich mit.
Außerdem musste ich noch zum Hausarzt für Laborwerte, um andere Ursachen (Schilddrüse, irgendwelche relevanten Mängel) auszuschließen und EKG wegen evl. Medikation. Den Befund vom bereits vorhandenen Schädel-MRT wollte er auch sehen.
Habs gerade woanders schon geschrieben: Du zahlst nicht für die Diagnose, sondern für die Arbeit des Arztes. Der hat genau so Medizin studiert und die Facharztprüfung abgelegt, wie ein Kassenarzt.
Ob ein anderer Psychiater oder Psychologe die Diagnose akzeptiert, ist nicht davon abhängig, von wem der Diagnostiker bezahlt wird.
Ich wünsche Dir erst Mal viel Erfolg in der Ambulanz!
Mein aktueller Psychiater hat Anfang des Jahres bei meiner Diagnose unter anderem auch die HASE Fragebögen eingesetzt, aber auch zwei längere Gespräche/Interviews. Die Fragebögen alleine haben waren bei mir damals wohl nicht ausreichend. Aber mein Psychiater sagte am Ende, dass es für ihn durch die beiden Gespräche die Diagnose wohl deutlich genug war.
Nach der Diagnose habe ich mich noch mehr mit meinem ADHS beschäftigt. Mit steigendem Verständnis meines ADHS kann ich Dinge in meinem Leben - von Kindheit bis heute - immer besser beurteilen. Immer wieder erinnere ich mich an Dinge die mit meinem heutigen Wissen recht deutlich auf ADHS hinweisen.
Wenn ich mir meine Antworten in den HASE Fragebögen jetzt anschaue erkenne ich ein paar Punkte, bei denen ich anders antworten würde. In 50 Jahren gewöhnt man sich an vieles, blendet andere Dinge aus und entwickelt Kompensationsmechnismen deren man sich oft kaum bewusst ist.
Besonders schwierig fand ich das bei den Fragen zur Kindheit, also alter 8-10 Jahre. Das ist 40 Jahre her. Da habe ich nur noch wenige Erinnerungen, an vieles kann ich mich nicht „auf Abruf“ erinnern sondern erst wenn sie durch irgendwas zufällig ausgelöst werden.
Unabhängig davon habe ich (auch rückblickend) den Eindruck, dass die HASE Fragebögen eventuell bei mehrheitlich hyperaktivem ADHS besser ansprechen als bei eher unaufmerksamem ADHS wie das bei mir offenbar der Fall ist.
Für mich war die Diagnose nicht das Ende sondern eher der Anfang einer Reise zum besseren verstehen meines ADHS.