Wie kann unser Schulsystem bzw. Lehrer derart ungerecht sein?

Ich bekomme den Kausalzusammenhang nicht mehr auf die
Reihe, aber ich landete bei meinen Recherchen zu Sozialphobie
usw. irgendwann in einem Reddit Beitrag, in dem ganz viele
Leute ihre Erfahrungen mit ungerechter Behandlung in der
Schule schrieben. Alles zwischen 20 Jahre her und top aktuell.

Da habe ich dann so an meine Zeit zurück gedacht und
besonders einprägsam war mir das immer vor die Tür
gesetzt werden in Erinnerung geblieben.

Es war halt einer meiner ADHS Symptome geschuldet, aber
ich wurde wirklich sehr oft schon „prophylaktisch“ raus
gesetzt, noch ehe die Stunde anfing.

Ganz schlimm war das bei Musik, Kunst und Religion auf
der weiterführenden Gesamtschule.

Noch ehe die Stunde losging, musste ich raus.

Dort habe ich locker 1,5 Schuljahre ehe ich die Diagnose
gestellt bekam, nicht im Klassenraum verbracht, sondern
wurde teils sogar weil ich es einfach nicht einsah, aufzustehen
und zu gehen, heraus getragen bzw. von einer Lehrerin
dabei oft so doll angefasst, dass ich Kratzer und Narben
hatte, als würde ich mich ritzen.

Als ich das meinen Eltern erzählte, meinten die "Die werden
schon ihre Gründe haben und bei den Ritzern dachten sie, ich
würde mich einfach nur ungeschickt beim Basteln anstellen.

Aufgedeckt wurde es nur deshalb, weil ich in der Klasse neben
den Mobbing Leuten so zwei Mitstreiter hatte und die haben
dann, weil sie als Teil der wenigen mit Smartphone waren,
verdeckt Aufnahmen von den Aktionen der alten „Schrulle“
gemacht und mir dann zugemailt.

Damit haben wir dann ne Beschwerde beim Direktor (Der
sich davon nichts annahm) und Schulamt bzw.
Bezirksregierung gemacht. Gab dann wohl als einzige
Maßnahme für die Olle die Pflicht, bei irgendeinem
Seminar mit zu machen, war dementsprechend einige
Wochen nicht da aber die durfte an der Schule bleiben.
Zum Glück hatte ich zwischenzeitlich die Diagnose und
bin nach den ganzen Vorfällen zu den Fächern, die sie
machte, fortan in die Nebenklasse zu einem anderen
Lehrer gegangen. Aber die ließ trotzdem kaum eine
Gelegenheit, mir was rein drücken zu wollen, aus.

Bei dem was ich erlebt habe und dem, was ich so aus dem
Reddit Post mitbekommen habe, frage ich mich schon, wie
es sein kann, dass das gesamte Schulsystem und die Leute
die da drin hocken, eher darauf ausgelegt sind, Täter (Egal
ob Schüler oder Lehrer) zu schützen und die zu bestrafen,
die dagegen aufbegehren.

Denn die Schule hat, wie ich für mich mal so im Rückblick
festgestellt habe, in der Grund- und Gesamtschulzeit so
den Grundstein gelegt, dass ich eine Sozialphobie habe
und generell ein Problem mit autoritären Personen.

Das macht was mit einem, wenn man so im Alter zwischen
10 und 15 Jahren so viel wortwörtliche Scheiße fressen muss.

Habt ihr auch sowas in eurer Schulzeit erlebt?

Wie seid ihr damit umgegangen bzw. habt ihr dann jemals
irgendwie Gerechtigkeit erfahren?

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Mein Sohn hat gerade mit der Schule zu tun. Man hat zu funktionieren oder man wird bestraft. Wir suchen eine Schulbegleitung, hoffentlich kann sie dann helfen und vermitteln.

Verstehe ich das richtig, dass das so ne Schule ist, die alle in das
selbe Schema pressen will?

Ja, kenn ich, das war bei mir auch so.

Die Lehrer hatten größtenteils ihre Vorstellung davon, wie alles
zu sein hatte und wie man selbst funktionieren, atmen, auf Klo
gehen und was weiß ich alles sollte.

Da war neben mir ja noch die mit der Lese Schreibschwäche, die
ich als eine der zwei Verbündeten hatte, die wurde bei der
„Arm Ritzen“ Lehrerin immer derart vorgeführt mit ihrem „Fehler“
das sie glaub zwischen T und P nicht unterscheiden konnte und
noch etwas anderes, dass diese mehrfach vorne an der Tafel wegen
Panik zusammenbrach und wir als andere Schüler sie unter Protest
der Lehrerin ins Krankenzimmer bringen musste weil die Lehrerin
meinte, das sei Anstellerei.

Aber dann täuscht mich meine Wahrnehmung ja doch nicht, dass
Andersartigkeit in der (heutigen) Schulwelt keinen Platz hat.

Alle sollen einheitlich auf das selbe Maß gebracht werden als willenlos
bedingungslose „JA!“ Sager und neue Hamster für das System der
Arbeitswelt.

Weil so rückwirkend besehen hat das Schulsystem bzw. so Schule allgemein
sehr viel gemein mit Haftanstalt-Wärter-Insasse und Bundeswehr Bootcamp
wo alle auf eine Spur gebracht werden sollen.

Du musst da sein egal ob wollen oder nicht, es gibt eine ganz klarer Linie
und wer davon einen Millimeter abweicht oder mal das Wort dagegen
erhebt, bekommt direkt irgendwelche Sanktionen.

Ich hoffe, du findest für euch eine entsprechende Hilfe, damit das bei
euch besser abläuft als bei mir zu Anfang.

Dazu kann ich nichts sagen.

Mein Sohn hat einige Baustellen von klein bis groß. Einiges geht natürlich gar nicht, sehen wir ein.

Es fängt aber bei kleinen Sachen an, wo auf das Kind nicht eingegangen wird, seine Schwierigkeiten nicht ernst genommen werden. Die Folgen daraus werden dann schriftlich als auffälliges Verhalten dokumentiert und mit Konsequenzen versehen.

Es sind aber nicht alle Lehrer so. Ein Lehrer hat das Problem erkannt, versteht auch meinen Sohn, nur hat er kaum Gewicht im ganzen System.

Es ist auch ein schwieriges Thema. Ich habe selber lange gebraucht und mich mit dem Thema beschäftigt. Wenn man nie damit zu tun hatte, versteht man das Kind nicht.
Andererseits frage ich mich, ob mein Sohn wirklich so eine große Ausnahme ist. Es gibt so viele Kinder, da müssten doch die Lehrer auch schon bisschen Erfahrung gesammelt haben.

Die Schulen werden auch immer größer und lauter. Viele unterschiedliche Kinder treffen aufeinander und können sich nicht aus dem Weg gehen. Für die Lehrer ist es auch nicht ohne

Es sind aber nicht alle Lehrer so. Ein Lehrer hat das Problem erkannt, versteht auch meinen Sohn, nur hat er kaum Gewicht im ganzen System.

Dann habt ihr Glück bei euch.

Also wenn wenigstens ein Teil der Lehrerschaft bei euch da doch
etwas Gespür hat, ist das schonmal was wert. Ich hatte ja im
Nachbarthema meinen „ADHS Werdegang“ erzählt und bei mir
war es auch ein Lehrer, der wirklich fit war und uns das mit
ADHS nahe gelegt hat. Er hat dann seine Beziehungen genutzt,
damit ich schnell vorstellig werden konnte, um eine Diagnose
zu bekommen.

Und damals 2006/2007 war ADHS ja noch nicht so ein Massenphänomen
wie heute. Da ging es mit der Früherkennung usw. ja erst richtig los und
sehr viele wussten gar nicht, was ADHS ist und was das bedeutet.

Wäre es damals nach dem Willen des restlichen Kollegiums und Direktor
gegangen, dann wäre ich in so einer „Stühleschmeißer“ Schule gelandet
zwischen allen möglichen sozialen Härtefällen.

Ich hab damals ja auch einiges angestellt vor der Diagnose, weswegen
ich auch berechtigt raus musste, aber irgendwann hatte ich den
Stempel „Störenfried“ bei allen Lehrern drauf und die sahen mich
nur noch als solchen.

Und das Fatalste war damals einfach zu Grundschulzeiten und Anfangs
in der GeSa dieses aktive Wegschauen der Lehrer und das einfach
Null Infos nach außen drangen.

Meine Mutter fiel damals der Telefonhörer aus der Hand, als der
eine Lehrer sie damals über seine private Nummer anrief, weil
er sich Sorgen machte. Und der riesige Eisberg, der danach
kam, machte sie sprachlos.

Ich bin dem Lehrer auch unendlich dankbar für das, was er
alles für mich gemacht hat, was teilweise vermutlich nicht
mal seine Pflicht gewesen wäre bzw. er unentgeltlich einfach
so getan hat.

Der Rest des Unterstufen Kollegiums konnte mir fortan echt
gestohlen bleiben.

ich war letztens nochmal zum offenen Tag in der Schule um zu
sehen, wie die heute aussieht und die jetzigen Lehrer erzählten,
es habe sich inzwischen einiges im Hinblick auf derartige
Probleme getan.

Das wurde aber auch erst durch meinen damaligen Fall so richtig
ins Rollen gebracht.

Tja, dann war mein Knoten im Wirsing ja wenigstens zu irgendwas gut.

Ja das kenne ich alles nur zu gut. Es gab die Perlen unter den Lehrern und Lehrerinnen. Aber eben auch die, die gedemütigt haben und teilweise auch handgreiflich wurden. Mir hat ne Lehrerin mal an den Haaren gezogen. Aber gut im Nachhinein war die glaube ich nur überfordert. Schlimmer waren die vielen Demütigungen, die noch auf mein heutiges Leben Auswirkungen haben.

Leider ist Deine Wahrnehmung korrekt.
Aber es steht und fällt mit den Lehrern. Wie überall gibt es gute und schlechte.

Mein Sohn hatte in der Grundschule dermaßen Pech mit seiner Lehrerin, dass er arg gelitten hat. Leider war die Frau nicht so blöd, dass ihre hinterlistigen Intrigen gegen meinen Sohn objektiv beweisbar gewesen wären. Außerdem hatte sie uneingeschränkte Deckung von der Schulleitung. Die hat nach endlosen Gesprächen (und ursprünglicher Ablehnung) nach 1,5 Jahren dann doch einem Klassenwechsel (und damit auch Lehrerwechsel) zugestimmt, damit wir ihr nicht mehr permanent auf den Senkel gehen.

Auf der weiterführenden Schule hat er jetzt eine echt tolle Lehrerin, die ihm ehrlich helfen möchte und nicht nur ihm und uns jegliche Schuld/Verantwortung in die Schuhe schiebt, sondern gezielt danach fragt, was sie für ihn tun kann, damit es besser läuft.

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Ohje, sowas ist auch Teil unserer Vergangenheit :face_with_symbols_over_mouth: ich hatte es so detailliert lange nicht mehr vor Augen.

Mir hat es damals ein „Hausverbot“ eingebracht, ich durfte den Schulhof nicht mehr betreten.

Es hatte oft etwas, von einem Drahtseilakt, ausgelassen wurde es am Kind…ganz schwierige vier Jahre :face_in_clouds:

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Probleme des Bildungssystems (offene Liste):

  • Lehrer lernen in ihrer Ausbildung NICHTS über ADHS, ASS, PTBS, Folgen von Sex Missbrauch oder Gewalterfahrung. Sie wissen daher nicht, warum 10-15 % ihrer Schüler nicht funktionieren, wie sie gelernt haben, dass Kinder funktionieren.
  • Lehrer sind Einzelkämpfer. Sie müssen im Regelfall alleine 20-35 Kinder unterrichten/erreichen/ in Schach halten und bekommen keine Hilfe, wenn sie zugeben, dass sie das nicht können.
  • Lehrer arbeiten im Regelfall nicht mit anderen Lehrern zusammen konstruktiv zusammen, um Schüler zu erreichen, zu verstehen.
  • Eltern glauben vermehrt ihren Kindern (was gut ist) deswegen sehen sich Lehrer oft Kritik ausgesetzt, mit der sie entweder nicht umgehen können, der sie leider aufgrund ihrer miserablen Stellung im Gesamtsystem nicht abhelfen können und die ihren persönlichen sie in den Burn Out ziehenden Stress noch erhöhen.
  • Das gesamte Schulsystem ist miserabel organisiert und unzureichend mit Geld und Personal ausgestattet und ist und hinten und vorne nicht dazu ausgelegt alle Schüler bedarfsgerecht zu unterrichten.
  • Befeuert wird das Ganze durch das im Bereich der Kinder und Jugendpsychiatrie auf dem Boden liegende und nur noch zuckende Gesundheitssystem, das nicht gewährleistet, dass Kinder mit Hilfebedarf die Hilfe, die sie brauchen um im Sozialraum Schule schadenfrei zu überleben und ordentlich zu lernen, auch bekommt. Darunter leiden bei vielen Kindern nicht nur die betroffenen Kinder sondern die ganze Klasse und die Lehrer
  • räumliche und technische Ausstattung sind auch schlecht.
  • der Trend zur Ganztagsbetreuung befeuert die Problematik zusätzlich, weil Kinder, die sich in 4 Stunden Unterricht nicht sozialkonform verhalten können, das in 11 Stunden nicht besser können.
  • usw

Zitat einer engagierten Lehrerin mit Herz, die für die 5. bis 7. Klassen an einer integrierten Gesamtschule in Hessen, insbesondere für die klassenübergreifende Förderangebote zuständig ist: Wir können allen Kindern mit LRS- Auffälligkeiten Förderkurse anbieten. Das sind immer so 2/3 der Klassen. Bei Dyskalkulie geht das leider nicht. Selbst wenn ein Kind eine Diagnose aus der Grundschulzeit hat, geht das Land Hessen davon aus, dass sich das Problem in den Sommerferien zwischen der 4. Und 5. Klasse in Luft auflöst. Wir haben daher nur sehr begrenzte Kapazitäten für Förderstunden in Mathe und können nur die Kinder mit sehr großen Problemen berücksichtigen.

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Die Erfahrungen, die ihr oder eure Kinder teilweise machen musstet finde ich wirklich erschütternd!

Ich möchte aber auch bessere Erfahrungen benennen. Nicht um irgendwas zu relativieren, sondern um zu sagen, dass es auch anders sein kann. Wir haben immer frühzeitig mit den LehrerInnen gesprochen und über Symptome und Herausforderungen aufgeklärt. Uns ist dabei viel Verständnis und Unterstützung entgegengekommen. Natürlich ist es in Klassen mit teilweise über 30 Kindern nicht möglich, alles auf ein Kind zuzuschneidern, aber innerhalb der Rahmenumstände wurden gute Lösungen gefunden.
Ich hatte auch das Gefühl, dass das Wissen über AD(H)S teilweise veraltet oder sehr oberflächlich war. Aber meistens wurden wir dann gefragt, was genau Schwierigkeiten sind und was helfen könnte und wir konnten zu etwas mehr Aufklärung beitragen.
Wir hatten sicherlich auch Glück, zum einen damit, dass es in unserer Gegend einige gute Schulen zur Auswahl gab und vielleicht auch jeweils mit den Lehrkräften. Ich weiß, dass ist leider oft anders! Dennoch möchte ich sagen, dass zum Glück nicht jedes Kind mit AD(H)S solch schlechte Erfahrungen machen muss - auch wenn es trotzdem leider noch zu häufig anders läuft, als bei uns (bisher :crossed_fingers:).

Wie gesagt, seit ich von der Schule weg bin, wurde da auch einiges umgeändert.

Zum Beispiel wurden alle Lehrer auf das Thema A(D)HS usw. eingestielt
in mehreren Wochen eines sehr aufwändigen Seminars. Nicht so ne
halbgare Sache wie das mit meiner einen Lehrerin damals.

Also das Thema Früherkennung wurde deutlich verbessert und sofern
noch keine Diagnose bekannt ist, kann man sicher sein, dass das nach
2-3 Monaten erkannt wird.

Und dann wurde her gegangen und neben den regulären Klassen (die
seitdem auch verkleinert wurden) entstanden drei Kleingruppen mit
je maximal 12 Kindern, wo dann die Schüler mit eben entsprechenden
Problemen wie A(D)HS, LRS, PTBS usw. in Rücksprache mit Lehrern, Eltern
usw. aus freien Stücken rein wechseln können, um dort bedarfsgerechter
beschult zu werden.

Außerdem hat man sich ein System ausgedacht, in diesen Gruppen abseits
der klassischen Prüfungen und Klausuren den Wissensstand zu ermitteln
und so eine fairere Benotung zu erreichen. So gibt es dann situative
Einzelgespräche, in denen dann der Schüler Aufgaben am Whiteboard
löst und dabei seine Herangehensweise erklärt und es wird dann direkt
nach der Phase dann über die Fehler ausführlich gesprochen. Denn für
so „vorbelastete“ Leute ist so eine mit Rotstift vollgekritzelte Klausur
nicht sonderlich gut, um dann seine Fehler aufzurollen.

Nur leider musste ich da in der Situation der unehrenhafte Vorreiter
sein, weil nachdem das von mir und dem sehr engagierten Lehrer die
Runde machte, bestand intern wohl recht großer Rede und Handlungsbedarf.

Das klingt nach großartigen Verbesserungen. Wieso gibt es die nicht überall? Oder wird der Inhalt der Fortbildung in das Studium integriert?

Wieso erklärt mir eine Förderschullehrerin aus NRW, also für ADHS gibt es keinen Nachteilsausgleich/keinen Förderplan/keine Hilfen. Und als ich fragte, warum denn? Antwortete sie: Dann müsste das Land ja noch mehr Förderschullehrer einstellen, noch mehr Inklusion betreiben, noch mehr Förderschulangebote anbieten. Das kostet doch Geld!

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