Wie umgehen mit emotionalem Kontrollverlust?

Hallo in die Runde,

aus gegebenem Anlass: hat hier Jemand eine Idee, wie mit emotionaler Dysregulation in schwierigen Lebenssituationen umzugehen ist, wenn man keinen Zugang zu Medikamenten hat? Emotionsverarbeitung scheint ja bei ADHS häufig ein Thema zu sein…

Ich hatte gestern ein Erlebnis, dass sich in abgewandelter Form so immer und immer wiederholt und mich jedes mal von jetzt auf gleich in eine persönliche Krise katapultiert. Seit mehreren Jahren habe ich diverse körperliche Beschwerden, die über eine gewisse Zeit hinweg aushaltbar sind, in Summe und über Jahre hinweg aber ziemlich belastend sind. Bis jetzt habe ich mich mit der Hoffnung über Wasser gehalten, dass mir irgendwann geholfen wird, solange ich mich um Hilfe und eine Diagnose bemühe. Nach unzähligen Arztbesuchen und Überweisungen hat mir immer noch niemand helfen können, und solange ich nicht im Sterben liege, ist es den Ärzt:innen offenbar auch zu anstrengend, sich intensiver darum zu bemühen, eine Lösung zu finden. Ich bin ratlos, weil ich nicht weiß, an wen ich mich noch wenden kann.

Hinzu kommt, dass ich seit etwa zwei Jahren massive Schlafprobleme habe und in Folge sehr dünnhäutig und dauergestresst bin. Es genügen mittlerweile ein, zwei kurze Nächte und eine Situation, in der nicht alles 100%ig glatt läuft, und ich kippe in eine Art depressiven Zustand, aus dem ich aktiv nicht mehr herausfinde. Ich „sitze“ das dann, tagelang ununterbrochen heulend aus. Das Wissen, dass es eigentlich nicht so schlimm ist, oder „positives Denken“ hilft mir dann nicht mehr. Die rationale Ebene hat keinen Einfluss mehr auf meine Gefühlswelt.

Gestern hatte ich zwei Termine, und wurde bei Termin 1 aufgehalten, weswegen mein darauf folgender Facharzttermin fast abgesagt werden musste. Da ich auf Letzteren sehr lange gewartet hatte, rief ich in der Praxis an und kürzte Termin 1 ab, was nicht so gut war. In der Praxis angekommen, liess mich die MFA dann wissen, dass ich nun ca. 1–1,5 h warten müsse, obwohl ich vorher extra angerufen hatte, um zu klären, ob ich später kommen könnte. Das war genug, um die Tränendrüse zu aktivieren, und als der Arzt mich dann, ohne sich ernsthaft mit meinen Symptomen zu befassen, schnell „abarbeitete“, und meinte, ich solle in einem halben Jahr wiederkommen, er wisse aber nicht, was das sein könnte, ging bei mir gar nichts mehr. Seit etwa 24 befinde ich mich also wieder in einer persönlichen Krise, und heule unkontrolliert vor mich hin – in der Arztpraxis, im Supermarkt, beim Autofahren, im Bett, wenn ich eigentlich Schlaf bräuchte – habe heute Nacht 3h davon bekommen. Hinzu kommt ein fieses Schamgefühl, wenn ich merke, dass ich übertrieben reagiere, das aber nicht ändern kann und mein Umfeld mir vermittelt, ich solle mich doch einfach mal beruhigen. Eben das gelingt mir einfach nicht. Ich habe das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben und meine Emotionen verloren zu haben.

Auf der Arbeit habe ich mich für heute krank gemeldet, ich kann aber nicht jedes Mal eine Woche lang depressiv verstimmt und arbeitsunfähig sein, wenn nicht alles rund läuft, oder Jemand etwas sagt, das mich frustriert. Antidepressiva zu nehmen kann meine Anstellung auf der Arbeit gefährden – aus mehreren Gründen. Mit Meditation, Achtsamkeit, Spaziergängen u.s.w. komme ich auch nicht weiter. Die Telefonsseelsorge anzurufen war ein totaler Reinfall, und mit Psychotherapien, auf die ich in der Vergangenheit etwa ein dreiviertel Jahr habe warten müssen, bin ich auch nicht weiter gekommen. Für so tolle Tipps wie „sehen sie die Dinge doch mal positiv“ oder „machen Sie doch mal Urlaub“ brauche ich keinen Psychologen…

Wie zur Hölle kann ich mit Lebensumständen umgehen, aus denen ich keinen Ausweg sehe, und was kann helfen, die Kontrolle über meine Gefühlswelt wiederzuerlangen? Hat hier Jemand einen Tipp?!

Liebe Grüße

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Lass dich mal ganz lieb und fest in den Arm nehmen liebe @Fliederieke :slight_smile:

Es tut mir sehr leid, dass du dich so fühlst!

Darf ich dich fragen, warum du keine Adhs Medikamente nimmst? Ich glaube tatsächlich, sie könnten die RS bedingten Symptome ruck zuck mildern.

Ansonsten wäre mein SOS Tipp, dass du dir die emotionale Sprunghaftigkeit von Adhs zu nutze machst und raus gehst, spazieren, Kopf frei bekommen. Vllt mit einem kleinen Ziel, alternativ auch ziellos. Dein Gehirn wird sich durch den mangelnden Reizfilter ablenken lassen, da bin ich sicher! Und diese Ablenkung wird dir gut tun :slight_smile:

Ansonsten: magst du vllt beschreiben, was du für körperliche Symptome hast? Hier gibt es viele Menschen mit vielen Erkrankungen, wir alle können dir sicher helfen.

Kopf hoch, du schaffst das, wir sind bei dir :people_hugging:

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Hey!

Ich habe mal deinen anderen Thread überflogen, wo du deine Problematik mit der Diagnostik geschildert hast.

Hat sich da etwas ergeben? Hast du in der Liste was finden können? Gibt es eine Selbsthilfegruppe bei dir?

Hier im Forum gibt es wohl gute Berichte über eine Praxis die ADHS Diagnostik quasi im „Schnelldurchlauf“ macht und der erste Termin per Videocall gemacht wird.
Vielleicht ist das ne Alternative für dich? Dr. Klinga. Findest du auch hier im Forum.

Das klingt einfach mies, was du durchmachen musst.
Emotionale Dysregulation ist richtig gemein und kann vieles zermürben und zerstören.
Ich wusste lange Zeit auch nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich hab bis heute nicht so einen soliden Plan, außer dass die Medikamente echt gut helfen, dass ich nicht mehr so schnell in diese Extreme komme.
Ich versuche aktuell aktiv sehr viel Selbstreflektion zu betreiben und zu lernen, warum ich oft so reagiere, wie ich es tue. Das hilft mir ganz gut.
Psychoedukation, Austausch, wissenschaftliche Fakten, Achtsamkeit, Copingstrategien, Tagebücher zum tracken der Symptome.
Das hat mir bisher recht gut geholfen.

Ich hoffe du kannst damit was anfangen. :people_hugging::hugs:

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Hi Ihr beiden,

vielen Dank für Eure Antworten und die tollen Tipps!! Ich habe eine Heulpause heute Mittag nutzen können, um aufzustehen, Geschirr zu spülen und raus zu gehen. Auch das Teilen hier und Eure Antworten haben geholfen. Mein Umfeld möchte ich nicht mit meinen Ausbrüchen „belästigen“. Viele fühlen sich (verständlicherweise) damit unwohl und sind nach einigen Malen auch genervt, außerdem will ich niemandem das Gefühl geben, als „Mülleimer“ für meine Emotionen missbraucht zu werden. Eine Selbsthilfegruppe mit Menschen, die den Zustand selbst kennen, und mit denen ich auch die schönen Seiten des ADHS feiern kann, wäre vielleicht wirklich eine gute Alternative. Ich werde mal nachsehen, ob es eine in der Nähe gibt.

ADHS–Medikamente nehme ich nicht, weil ich noch keine Diagnose habe. Ich habe im Juli einen Termin beim Psychiater, allerdings habe ich jetzt gelesen, dass der Arzt nicht an ADHS glaubt :neutral_face:. Mal sehen, was daraus wird. Bis dahin versuche ich, die Zähne zusammenzubeißen. Der längste Teil der Wartezeit ist immerhin schon rum. Falls das doch ein Reinfall wird, mache ich vielleicht wirklich den Express–Test. Danke für den Tipp!

Das mit den körperlichen Symptomen ist tatsächlich etwas schwierig und uneindeutig. Ich habe oft das Problem, Räuspern und Schlucken zu müssen, was wohl zum Teil mit einem Reflux zusammenhängt, aber den zu unterdrücken, hilft nur bedingt. Der Raum zwischen Nase und Mundhöhle ist bei mir dauernd entzündet. Allergie–Medikamente helfen ein bisschen aber nicht so 100%ig, eine Nasennebenhöhlen–Entzündung scheint es aber auch nicht zu sein. Ich vermute einen Zusammenhang mit meinen Mandeln, aber die HNOs wollen sie nicht rausnehmen. Und zu guter Letzt habe ich Schubweise nachts Schweißausbrüche, gepaart mit Gelenkschmerzen an Händen und Füßen, und verfärbten, heißen und juckenden Fußzehen. Zwei Rheumatologen und mein Hausarzt meinten, es könnte irgendeine Art von Kollagenose, Vaskulitis o. Ä. sein. Familiär bedingt dürfte ich eine Veranlagung zu rheumatologischen Autoimmunerkrankungen haben und meine Blutwerte waren ebenfalls auffällig. Trotzdem sind die Schübe nicht so heftig, wie man es sonst von solchen Krankheitsbildern her kennt, meine Organe sind noch in Ordnung und zusammen genommen passen die Symptome nirgends so 100%ig ins Gesamtbild. Hätte mir vor fünf Jahren wer gesagt, dass sich mein Körper evtl. selbst angreift, wäre ich hohlgedreht, heute ist mir das fast schon egal – ich will einfach nur wissen, was da vor sich geht :woman_shrugging: .

Liebe Grüße

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Hi @Fliederieke,
schau mal in den Thread. Ich habe da ein wenig zusammengetragen. Vielleicht wäre das eine Spur …

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Guten morgen meine Liebe,

Ist noch früh, aber ich möchte die kurze Zeit zw. Kaffee und Dusche nutzen, um dir noch schnell einen Gedanken mitzugeben:

ich weiß nicht wie alt du bist, aber du solltest die hormonellen Einflüsse nicht unterschätzen! Ggf hilft es dir, einen Hormonstatus beim Gyn zu erheben?
Deine Nächtlichen Symptome gepaart mit den vielen emotionalen Up’s & Down’s kömnten ein Fingerzeig in diese Richtung sein.

Nicht umsonst sagt man, dass viele Frauen um die 40 bzw über 40 j. erst mit Adhs diagnostiziert werden, da das jahrejalang mühsam aufgebaute Konstrukt des Lebens unter dem Einfluss der sich ändernden Hormonsitustion zusammenbricht.

Schau mal, ggf hilft dir diese Info hier, speziell Punkt 2.3

Ich wünsche dir alles Liebe und umarme dich ganz fest :slightly_smiling_face:

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Hallo !

Das ist interessant – vielen Dank! Bei der Checkliste habe ich relativ wenig Punkte gesammelt, aber da MCAS ja sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein scheint, wäre das trotzdem ein Punkt, den ich mal mit meinem Arzt besprechen sollte. Autoantikörper (antinukleäre AK und anti–Neutrophile cytoplasmatische AK) sind da nicht erhöht oder? Die waren bei mir auffällig.

Vom Gefühl her würde ich sagen, dass meine Symptome im HNO–Bereich, die Schlafstörungen/Psyche und die nächtlichen Schübe drei getrennte Baustellen sind, da sie zeitlich unabhängig voneinander auftreten. Das macht die Zuordnung ein bisschen schwieriger, Hormone könnten aber vielleicht ein gemeinsamer Wegbereiter sein. Schlafmangel ist definitiv der Trigger für die „depressiven Phasen“ , aber ganz so heftig habe ich früher nicht darauf reagiert. Das fühlt sich in etwa so an, wie ganz übles, nicht endendes PMS. Die MFA der Praxis, in der in neulich zusammengebrochen bin, meinte auch zu mir „wir Frauen hätten es ja manchmal wirklich nicht leicht“ :face_with_peeking_eye:. Die Endokrinologin, die mich untersucht hat, meinte, meine Werte wären normal, allerdings weiß ich nicht, was sie genau gemessen hat, und „normal“ kann ja auch bedeuten, dass die Werte altersgerecht sind, ich aber als Mimose überempfindlich auf die Veränderungen reagiere. Ich bin tatsächlich in der von Dir genannten Altersgruppe und merke bzgl. des Zyklus für mich sehr positive Veränderungen, die mit Sicherheit hormonell bedingt sind. Insofern passiert da schon etwas, die Frage ist aber, was ich tun kann, und ob das auch mit den Beschwerden zusammenhängt. Die Pille oder andere orale Hormone zu nehmen, kommt leider aufgrund einer anderen Sache nicht in Frage, aber vll. gibt es ja andere Möglichkeiten. Ich bräuchte dringend mal einen Arzt, der Willens ist, das Thema mehr als zwei Minuten lang mit mir zu besprechen :roll_eyes:. So Jemanden muss man aber erst einmal finden.

Zeit, ins Bett zu gehen. Ich habe heute wieder „funktioniert“ gearbeitet, was gut war, bin jetzt aber hundemüde :yawning_face: . Ich wünsche Euch eine gute Nacht!

Das ist mir nicht bekannt. Hier mal die Labortests zur Diagnose:

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Dankeschön :heart:!