Ich hab mir mal den Thread durchgelesen über den Leistungsdruck und was das theoretisch mit ADHS-Kindern machen kann.
Bei mir war es genau umgekehrt. Ich komme aus en tiefsten Tiefen der wiener Unterschicht. Mal abgesehen davon das es Vernachlässigung, familiäre Gewalt, Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen sowie Hunger und Kälte (im Winter oft keine Heizung oder Warmwasser) gab, gabs vor allem keinerlei Leistungsdruck. Was ich in der Schule machte und was für Noten ich hatte war völlig egal. dennoch hat die Volksschule noch recht gut funktioniert trotz meinen undiagnostizierten ADHS. Wie ich heute weiß war meine Aufmerksamkeit und Konzentration schon damals beinahe bei Null. Ich hab so unendlich viel im Unterricht verpasst das ich mir vieles selbst zusammen reimen musste. Zum Beispiel hab ich mir damals Dividieren selbst beigebracht (und hab meine recht umständliche Variante bis heute beibehalten). Trotzdem, durch die Volksschule bin ich noch gut durchgekommen, durch hohe Intelligenz konnte ich viel einfach auf Anhieb verstehen so das ich nicht lernen musste. Wohl einer der gründe warum keiner auf sowas wie ADHS getippt hätte aber wohl auch weil es die 80er waren und von ADHS(I) hatte damals ja überhaupt niemand eine Ahnung denke ich. Hausaufgaben hab ich auch selten bis gar nicht gemacht. Trotz alledem hab ich in der 4. Volksschule ein Zeugnis gehabt das aus Einsen und zweien bestanden hatte, beste Voraussetzungen für das Gymnasium also. Meine damalige Lehrerin hat meiner Mutter aber geraten mich in die Hauptschule zu stecken, damals wars ohnehin normal das Kinder aus meiner sozialen Schicht unabhängig von der Leistung in die Hauptschule kamen. Aus heutiger Sicht denke ich mir aber das meine Lehrerin schon irgendwo gemerkt hat das ich den Leistungsdruck im Gymnasium nicht standhalten würde, schon alleine die Sache mit dem Hausaufgaben wäre wohl fatal gewesen.
In der Hauptschule war ich zuerst ein Wunderkind da ich Wissen hatte das weit jenseits der ersten Hauptschule lag, insbesondere was Physik betraf das in der ersten Hauptschulklasse noch gar nicht unterrichtet wurde. Sprachlich wars aber ein Desaster, für Grammatik konnte ich kaum Verständnis aufbringen und Englisch war ein Horror für mich und Englisch bestand ja nur aus lernen und nciht aus verstehen aber lernen konnte ich absolut nicht. daher gabs dann in deutsch und englisch nach der ersten Klasse auch eine 4.
Ab der zweiten Klasse gings dann nur noch bergab, meine Leistung fiel gegen Null. Ich wurde schnell zur Zielscheibe der Lehrer die mich als faul abstempelten, weil ich kann ja wenn ich will und ich bin ja so unglaublich schlau. Ich vermute mal das in diesen extrem Leistungsabsturz nicht nur ADHS reinspielte sondern schon nach und nach die Traumatisierungen durch mein zuhause mitreinspielte. Und es gab ja auch Null Unterstützung von Zuhause, meiner Mutter wars weiterhin völlig egal was ich in der Schule so trieb. Irgendwie schaffte ich es von Klasse zu Klasse, auch durch die Gnade der Lehrer die eh keine Leistung mehr von mir erwarteten, ich war auch gar nicht imstande welche zu bringen. Wenn ich daran denke wie oft einfach nur noch Nebel und Widerwillen in meinem Kopf war dem ich nur entkommen kannte wenn ich mich in Comics, Cartoons und Videospiele flüchtete, und später dann auch Pen and Paper.
Nach der Hauptschule hab ich dann diverse Lehren probiert. Es war die reinste Qual für mich, der purer Horror. Ich blieb nirgends lange, oft nicht mal einen Monat. entweder bin ich selbst sehr schnell gegangen oder wenns ein wenig besser für mich war wurde ich früher oder später gekündigt wegen meiner extrem langsamen Art zu arbeiten. Ich hab ohne Übertreibung schon dutzende (30 bis 40?) Jobs hinter mir.
Leistung zu bringen war mir einfach fast nie möglich. Selbstzweifel und Selbsthass kam da natürlich irgendwann auf mit ziemlich heftigen selbstvernichtenden Gedanken. Irgendwann kam ich dann auf Idee das es wohl Depressionen sein müssten, aufgrund meiner Kindheit ja auch nicht ungewöhnlich (von PTBS wusste ich da noch nix). Dort wurde mir dann tatsächlich Depression und PTBS diagnostiziert und ich bekam Antidepressiva. Blöd nur, das diese nichts halfen, außer Nebenwirkungen nix gewesen und ich hab viele verschiedene ausprobiert. Natürlich kommt man dann auf die Gedanken das es stimmt was alle anderen sagen, wenn man nicht depressiv ist dann ist man halt einfach ein sehr, sehr fauler Mensch.
Diese nicht leisten können habe ich bis heute, ich verbringe oft tage und Wochen mit Nichtstun weil ich weder weiß was ich tun könnte noch kann ich mich wirklich entscheiden. Natürlich kenn ich den Hyperfokus aber den kann man auch nciht erzwingen. manchmal kommt er, ich hab eine Idee und dann arbeite ich wie irre dran, manchmal Tage und Wochen und es fühlt sich so unglaublich gut an in diesen Hyperfokus zu sein, einfach am tun sein. Aber wie das so oft ist bei ADHS, der Hyperfokus kann schneller weg sein als er gekommen ist und schon beendet man sein Projekt nicht, einfach die Interesse völlig weg und so sehr mans ich auf Mühe geben will das Projekt zu beenden so sehr wird es zu reinsten Qual dran weiter zu machen. Mega frustrierend.
Aus heutiger Sicht find ich es schon sehr merkwürdig das ich erst im Alter von 43 bei einer Autismusdiagnose darauf angesprochen wurde ob ich ADHS habe und wenn nicht dann sollte ich das dringend diagnostizieren lassen weil es ist offensichtlich das ich ADHS habe. Zuerst hat mich das nicht interessiert weil ich mir dachte das es vernachlässigbar ist. Aber nach und nach hab ich über ADHS gelesen und nach der ersten ausführlichen Beschreibung hab ich sicherlich eine viertel Stunde geheult weil ich mich noch nie so gesehen gefühlt habe wie nach diesem Text.
Aber eigentlich wollte ich über „Faulheit“ reden, weil das bei mir ja scheinbar richtig extrem ist, das ich auch mal Monatelang einfach nur vor mich hinlebe ohne irgendwas sinnvolles zu machen. Also wie viel „faul“ ist mit ADHS möglich?
Ich denke das diese „lazyness“ bei mir so extrem ausgeprägt ist weil zu ADHS eben auch ein Elternhaus kommt das mich so überhaupt gar nicht angespornt, gefordert und gefördert hat.
Es ist auch nicht so das mir diese „lazyness“ gefällt. Ich warte ja schon immer auf den nächsten Hyperfokus aber man kann den halt nicht erzwingen.
Ich bin halt schon sehr gespannt wie das werden wird wenn ich dauerhaft auf Medikamente bin.