Wie würdet ihr meine „Symptome“ einschätzen? AD(H)S oder nicht?

Guten Abend liebe Forum-Mitglieder,

ich habe kürzlich auf eigene Bitte eine Überweisung vom Hausarzt an den Neurologen zur Abklärung von AD(H)S bekommen.

Ich quäle mich schon seit längerem mit alltäglichen Sachen und meiner Verantwortungslosigkeit. Wie würdet ihr mich entsprechend meiner Selbstbeschreibung einschätzen? Ich weiß, dass nichts die Diagnose durch einen Experten ersetzen kann.

Zu mir:
Ich bin 26 Jahre alt, studiere derzeit Jura (befinde mich vor‘m 1. Examen) und bin männlich.

Zu den „Symptomen“:

  • Ich leide an extremer Prokrastination. Es gab bisher keine Klausur für die ich mehr als 2 Tage gelernt habe (Vorlesungen ausgenommen). Oftmals begann ich sogar am Klausurtag in der Nacht zu lernen. Das erkläre ich mir so, dass ich ohne ein Gefühl von Zwang und der mir drohenden Konsequenzen, falls ich gar nichts mache, nicht lernen kann. Und wenn ich mal mir vornehme einen Monat vor dem Klausurtermin zu lernen, prägt sich nichts ein, der Fokus ist miserabel. Ein Tag vor der Klausur denke ich mir dann, hätte ich mal 2-3 Tage mehr Zeit gehabt, denn es war ja doch nicht so kompliziert, wie ich noch vor einem Monat meinte (ärgert mich immer wieder aber kurz vor der Klausur kann ich einfach besser lernen, weil ich gezwungenermaßen Schwerpunkte setzen kann, was mir einen Monat zuvor nicht gelingt)
  • Auch zur Schulzeit war es oft so, dass ich die Hausaufgaben innerhalb von 2 Stunden erledigen konnte, aber es vorzog es über den ganzen Tag verteilt zu machen und immer wieder im Bett zu liegen, Spiele zu spielen etc… Mein 10 Jahre alter Bruder hat das auch und ich kann das an ihm echt gut beobachten, was ich durchgemacht habe.
  • Ich habe 2023 eine hypochondrische Angststörung entwickelt, die sich mehr und mehr zu einer sozialen Angst bzw generalisierten Angst ausgeweitet hat. Das Thema ADHS macht mir aber keine Angst und ist nicht im Zusammenhang von Angststörung zu betrachten. Spreche das nur an wegen einer eventuellen Disposition von AD(H)S Patienten.
  • Zur Schulzeit war es oft so, dass ich mich gür geisteswissenschaftliche Fächer begeistern konnte, aber null für naturwissenschaftliche Fächer. Das hatte zur Folge, dass ich einsen in Deutsch Geschichte Philo Englisch Sowi hatte aber dreien und vieren in Biologie, Physik und Chemie. Oft hing mein Erfolg auch davon ab, wie der Lehrer zu mir war und ob er in meine Person Vertrauen hatte. Das gab mir immer einen emotionalen Boost. Ein unerwartetes Erfolgserlebnis (Bsp.: Ein Fach, wo ich dreien oder vieren hatte, wurde zum einser Fach) hatte zur Folge, dass ich in einem schlechten Fach plötzlich richtig gut wurde. Das fehlt mir an der Uni komplett, da man anonym ist unter der ganzen Masse und man kein zwischenmenschliches Verhältnis mit dem Prof hat.
  • Ungeduld ist stark ausgeprägt. Beim Dating zeigt es sich am deutlichsten. Wenn der Impuls da ist, dass ich eine Person kennenlernen will, dann am besten an dem Tag, wo der Wille am Stärksten ist. Wenn es nicht nach meinem Willen geht, verzichte ich auf das Date (Match auflösen, Kontakt abbrechen). Plane gar nichts, weil Spontanität mir viel mehr Spaß macht. Wenn ich Sachen plane, verfliegt die Freude bereits beim Warten auf den Tag. Nach Möglichkeiten wälze ich Planen auf Freunde ab.
  • Bin sehr launisch, antworte Freunden, wann ich es will. Schreibe teilweise wochenlang nicht zurück und vergesse es. Aber will Antworten am Liebsten sofort.
  • Wenn ich mit Freunden mich über spannende Themen unterhalte, dann will ich am Liebsten die ganze Zeit reden ohne unterbrochen zu werden. Bin dann auch sehr laut und schnell beim Reden und der Puls steigt entsprechend. Manchmal ist sogar mein Hals angeschlagen deshalb. Unterbreche meinen Gegenüber ungewollt (wird als respektlos empfunden)
  • Suchtanfälligkeit: Rauche sehr viel und sehr schnell (während Kollegen bei der Hälfte der Kippe sind, bin ich schon fertig)
  • Kleinste bürokratische Sachen, die es zu erledigen gilt, überfordern mich, bin dann frustriert.
  • Klamotten kaufen, in ein neues Restaurant gehen, wo ich nicht mit der Speisekarte vertraut bin, überfordern mich. Deswegen ziehe ich es vor immer in die gewohnten Lokale zu gehen oder ich probiere neue Sachen nur mit vertrauten Bekannten aus, wo ich dann die selbe Bestellung bestelle. Zu viele Wahlmöglichkeiten haben oft die Konsequenz, dass ich mich für keines entscheide.
  • Nachtaktiv, immer wiederkehrende Schlafprobleme. Ich arbeite seit der Angststörung nicht, da ich sogar Angst vor Bewerbungsgesprächen habe. Das hat zur Folge, dass ich nachts nicht müde bin und tagsüber schlafe.
  • Erledige alles auf den letzten Drücker, sogar, wenn ich den Semesterbeitrag zahlen muss, obwohl das Datum mir bekannt ist und ich online-banking habe.
  • In Stresssituationen habe ich Bewegungsdrang. In der Vorlesung bewege ich ständig mein Bein, was meine Freunde oft stört. Die Bitte es zu unterlassen, ist vergeblich. Für 10 Sekunden höre ich auf und mache das unabsichtlich wieder.
  • bin oft verträumt, greife zu falschen Sachen (Beispiel: Ich will die Kontaktlinsen einsetzen und finde ich mich darin wieder, dass ich mir die Zähne putze, während ich am Grübeln bin und Szenarien in meinem Kopf durchgehe)
  • Ich höre meinen Freunden oft nicht zu und tue eher so. Ich überspiele das oft damit, dass ich einfach ein anderes Thema anspreche, damit die Person nicht merkt, dass ich ihr nicht zugehört habe. Vor allem, wenn die Person lange redet, bin ich längst schon am Grübeln.
  • Abschweifen von Wesentlichen. Beispiel: Ich schreibe meine Hausarbeit und betreibe entsprechend Recherche. Thema A ist Schwerpunkt und Thema AB ist Nebenthema. Ich finde mich am Ende bei einer Recherche zu Thema C wieder, weil mich das mehr interessiert, obwohl das für die Hausarbeit keine Relevanz hat. Am Ende habe ich oft 30 Tabs offen und keine habe ich richtig durchgelesen. Der Kopf ist dann entsprechend wirr.
  • Orientierungssinn ist miserabel. Fahre selbst in der Stadt in der ich wohne oft mit dem Navi. Das gibt mir die Möglichkeit abzuschalten bzw zu grübeln.

Ich könnte noch weitermachen, aber ich glaube jeder einzige Buchstabe wäre eine wahrhafte Zumutung nach diesem langen Text :sweat_smile:.

Es ist mein erster Austausch im Zusammenhang mit ADHS deshalb bitte ich um Verständnis.

Liebe Grüße
Timur

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Huhu. Willkommen bei uns :adxs_wink:

Einiges davon klingt vertraut.

Du könntest drüben im Kompendium den großen Symptom Test machen.

Mit der strukturierten Übersicht der Ergebnisse kannst du dich danach vielleicht noch besser einschätzen und im Anschluss gezielter belesen.

Die Ergebnisse kannst du dir auch als PDF exportieren/ausdrucken.

Hier im Forum, aber auch auf adxs.org gibts eine Menge Lesestoff

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Hey,

Vielen Dank für deine Frage:)

Grundsätzlich kann ich einige der genannten Punkte selber bei mir benennen. Das muss aber nichts heißen, natürlich muss sowas immer psychologisch/psychiatrisch untersucht werden.

Die Untersuchung und Tests solltest du aufjedenfall machen, wenn du den Verdacht hast und die Möglichkeit dazu hast. Mir wurde damals gesagt die eigentliche Diagnose wird oft erst bestätigt, wenn die Medikamentöse Therapie anschlägt, ob das aber so die Regel ist da fehlt mir das Fachwissen.

Viele Tests findest du auch Online, bei manchen ist es aber glaube ich auch leicht ohne ADHS die „Diagnose“ Fragen zu treffen. Ich würde natürlich die ärztliche/therapeutische Untersuchung eher als valide bezeichnen. Bei mir war die Diagnose wie so eine Strichliste, ich konnte gefühlt alles ankreuzen nach dem Motto „ja das kenn ich“ „woher wissen die soviel über mich“. Seitdem ich die Medikamente bekomme merke ich auch erstmal eine Besserung der Symptome. Natürlich sind das aber keine Wundermittel, aber den Alltag erleichtert es mir und mit der Diagnose kann ich mir viele Verhaltensweisen besser erklären die ich vorher nie ergründen konnte.

Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen, Viele Grüße!:slight_smile: