Hi,
Ich bin neu hier, habe einige Fragen und will mir vlt. auch mal einiges von der Seele schreiben. Und da ich Erwachsen bin, dachte ich mir ich schreibe einfach mal hier. Die wichtigsten Frage aber mal vorweg:
- Meine Diagnose ist fast 20 Jahre her und ich bin seit ca. 15 Jahren nicht mehr in Therapie. Brauche ich eine neue Diagnose? Wie komme ich am schnellsten an Hilfe? Arzt um eine Überweisung zum Neurologen bitten?
- Hat jemand Leseempfehlung geben wie man anfängt sich Struktur zu schaffen?
- Gibt es etwas zu Thema Beziehungen zwischen Menschen mit ADHS und Menschen mit Borderline?
Triggerwahrung: weiter unten geht es um eine toxische Beziehung, Suiziddrohungen
Mein Hintergrund: 33 Jahre, männlich, habe in der 5. Klasse meine Diagnose erhalten, wurde allerdings nur bis zum Beginn meiner Berufsausbildung (16 Jahre) therapiert. Weil solange du klar kommst brauchst du ja kein Medikinet mehr… Ich habe Ritalin/Medikinet nicht gerne genommen als Kind, ich habe mich irgendwie abstrakt kontrolliert gefühlt und ich wollte konkret endlich kiffen können, ohne dass mich jemand nervt. Ich habe mich in letzter Zeit wieder mehr mit dem Thema beschäftigt und mir wird mehr und mehr klar, dass ich mir vieles wohl schwerer gemacht hab als notwendig, bzw. eingesehen das manches von selbst einfach nicht besser wird. Ich kann mir heute zum Beispiel vorstellen, dass ich da ich nur für die Schulzeit Ritalin bekommen habe, die mir sehr verhasste Zeit in der Schule mit dem Medikament assoziiert habe. Und ich hab mich in der Rolle als der verpeilte Freak auch einfach wohl gefühlt.
Nach außen hin funktioniere ich heute ganz toll. Nach meiner Berufsausbildung habe ich mir gesagt: „Die Anzahl der Arschlöcher über mir muss drastisch reduziert werden“ und hab mein Abi nachgeholt (ich hoffe das ist noch im Rahme der Netiquette). Für mich war es extrem hilfreich einfach in der Uni Bibliothek zu lernen (wenig Ablenkung, soziale Kontrolle). Und auch durch mein Studium habe ich mich irgendwie durchgewurstelt, hat halt 14 Semester gedauert und war ein fucking Chaos. Ehrlich gesagt, hat das alles nur funktioniert, weil ich recht privilegiert war/bin, viel Glück hatte und die Damen der Univerwaltung und einige Dozenten immer wieder ein Auge zugedrückt haben. Während meines Bachelors habe ich noch einmal einen Versuch mit Medikinet gewagt. Allerdings noch in der Einstellungsphase abgebrochen, weil meine damalige Partnerin meinte ich sei nicht mehr derselbe… Der Text wird jetzt schon lang also verschone ich euch mit weiteren Details zum Chaos meiner Studienzeit.
Darauf folge eine kurze Phase der Arbeitslosigkeit und mein erster Cannabisentzug, damals noch in Eigenregie, auf der Almhütte von Verwandten. Dann habe ich den Jackpot gelandet. Ich habe einen tollen Job als Data Scientist, beim besten Arbeitgeber der Welt. Ich war von Anfang an transparent, dass ich ADS habe und kann meine Arbeitsbedingungen so einrichten, dass sie für mich passen (z.B. kleines Büro, keine Kollegen in meinem Sichtfeld, in meiner „Fokuszeit“ beantworte ich keine Nachrichten). Und es läuft auch ganz gut. Das hat allerdings auch stark damit zu tun, dass niemand meine Arbeit überwachen kann. Keiner hat eine Vorstellung wie lang Sachen dauern sollen und ich habe bisher überwiegend an langfristigen Sachen gearbeitet. Allerdings läuft es so gut, dass sich langsam ein Team unter mir entwickelt, ich mehrere Projekte gleichzeitig habe und auch zunehmend Orga übernehmen muss. An sich mache ich das auch gerne, aber es fällt mir einfach schwer. Ich das Chaos in Person soll, die Strukturen einer Abteilung schaffen… Eigentlich habe ich mir schon vor über einem Jahr vorgenommen, mein ADS in Angriff zu nehmen. Aber aus den Gründen im nächsten Absatz hatte ich einfach nie die Zeit und Kraft mich darum zu kümmern.
Kurz vor meinem Job habe ich auch meine (seit kurzem Ex-) Freundin kennen gelernt. Zuerst eine Fernbeziehung, bis wir während Corona zusammengezogen sind. Wir waren beide in einer fremden Stadt ohne soziales Umfeld. Mir hat das Zusammenleben (vermeintlich) sehr viel gebracht, die Frau und ihr Hund haben meinem Leben Struktur gegeben. Ich war der erste im Office, habe durch den Hund Sport angefangen, regelmäßig und abwechslungsreich gekocht. Aber ehrlich gesagt ging es von Anfang an bergab. Sie konnte ihr Studium nicht wieder aufnehmen und kehrte dann kurzfristig in ihren Beruf zurück (Altenpflege). Dann fand dann eine Stelle in ihrem Traumbereich (Hospiz), bei der sie jedoch in der Probezeit gekündigt wurde, nachdem der Arbeitgeber erfuhr, dass sie in der Vergangenheit wegen einer schweren Depression ein halbes Jahr krankgeschrieben war. Zurück in die Altenpflege, aber ihr Zustand verschlechterte sich immer weiter, bis sie schließlich Anfang des Jahres Arbeitsunfähig meldete. In dieser Zeit ist dann auch mein Konsum wieder völlig aus dem Ruder gelaufen. Ich habe 24/7 geraucht und habe am Ende wahrscheinlich mehr als 1000 Euro pro Monat ausgegeben. Relativ bald bekam sie ihre Diagnose: F60 Borderline. Um Ostern herum stellten sich bei mir dann Anzeichen eines Burnouts ein. Nach zwei Wochen bei Familie und Freunden zuhause, hatte ich mich wieder halbwegs stabilisiert. (Danke LEGO) Sie begann ihre Therapie, aber es wurde nur noch schlimmer. Gefühlt hat die Therapie sie nur darin bestärkt ich bin kaputt und kann nichts dafür das ich so bin. Keinerlei Rücksicht mehr auf mich und in einem Ausraster dann auch Sachen von mir kaputt gemacht. Ihr Ausgang am Wochenende war die Hölle. Also habe ich die Notbremse gezogen und die Beziehung beendet. Ich habe mich wie der schlechteste Mensch der Welt gefühlt. Naja, dann ist sie völlig eskaliert. Nach zwei Wochen Therapiepause und Aufenthalt in der Heimat ist sie nochmal zurückgegangen aber ist nach einer Woche aus der Therapie rausgeflogen, wegen Sachbeschädigung, Konsum, Unerlaubtes Verlassen des Geländes und ungeschützten Geschlechtsverkehrs. Das Ende vom Lied ist, sie ist vor 3 Wochen mit einem manischen Typen, dessen Hauptfreundin und einem Bus voller Drogen in den Urlaub gefahren und ich habe einen ambulanten Entzug angefangen. Ach ja, irgendwo in dieser Zeit habe ich auch noch angefangen zu saufen, weil Kiffen allein mich nicht mehr beruhigt hat.
Ich bin jetzt abstinent, aber ich bekomme mein Leben trotzdem nicht auf die Reihe. Ich habe die letzten 2 Jahre nur für diese Frau gelebt, sie hat die gesamte Struktur für mein Leben geschaffen und war die Motivation für alles. Es sind gefühlt 100.000 Sachen, die ich tun müsste und ich bin einfach paralysiert. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Zu verhindern, dass die Blumen eingehen und ich hier Dreck versinke, kostet mich schon alle Kraft, die ich habe. Mir ist schon klar, dass meine Probleme tiefer liegen als ADS, aber ich denke, dass es einen großen Anteil hat.
Ich frage mich ob andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Ich habe in vor kurzem im ADHS subreddit eine Diskussion über Beziehungen zwischen Menschen mit ADS und Menschen mit Narzisstischer Persönlichkeitsstörung gelesen, in der mir sehr viele bekannt vorkam.