Wo bekomme ich hilfe?

Moin moin, hier aus dem Norden,

ich bin Mitte 30 und habe den dringenden Verdacht ADS/ADHS zu haben. Beginnend in meiner Kindheit in der ich immer wieder angeckt bin, mich mit Lehrkräften gestritten, mich heufig mir Gleichaltrigen geprügelt, im Ubterricht mehr gespielt als aufgepasst. Drei Schulwechsel, zwei Klassen wiederholt.

Meine Mutter hat versucht mich mit Pflanzenextrakten, Globulis und co. zu behandeln, weil sie mich nicht „ruhig stellen“ lassen wollte. Habe trotzdem ein gar nicht so schlechtes Abitur auf dem zweiten Bildungsweg gewchafft. Mein erstes Studium in den Sand gesetzt. Mein WG-Zimmer zu der Zeit das pure Chaos. Ordnung halten konnte ich nie. Ständig irgendwas gebastelt, tolle Ideen gehabt, neues angefangen, kaum etwas zuende gebracht. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Statt für Prüfungen zu lernen konnte ich Stundenlang Solitär spielen. Dann kam eine neue Frau in mein Leben, ich habe die Hochschule gewechselt und bin Vater geworden. Die Kinder haben mir den Anpsporn gegeben mich durch die Prüfung zu quälen und habe mein Diplom geschafft.

Die letzten Jahre war ich bei einer kleinen Firma angestellt und konnte dort ganz gut meinen Altag meistern. Ich versuche mich mit vielen Zetteln und Notizen zu organisieren, damit ich nicht ständig etwas vergesse.

In den letzten Jahren habe ich mich teils vor meiner Familie zurückgezogen. Ich halte oft das Chaos am Tisch nicht aus, wenn alle durcheinander reden wird es mir schnell zu viel. Es fällt mir dann schwer ich zu bleiben, bei Streitigkeiten"ticke" ich manchmal aus und stehe dann neben mir, während das physische ich sich unnötig aufregt. Meist brauche ich dann etwas ruhe un wieder zu mir zu kommen. Das war in den letzten 2 Jahren dann mit Lockdown und Homeschooling kaum möglich.

Um meiner Familie gegenüber positiver zu sein habe ich teils schon zum Mittag Rotwein getrunken oder Schmerztabletten genommen. Das funktionierte eine Zeit ganz gut, ich wusste aber dass das weder gut ist noch dauerhaft eine Lösung. Meine Hausärztin meinte ich hätte vielleicht eine depressive Fase und gab mir eine Überweisung. Ich bekam aber nirgends einen Termin. Ich habe es dann mit Meditation und co versucht, habe Elternzeit genommen und es wurde besser.

Letzten Monat habe ich eine neue Arbeitsstelle angetreten, ich muss jetzt noch viel mehr organisieren und planen auf Arbeit. Nach den 8 Stunden komme ich mit Kopfschmerzen und großen Anspannungen nach Hause. Mich auf Arbeit zu fokussieren fällt mir in dem Großraumbüro unglaublich schwer. In Meetings rutsche ich ständig auf dem Stuhl umher und habe das Gefühl alle schauen much an. Ich schaffe es aber einfach nicht still zu sitzen oder mich dauerhaft auf den Vortrag zu konzentrieren…

Jetzt ist das eine ganz schöne Wall of Text geworden, entschuldigt bitte, es gibt noch so viel, was ich mir eigentlich mal von der Seele schreiben will. Am Ende will ich aber eigentlich nur wissen wohin ich jetzt noch gehen kann. Hier im Raum Lübeck konnte ich Online keine Praxis finden, die ADHS-Diagnosen durchführt. Eine Überweisung von der Hausärztin würde ich sicherlich bekommen, aber wohin?

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir da weiterhelfen könnt. :slight_smile:

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Willkommen, @Onkel

Zu den Herausforderungen beim Antreten einer neuen Stelle finde ich diesen Vortrag (Link) von Lachenmeier (ein selbst betroffener Arzt) konkurrenzlos gut.

Es kann ja schon eine Hilfe sein, sich selbst ein bisschen zu enträtseln. Es wird u.a. sehr gut erklärt, warum gerade am Anfang die Reizüberflutung in einem neuen Umfeld so riesig ist.

Das Procedere zur Adressenliste von Ärzten zur Diagnose und Behandlung findest Du hier: https://adhs-forum.adxs.org/t/adressen-von-aerzten-therapeuten-fuer-ad-h-s/353

Das hilft sicher weiter, aber eben noch nicht morgen oder nächste Woche… Mit Lockdown, Homeschooling, neuer Stelle, Organisationsaufgaben und … dann ausgerechnet auch noch Großraumbüro hast Du ordentlich was im Rucksack. Vielleicht gibt es schon kleinere Lösungen für den Übergang zur Entlastung, mehr Home Office, Noise Cancelling Kopfhörer, etc.

Von Lachenmeier gibt es auch ein Buch zu ADHS im Beruf, falls Dir der Vortrag liegt.

Ich hoffe, es hilft schon mal, wenn Du Dich darin vielleicht wiedererkennst und für Dich selbst schon etwas mehr Verständnis und Geduld aufbringen kannst.

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Danke für deine ausführliche Antwort, ich werde mir die Links in Ruhe zu Gemüte führen. :slight_smile:

Hallo Elementary

Dieser Vortrag von Lachmeier trifft den Nagel auf den Kopf.
Die Lebensbeschreibung seines Patienten könnte meine sein!
Nur müßte ich dann einen hohen I Q haben !
Suf den Gedanken bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht gekomnen.
Scheint mir aber die einzige Antwort darauf das ich soviel geschafft habe.
Aber jetzt verstehe ich auch weshalb ich mich so ausgelaugt und erledigt fühle nach meinem so ereigissreichen Lebensweg

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Herzlich willkommen, @Onkel :adxs_friends:

Ich habe ein paar Absätze eingebaut, dann ist es auch keine „Wand“ mehr.

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Ich finde die Inhalte und seine Vortragsweise auch sehr wohltuend, um sich mit sich selbst wieder etwas besser zurechtzufinden.

Einige der Folien, u.a. auch das „mit künstlichem Horizont fliegen“, sind auch hier nochmal zusammengefasst.

Gerade neue Stellen oder Wiedereingliederungen sind eben eine vergleichsweise verwundbare Phase. Wer wenigstens um seine mögliche Besonderheit weiß, dass aufgrund der Reizoffenheit die Orientierungsphase länger dauert (… danach aber die „Ortskenntnis“ überragend gut ist), ist schon einen Schritt weiter.

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@Elementary vielen herzlichen Dank für Deine hilfreichen Tipps, bin inzwischen auch auf den guten Dr. Lachenmeier gestossen, hätte ich nur früher davon gewusst, aber eben lieber spät als nie. :hugs:

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Ja, odrr? Sogar wie er immer schweizerisch das A von ADS betont, finde ich beruhigend. Odrr? Ich habe evtl. lieber Aaaa-DS als ADS (oder gar BDS oder CDS).

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Super :+1::heart::hugs:
:rofl::joy:

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