XXL Meetings belasten immer mehr

Moin, Moin und Gruß aus Hamburg.

Ich bin 50 und habe diagnostiziertes ADHS. Aufgrund weiterer Psychischer Erkrankungen habe ich eine anerkannte Schwerbehinderung mit gdb50. Nach einem komplettabsturz im Jahr 2007 habe ich eine Berufliche Reha durchlaufen. Aufgrund meiner Einschränkungen war damals auch kein Schulabschluss oder Ausbildung möglich. Zu dieser Zeit hieß die ADHS-Diagnose noch „Schwererziehbar“.

Nun arbeite ich aber schon über 15 Jahre als Systemadministrator in Vollzeit. Medikamente helfen zwar ein wenig,- dennoch wird gerade die ADS-Problematik im Alter immer schlimmer. Mein Arbeitgeber bekommt dauerhaft für mich eine monatliche Unterstützung von ca. 1700 Euro aus dem Topf der Ausgleichzahlung die Unternehmen zahlen müssen, die die „Behindertenquote“ nicht erfüllen.

Nun gibt es in der heutigen zeit immer mehr Meetings und seid Corona auch noch fast ausschließlich via Teams. Für mich sind diese Meetings die reinste Folter. Selbst wenn ich versuche, mich auf die Meetings in voller Gänze zu konzentrieren, spielt mein Hirn nicht mit. Gerade die passive Rolle als Zuhörer führt zum sofortigem Gedankenwechsel wobei ich unterm Strich so gar nichts mitbekomme. Gerade das führt aber ständig dazu, dass mir unter die Nase gerieben wird, „dass wir das ja besprochen haben“.

Genau das führt aber immer mehr zu frust und Überforderung bei mir. Privat bekomme ich mein Leben nicht in den Griff und obwohl ich kein Messie bin,- sieht meine Wohnung genau so aus. Unterhaltungen dürfen nicht lange dauern und müssen aus, für mich wichtigen Informationen bestehen. Ist das nicht der Fall, fährt mein Hirn runter.

Bei all dem könnte man meinen, dass ich eher eine „Bürohilfe“ bin denn schließlich habe ich weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung. Dem ist aber nicht so. „IT“ ist so ziemlich das einzige, was ich kann und habe ich mir seid meiner Jugend angeeignet. Ich bearbeite selbstständig Projekte. Ich habe ganze Abteilungen IT-seitig geplant und aufgebaut, einen Bundesweiten Workshop organisiert und neben vielen anderen Aufgaben bin ich für die Umsetzunge der ISO27001 zuständig.

So,- jetzt habe ich lange um den heißen Brei geredet und komme zur eigentlichen Frage: Die Meetings dauern alle min. 120 Minuten. Obwohl mein Arbeitgeber meine Situation genau kennt und für mich auch fast 1700 € bekommt, wird mir hier nur mäßiges Verständnis entgegen gebracht. Ich habe mehrfach darum gebeten, die Meetings nicht so extrem lange anzusetzen oder die Verpflichtung der Teilnahme aufgehoben wird.

Jetzt muss ich ein wenig vorsichtig mit meinen Äußerungen sein. Mein Unternehmen ist im Sozialem Berich tätig und schreibt sich Wertschätzung auf die Fahne. Wir in der IT haben den höchsten Krankenstand im ganzen Unternehmen und lustigerweise halte ich den Gesundheitsrekord :slight_smile:

Das klingt vielleicht alles erst einmal wie mimimi aber es beginnt eben mit dem Druck, dass es „gleich wieder“ eines dieser wöchentlichen Meetings gibt. Wird im Laufe des Meetings immer wieder unangenehm, weil ich angesprochen werde, aber nicht antworten kann weil ich gar nicht weiß, worum es ging. Letzt häufen sich dann Situationen, wo ich im Alltag Dinge hinterfragen muss und eben als Antwort bekomme, dass ich wohl wieder mal nicht zugehört habe. Das wird auch mit dem alter alles nicht besser. Medikamente habe ich alle durch und Medikinet nehme ich schon in der Maximaldosis. Ohne Medikinet wäre ich kaum arbeitsfähig.

Zu teamtagen und Betriebsversammlungen muss ich mich AU schreiben lassen, weil das tatsächlich überhaupt nicht funktioniert.

Kann mir jemand nen Rat geben?

Danke und Gruß

Gibt es evtl. eine IT / KI-Lösung?

Bei allgemeinem Einverständnis ließe sich doch zumindest mal ausprobieren, ob Transkription und Ergebniszusammenfassung (wer macht was bis wann, etc.) eine Option sind?

Vielleicht schaltet das bei Dir auch das Novelty Seeking wieder an und führt aus dem aktuellen Tief?

Scheint mir jedenfalls ein artgerechterer Lösungsansatz als der status quo: Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass fehlende Wertschätzung fast kampfunfähig macht und diese EUR 1700 vermutlich auch am Gerechtigkeitssinn zerren. Das ist aber ein Kampf gegen Windmühlen und uns selbst, nach meiner Erfahrung.

Ansonsten geistern ja immer diese Jeff Bezos-Regeln zur Meeting-Vorbereitung (und -Verkürzung) durch das Netz: Effiziente Meetings: Was Sie von Amazon lernen können - 123effizientdabei - Mehr Effizienz im Büro - mehr Ordnung am Arbeitsplatz - Aufräumen mit System

Solche Meetings sind m.E. für alle frustrierend. Mit ADHS eben so viel mehr, dass man dann „Symptomträger“ der Strukturprobleme ist. Vielleicht findest Du eine Verbesserung, die für alle hilfreich ist.

Hi, sehr spannendes Thema und ich kann mich gut in deine Lage versetzen: Ich drehe innerlich komplett ab, wenn Leute in einem Meeting ewig reden ohne viel zu sagen.

Ich bin jetzt mal ein bisschen frech und sag: Setz deinem AG die Pistole auf die Brust. Als ITler mit Berufserfahrung bist du doch Gold auf dem Arbeitsmarkt? Sie sollen dir das Protokoll schicken und ansonsten auf Abruf zu Meetings einladen. 2h Meetings sind sowieso ein Witz…

Selbstständigkeit ist vermutlich keine Option für dich, oder? Da könntest du zumindest solche Dinge ein bisschen beeinflussen, in dem du den Kunden Strukturen für Meetings und Zeitfenster gibst. Nur so als Idee.

Du hast erstmal mein aufrichtiges Beileid!
Ich finde Meetings, in denen viel geredet und wenig gesagt wird, fürchterlich. Nach spätestens anderthalb Stunden muss ich mich beherrschen, um noch sitzen zu bleiben und bekomme nicht mehr viel mit.
(Allerdings sind inzwischen alle daran gewöhnt, dass ich regelmäßig nachfrage, weil mir irgendetwas entgangen ist. Ich stehe dazu. Damit lebt es sich entspannter.)

Die einzige Möglichkeit, die es bei uns gibt, Meetings in voller Länge zu entgehen, sind wichtige Termine, wie Arzttermine, zu denen man rechtzeitig aufbrechen muss.

Ich versuche, halbwegs dabei zu bleiben, indem ich mitschreibe, was gesagt wird, was ich dazu assoziiere, man damit machen könnte. Je beschäftigter ich bin, desto besser geht es mir.

Meetings von 120 Minuten, das klingt absolut grauenhaft. Ich fand schon einstündige wöchentliche Jours Fixes generell furchtbar, weil dann alle zusammensitzen (virtuell) und es für einen selber dann oft gar nicht arbeitsrelevant ist. Jedenfalls hast du mein tiefes Mitgefühl.

Falls die Kollegen keine Lust auf mitlaufende Transkription haben, könntet ihr auch eine rotierende Protokollführung einführen. Oder du führst Protokoll, das würde dich zum Dranbleiben zwingen. Gibt aber auch lokal laufende Transkriptionslösungen, sofern Datenschutz das Problem sein sollte. Damit könntest du sogar heimlich die Meetings mitschneiden und transkribieren lassen, sofern du einen Mac hast.

Möglicherweise sind eure Meetings nicht nur zu lang, sondern auch zu voll. Gibt es eine klare Trennung zwischen fachinternen Diskussionen auf der einen Seite und den strategischen Meetings auf der anderen? Wenn die Diskussionen erst im Meeting ausgetragen werden, führt diese Vermischung zwangsläufig zu Meetings aus der Hölle. Wenn die Abteilungen/Bereiche im Strategischen Meeting hauptsächlich die Ergebnisse ihrer Diskussion präsentieren, strafft das diese Meetings merklich. Gleichzeitig sind die bereichsinternen Diskussionen fruchtbarer und effizienter, weil man ungestört richtige Fachdiskussionen führen kann.

Ich hoffe, es waren ein paar Anregungen für dich dabei.

Hallo @Mr_X_aus_HH,

gerade wenn die Meetings online sind, kann man nebenbei wunderbar ganz unauffällig andere Sachen machen, was dann wiederum beim Konzentrieren hilft. Hast du das schon mal ausprobiert? Ich habe manchmal Strickzeug dabei oder ein Rätselheft. Auch Sensorikspielzeug hilft mir.

Ich erkenne mich da irgendwie wieder. Wir haben auch so Meetings. Da ich 80% der Arbeitszeit von daheim arbeiten darf versuche ich mir das so zu legen, dass solche Meetings im Home-Office stattfinden. Dann lege ich nebenbei Wäsche, Bügle, Häkle, Stricke, Kritzle …

Dann geht das schon viel besser mit dem Zuhören.

Ansonsten werde ich notfalls das Protokoll nachlesen. Häufig stellt sich aber eh raus, dass „this meeting could have been an e-mail“. In unseren Subteammeetings fasst der direkte Vorgesetzte das allerwichtigste meistens noch einmal zusammen.:smiling_face:

Großveranstaltungen meide ich nach Möglichkeit, weil sie mich ohne Ende erschöpfen. Auf das Sommerfest verzichte ich. Zu laut, zuviele Menschen, zum Glück nicht verpflichtend.

Bei der letzten großen Zusammenkunft von 70 Leuten, die leider verpflichtend war, bin ich eher gegangen. Habe die Teilzeit nicht zum Spaß.

Sollte man wieder auf die Idee kommen, man müsse sich dafür feiern, wie toll man ist indem man 70 Leute zusammen kommen lässt, weiß ich echt nicht, was ich tun werde. Mit wäre es lieber, solche Veranstaltungen wären hybrid möglich. Von zu Hause aus ginge es ganz gut.

Ich habe das Gefühl, dass es inzwischen wesentlich anstrengender ist sowas zu verfolgen. Vermutlich gehe ich mit großen Schritten Richtung Premenopause.

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